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Finanzgerichtsverfahren: Entscheidung darf nicht auf unerörtertem Gesichtspunkt beruhen

Ein wesentlicher Grundsatz im Verfahren vor dem Finanzgericht ist der Anspruch auf rechtliches Gehör. Prozessbeteiligte müssen die Gelegenheit erhalten, sich zu dem Sachverhalt zu äußern, der einer gerichtlichen Entscheidung zugrunde gelegt werden soll. Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen sich die Beteiligten zuvor hatten äußern können. Stützt das Gericht seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt, auf den es die Beteiligten zuvor nicht hingewiesen hat und der dem Rechtsstreit eine unerwartete Wendung gibt, kann ein Verfahrensmangel in Form der Verletzung rechtlichen Gehörs vorliegen. Man spricht in diesem Fall von einer Überraschungsentscheidung.

Hinweis

Die Prozessbeteiligten müssen zwar von sich aus - bei umstrittenen und problematischen Rechtslagen - alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte in Betracht ziehen und ihren Sachvortrag darauf einstellen. Sie müssen aber nicht damit rechnen, dass ihre Klage aus einem Grund abgewiesen wird, den weder die Beteiligten noch das Gericht zuvor in das Verfahren eingeführt haben.

Wie ein solcher Verfahrensmangel aussehen kann, zeigt ein neuer Beschluss des Bundesfinanzhofs (BFH): Im vorliegenden Fall war vom Finanzgericht Hamburg (FG) zu entscheiden, wem Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung zuzurechnen sind. Die Hauseigentümerin vertrat die Auffassung, dass die Einkünfte ihrem geschiedenen Ehemann zuzurechnen seien, der einen Teil des Hauses selbst bewohne und einen weiteren Teil in Eigenregie vermietet habe. Das Finanzamt hingegen rechnete die Vermietungseinkünfte der Hauseigentümerin zu. Zur mündlichen Verhandlung vor dem FG erschien die Hauseigentümerin nicht. Das FG bestätigte die Sichtweise des Finanzamts und stützte sich auf ein völlig neues Argument: Der Ex-Mann habe die Mietverträge zwar im eigenen Namen abgeschlossen, die Einkünfte seien der Frau jedoch aufgrund eines Treuhandverhältnisses zuzurechnen.

Der BFH stufte das finanzgerichtliche Urteil als Überraschungsentscheidung ein und hob es daher auf. Die Zurechnung über ein Treuhandverhältnis war bis zum Ergehen des finanzgerichtlichen Urteils nicht Gegenstand des Verfahrens gewesen. Das FG hätte die mündliche Verhandlung vertragen müssen, da es der Hauseigentümerin zum Gesichtspunkt des Treuhandverhältnisses bislang kein rechtliches Gehör gewährt hatte. In einem zweiten Rechtsgang muss sich das FG daher erneut mit dem Fall befassen.

Hinweis

Die Entscheidung zeigt, dass überraschende Entscheidungen des FG mit Erfolg angefochten werden können, wenn deren Begründung auf bislang unerörterten, vollkommen neuen Gesichtspunkten beruht.
 

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