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Hinweise zum Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer bei Immobilien

Dass Immobilieneigentümer das Recht haben, dem Finanzamt für eine Immobilie eine kürzere als die gesetzlich vorgeschriebene Nutzungsdauer nachzuweisen, ist aufgrund zahlreicher BFH-Urteile und aufgrund von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG unumstritten. Probleme gibt es nach wie vor mit den Nachweisen, die das Finanzamt für die Begründung einer kürzeren Nutzungsdauer fordert. Nachfolgend erhalten Sie ein Update, welche Optionen Sie haben. 


Hohe Anforderungen an Nachweise

Möchte ein Immobilieneigentümer für eine Immobilie von der gesetzlich vorgegebenen Nutzungsdauer nach unten abweichen, erwarten die Finanzämter besondere Nachweise. Die Sachbearbeiter und Prüfer der Finanzämter berufen sich hier auf die Ausführungen in Randziffer 22 des BMF-Schreibens vom 22.2.2023 (IV C 3 – S 2196/22/10006:005). Darin heißt es: „Der Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer im Sinne von § 7 Abs. 4 Satz 2 EStG ist durch Vorlage eines Gutachtens eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen für die Bewertung von bebauten und unbebauten Grundstücken oder von Personen, die von einer nach DIN EN ISOP/IEC 17024 akkreditierten Stelle als Sachverständige oder Gutachter für die Wertermittlung von Grundstücken nach entsprechender Norm zertifiziert worden sind, zu erbringen.“

Praxistipp

Wurde vom Immobilieneigentümer dagegen die bloße Übernahme einer Restnutzungsdauer aus einem Verkehrswertgutachten vorgelegt, wurde die Berücksichtigung der kürzeren Nutzungsdauer bislang abgelehnt (siehe dazu BMF, Schreiben v. 22.3.23, Rz. 24).

Bundesfinanzhof widerspricht der Verwaltungsauffassung

Doch der Bundesfinanzhof hat zuletzt in seinem Urteil vom 23.1.2024 (IX R 14/23) dieser Verwaltungsauffassung in wesentlichen Teilen widersprochen. Verschiedenen internen Verfügungen der Finanzverwaltung kann entnommen werden, dass diese steuerzahlerfreundliche BFH-Rechtsprechung in den Finanzämtern zunächst nicht berücksichtigt werden soll. 

Gutachten anderer Sachverständiger als die im BMF-Schreiben vom 22.3.2023 aufgeführten, dürfen nach wie vor nicht als Nachweis einer kürzeren Nutzungsdauer anerkannt werden. Insbesondere sieht die Finanzverwaltung eine Ortsbesichtigung eines Sachverständigen weiterhin als zwingend erforderlich an. 

Kosten und Nutzen im Auge behalten

Wenn Sie planen, beim Finanzamt eine kürzere Nutzungsdauer für ein Gebäude zu beantragen und dabei ein Verkehrswertgutachten und nicht ein von der Finanzverwaltung vorgeschriebenes Gutachten verwenden wollen, sollten Sie berücksichtigen, dass aktuell nicht klar ist, ob sich der finanzielle Aufwand wirklich lohnt. 

Lehnt das Finanzamt bei Vorlage eines Verkehrswertgutachtens i. S. d. BFH-Urteils vom 23.1.2024 eine kürzere Nutzungsdauer ab, sollte gegen nachteilige Steuerbescheide Einspruch eingelegt werden. Fordern Sie das Finanzamt im Einspruchsverfahren auf, einen Bausachverständigen der Finanzverwaltung hinzuzuziehen. Wird dieser Wunsch abgelehnt, sollte zur Vermeidung einer Einspruchsentscheidung ein Ruhen des Einspruchsverfahrens bzw. die Zurückstellung der Bearbeitung des Einspruchs beantragt werden.

Da die Berücksichtigung der aktuellen BFH-Rechtsprechung sicherlich auf Bund-Länder-Ebene erörtert werden muss und Bausachverständige der Finanzverwaltung aktuell eher an die Grundsteuerreform gebunden sind, dürften die Finanzämter der Zurückstellung der Bearbeitung des Einspruchs zustimmen. Kann das Veranlagungsverfahren nicht zurückgestellt werden, sollte darauf gepocht werden, dass die vermeintlich fehlerhaften Steuerbescheide punktuell vorläufig nach § 165 AO erlassen werden.

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