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Ermäßigter Steuersatz bei Veräußerungsgewinn: Änderung des bereits ausgeübten Wahlrechts

Wird ein Veräußerungsgewinn erzielt, ist dieser in der Regel der Einkommensteuer zu unterwerfen. Bei einigen Veräußerungsgewinnen, zum Beispiel bei Veräußerung einer Beteiligung, kann der Steuerpflichtige die Anwendung eines ermäßigten Steuersatzes beantragen. Hierfür muss er beim Finanzamt einen Antrag stellen, dass er dieses Wahlrecht auf ermäßigte Besteuerung ausüben möchte. Das Finanzgericht Köln (FG) musste darüber entscheiden, ob dieser Antrag später wieder zurückgenommen werden kann.

Im Streitfall wurden die Kläger im Jahr 2007 zusammen veranlagt. Der Erstbescheid wurde am 14.05.2009 erlassen. In der Folgezeit wurde nach Erlass eines geänderten Bescheids ein Antrag auf ermäßigte Besteuerung eines Veräußerungsgewinns aus der Beteiligung an einer KG gestellt. Das Finanzamt entsprach diesem Antrag. Im Rahmen einer Außenprüfung bei der KG wurde ein niedrigerer als zuvor angegebener Veräußerungsgewinn festgestellt. Das Finanzamt erließ aufgrund dieser neuen Tatsache einen geänderten Bescheid. Daraufhin teilten die Kläger mit, dass sie den Antrag auf ermäßigte Besteuerung zurücknähmen. Das Finanzamt lehnte die Rücknahme aber ab.

Die dagegen gerichtete Klage vor dem FG war nur teilweise erfolgreich. Der Hauptantrag, nämlich die Rücknahme des Antrags auf Anwendung des ermäßigten Steuersatzes, war nicht erfolgreich. Es bestünde kein Anspruch auf die nachträgliche Nichtberücksichtigung. Zwar sei der Antrag grundsätzlich frei widerruflich, jedoch sei dies im Streitfall erst nach der Bestandskraft des Bescheids erfolgt. Das Wahlrecht an sich sei auch nicht Gegenstand des geänderten Grundlagenbescheids gewesen. Eine Änderung des Antrags- oder Wahlrechts sei nicht möglich, wenn deren Auswirkungen über den abgesteckten Änderungsrahmen hinausgingen. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass der Veräußerungsgewinn Gegenstand des Grundlagenbescheids und der Grund der Änderung gewesen sei.

Jedoch sei dem Hilfsantrag der Kläger, im Nachhinein eine getrennte Veranlagung vorzunehmen, zu entsprechen. Es seien jedoch die Besteuerungsgrundlagen wie im zuletzt erlassenen Bescheid anzusetzen.

Hinweis: Vor der Ausübung eines Wahlrechts sollte immer genau überlegt werden, ob man dies wirklich will. Wir erläutern Ihnen gern die steuerlichen Konsequenzen von Wahlrechten.

Geschäftsführerhaftung für Steuerschulden: Eigene Unfähigkeit verhindert die Haftung nicht

Der BFH hat entschieden, dass sich ein Geschäftsführer nicht darauf berufen kann, dass er aufgrund seiner persönlichen (Un-)Fähigkeiten gar nicht in der Lage gewesen ist, den Aufgaben eines Geschäftsführers nachzukommen.

Geklagt hatte ein älterer Herr, der von seinem Sohn als alleiniger Geschäftsführer einer GmbH eingesetzt worden war. Der Sohn selbst war der faktische Geschäftsführer und zog im Hintergrund die Fäden. Prüfungen der Steuerfahndung deckten später auf, dass die GmbH zahlreiche Scheinrechnungen und beleglose Buchungen in ihre Buchführung eingestellt hatte. Tatsächlich lagen diesen Vorgängen jedoch keine realen Leistungen zugrunde. Nachdem über das Vermögen der GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet worden war, nahm das Finanzamt den Vater als Geschäftsführer für die Steuerschulden der GmbH in Haftung. Hiergegen wandte dieser ein, dass er aufgrund seines fortgeschrittenen Alters und seiner persönlichen Fähigkeiten gar nicht in der Lage gewesen sei, die Geschäftsvorfälle in der Firmen-EDV nachzuvollziehen.

Das Gericht gab jedoch grünes Licht für die Haftungsinanspruchnahme und verwies darauf, dass Geschäftsführer einer GmbH für Steuerschulden ihrer Gesellschaft haften, soweit die Steuern infolge vorsätzlicher oder grob fahrlässiger Verletzung der ihnen auferlegten Pflichten nicht oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden. GmbH-Geschäftsführer haben die Pflicht, Steuererklärungen vollständig, richtig und rechtzeitig abzugeben und unzutreffende Erklärungen unverzüglich zu berichtigen. Diese Pflicht hatte der Geschäftsführer im vorliegenden Fall verletzt, da er die Steuererklärungen der GmbH entweder gar nicht oder in unzutreffender Form abgegeben hatte.

Er hatte überdies auch schuldhaft gehandelt, da er verpflichtet gewesen war, sich ständig eingehend über den Geschäftsgang der GmbH zu unterrichten, so dass ihm das Fehlverhalten beauftragter Dritter rechtzeitig hätte auffallen müssen. Werden zur Pflichterfüllung (hier: zur Buchführung) herangezogene Personen mangelhaft überwacht, liegt regelmäßig eine grob fahrlässige Pflichtverletzung, ein sogenanntes Überwachungsverschulden, vor. Unerheblich war für das Gericht, dass der Vater nicht in der Lage gewesen war, die EDV der Firma zu bedienen. Der BFH erklärte, dass sich niemand auf das eigene Unvermögen berufen kann, wonach er den Aufgaben eines Geschäftsführers nicht nachkommen könne. Wer den Anforderungen an einen gewissenhaften Geschäftsführer nicht entsprechen kann, darf eine solche Position ganz einfach nicht übernehmen.

Hinweis: Sofern jemand die Stellung eines Geschäftsführers übernimmt, haftet er also auch dann für die Steuerschulden seiner Gesellschaft, wenn er seinen Überwachungsaufgaben nicht nachkommen kann. Hinzukommen muss aber stets auch das persönliche Verschulden (mindestens im Grad einer groben Fahrlässigkeit).

Steuerhinterziehung: Versagung des Vorsteuerabzugs beim zweiten Erwerber wegen Betrugskenntnis

Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat entschieden, dass auch einem zweiten Erwerber in der Lieferkette der Vorsteuerabzug in voller Höhe versagt werden muss, wenn dieser wusste oder hätte wissen müssen, dass der Umsatz in eine Steuerhinterziehung einbezogen war. Eine anteilige Begrenzung auf den tatsächlichen Steuerschaden lehnten die Richter ab.

Im zugrundeliegenden Fall wollte Unternehmer C dem Kläger A einen Gebrauchtwagen für 64.705,88 € zuzüglich 12.294,12 € Umsatzsteuer verkaufen, dabei aber nicht den vollen Umsatzsteuerbetrag an das Finanzamt abführen. Daher wollte er den Anschein erwecken, er habe den Wagen für 52.100,84 € zuzüglich 9.899,16 € Umsatzsteuer an einen Zwischenhändler W verkauft, der ihn seinerseits dann zum Preis von 64.705,88 € zuzüglich 12.294,12 € Umsatzsteuer an A verkauft habe. Hierzu gab sich C gegenüber A für W aus, womit W einverstanden war. C stellte W eine Rechnung über 52.100,84 € zuzüglich 9.899,16 € aus, während W wiederum A 64.705,88 € zuzüglich 12.294,12 € Umsatzsteuer berechnete. A zahlte diesen Rechnungsbetrag an C. W erhielt keine Zahlung und leistete auch keine. C führte 9.899,16 € an das Finanzamt ab. W hingegen meldete seinen Umsatz nicht.

Das Finanzgericht Nürnberg wertete diesen Fall als atypische Verkaufskommission. Es liege eine Lieferung von C an W und eine weitere Lieferung von W an A vor. Mit dieser Gestaltung habe C die Steuer auf seinen Verkauf verkürzen und W seine steuerlichen Pflichten überhaupt nicht erfüllen wollen. A habe dies wissen müssen. Dem Fiskus sei ein Steuerschaden von 2.394,96 € entstanden.

Aus Sicht des EuGH ist A der Vorsteuerabzug vollständig zu versagen und betragsmäßig nicht auf den eingetretenen Steuerschaden begrenzt. Dies werde durch die Ziele bestätigt, die mit der Pflicht der nationalen Behörden und Gerichte verfolgt würden, das Recht auf Vorsteuerabzug in Betrugsfällen zu versagen. Die Versagung des Vorsteuerabzugs solle die Steuerpflichtigen dazu anhalten, die Sorgfalt walten zu lassen, die vernünftigerweise bei jedem wirtschaftlichen Vorgang verlangt werden könne, um sicherzustellen, dass die von ihnen bewirkten Umsätze nicht zu ihrer Beteiligung an einer Steuerhinterziehung führten.

Hinweis:

Das vorliegende Urteil stellt klar, dass der Vorsteuerabzug in einer Leistungskette auch bei mehreren Beteiligten versagt werden kann. Unternehmer sind gut beraten, sorgfältig auf Auffälligkeiten zu achten und gegebenenfalls im Rahmen ihrer Tax-Compliance-Management-Systeme entsprechende Kontrollmechanismen zu etablieren.

Einspruch vor Bekanntgabe des Steuerbescheids ist unzulässig

Da es in Fällen der ELSTER-Bescheiddatenübermittlung die Möglichkeit einer elektronischen Vorschau auf den am selben Tag zur Post aufgegebenen Steuerbescheid gibt, kommt es verfahrensrechtlich immer häufiger zu einer kuriosen Situation. Denn fällt beim Abgleich der elektronischen Vorschau ein Fehler auf und der Steuerberater legt dagegen umgehend Einspruch ein, ist dieser Einspruch unzulässig. In einer aktuellen internen Verfügung weist die Finanzverwaltung darauf hin, dass der Bescheiddatenübermittlung keine rechtliche Bindungswirkung zukommt. Ein Einspruch kann also erst drei Tage nach Bescheiddatum (= Bekanntgabe) zulässig eingelegt werden.

 

Merke | Wird ein Einspruch wegen der ELSTER-Vorschau verfrüht eingelegt, muss das Finanzamt im Rahmen seiner finanzbehördlichen Betreuungspflicht den Steuerzahler darauf hinweisen, dass sein Einspruch unzulässig ist und erneut ein Einspruch einzureichen ist. Unterlässt das Finanzamt diesen Hinweis, drängt sich nach Ablauf der Einspruchsfrist ein Wiedereinsetzungsgrund nach § 110 AO auf.

Tantieme vertraglich vereinbart, aber nicht ausgezahlt – damit auch kein Zufluss

Wurden die zwischen einer GmbH und ihrem beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer vertraglich vereinbarten Tantiemen nicht ausgezahlt und erfolgte auch keine Passivierung einer sich auf die Tantiemen beziehenden Verbindlichkeit bei der GmbH, sodass sich die Tantiemen weder in den Streitjahren noch in späteren Zeiträumen mindernd auf das Einkommen der Gesellschaft ausgewirkt haben, so liegt weder nach den allgemeinen Grundsätzen noch aufgrund der Zuflussfiktion einer Tantieme beim beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführer zum Zeitpunkt der Feststellung des Jahresabschlusses ein Zufluss von Einkünften beim Gesellschafter-Geschäftsführer vor.

 

Sachverhalt

Streitig war, ob mit dem Steuerpflichtigen (beherrschender Gesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH) vertraglich vereinbarte, jedoch nicht ausgezahlte Tantiemen als zugeflossen anzusehen sind.

 

Grundsatz

Tantiemen sind grundsätzlich Einnahmen aus nichtselbstständiger Tätigkeit gemäß § 19 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG, sofern diese als sonstiger Bezug dem Arbeitnehmer auch nach §§ 11 Abs. 1 Satz 4, 38a Abs. 1 Satz 3 EStG zugeflossen sind. Daran fehlte es jedoch im Streitfall.

Zufluss tritt mit der Erlangung der wirtschaftlichen Verfügungsmacht ein. Das ist in der Regel der Zeitpunkt des Eintritts des Leistungserfolgs. Geldbeträge fließen grundsätzlich dadurch zu, dass sie dem Empfänger bar ausbezahlt oder einem Konto des Empfängers bei einem Kreditinstitut gutgeschrieben werden.

Bei beherrschenden Gesellschafter-Geschäftsführern kann ein Zufluss von Einnahmen allerdings auch ohne Zahlung oder Gutschrift bereits früher vorliegen. Danach fließt dem alleinigen oder jedenfalls beherrschenden Gesellschafter eine eindeutige und unbestrittene Forderung gegen „seine“ Kapitalgesellschaft bereits mit deren Fälligkeit zu. Denn ein beherrschender Gesellschafter hat es regelmäßig in der Hand, sich geschuldete Beträge auszahlen zu lassen, wenn der Anspruch eindeutig, unbestritten und fällig ist. Allerdings werden von dieser Zuflussfiktion nur Gehaltsbeträge und sonstige Vergütungen erfasst, die die Kapitalgesellschaft den sie beherrschenden Gesellschaftern schuldet und die sich bei der Ermittlung des Einkommens der Kapitalgesellschaft ausgewirkt haben.

Fällig wird der Anspruch auf Tantiemen erst mit der Feststellung des Jahresabschlusses, sofern die Vertragsparteien nicht zivilrechtlich wirksam und fremdüblich eine andere Fälligkeit im Anstellungsvertrag vereinbart haben.

 

Entscheidung

Im Streitfall lag nach Auffassung des FG bei Würdigung der Gesamtumstände des Falles kein Zufluss von Arbeitslohn in Form von Tantiemen vor. Zum Einen wurden die vereinbarten Tantiemen nicht ausgezahlt, zum Anderen erfolgte keine Passivierung einer sich auf die Tantieme beziehenden Verbindlichkeit bei der GmbH, sodass sich die Tantiemen weder in den Streitjahren noch in späteren Zeiträumen mindernd auf das Einkommen der Gesellschaft ausgewirkt hatten. Danach lag weder nach den allgemeinen Grundsätzen noch aufgrund der vom BFH entwickelten Zuflussfiktion ein Zufluss von Einkünften beim Steuerpflichtigen vor.

Der gegenteiligen Auffassung der Finanzverwaltung im BMF-Schreiben vom 12.5.2014 (BStBl I 14, 860), die darauf abstellt, dass die Verbindlichkeit nach den GoB hätte berücksichtigt werden müssen, folgte das FG nicht.

Die Tantiemen waren in den Streitjahren auch nicht als verdeckte Einlagen der Einkommensteuer zu unterwerfen. Die Feststellung des Jahresabschlusses der GmbH ohne Berücksichtigung der streitgegenständlichen Tantieme kann zwar als Verzicht auf die jeweilige Tantieme ausgelegt werden. Denn die Gesellschafter bestätigen mit der Feststellung des Jahresabschlusses nicht nur die Richtigkeit der Angaben zu den Vermögensverhältnissen der Gesellschaft, sondern sie bekräftigt zugleich rechtsverbindlich die im Jahresabschluss ausgewiesenen Rechtsverhältnisse im Verhältnis der Gesellschafter zur Gesellschaft und im Verhältnis der Gesellschafter untereinander und verzichten auf diesbezügliche Einreden und Einwendungen.

Der Verzicht des Steuerpflichtigen hat allerdings nicht zum Wegfall einer zuvor passivierten Verbindlichkeit bei der GmbH und damit zu einer Mehrung des Vermögens und der Ertragsfähigkeit der GmbH geführt (zum Begriff der verdeckten Einlage durch Verzicht grundlegend BFH vom 3.2.11, VI R 4/10, BStBl II 14, 493).

 

Fundstelle

FG Baden-Württemberg 30.6.22, 12 K 58/20, Rev. zugelassen

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