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Verfahrensrecht: Keine Bescheidberichtigung bei grobem Verschulden

Eine Änderung des Steuerbescheids wegen neuer Tatsachen zugunsten des Steuerpflichtigen kommt bei grobem Verschulden nicht in Betracht. Zwei FG-Urteile haben sich mit dieser Problematik auseinander gesetzt.

1. Verschulden des Steuerberaters

Nachgereichte Belege können nicht berücksichtigt werden, wenn die Absetzungsmöglichkeit in der Anleitung zur Steuererklärung aufgeführt ist. Dies gilt beim steuerlich beratenen Bürger nach dem FG München auch dann, wenn ihm das Finanzamt die Anleitung nicht zugesandt hatte. Denn sein Steuerberater muss bei ihm sämtliche dort enthaltenen Sachverhalte abfragen. Im entschiedenen Fall ging es um von der Kasse nicht erstattete hohe Krankheitskosten. Ob die sich im Einzelfall oberhalb der zumutbaren Eigenbelastung auswirken, hat der Berater zu prüfen. § 173 AO kommt bei grober Fahrlässigkeit nicht in Betracht. Die liegt bei Verletzung der nach persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbaren Sorgfalt vor. Das trifft auf unvollständige Erklärungen zu, wenn im Formular ausdrücklich gestellte Fragen nicht beantwortet oder Erläuterungen nicht gelesen wurden.

Allein mangelnde Kenntnisse begründen noch kein grobes Verschulden. Drängen sich dem Laien allerdings durch die Lektüre Zweifel auf, dass er ohne fachkundigen Rat nicht weiterkommt, so handelt er grob fahrlässig, wenn er keine Hilfe in Anspruch nimmt und infolgedessen für ihn günstige Tatsachen nicht rechtzeitig geltend macht. Ein Verschulden des Steuerberaters - und damit ggf. auch seine Haftung mit dem einhergehenden Schadensersatzanspruch - ist darin zu sehen, dass er beim Mandanten unter § 33 EStG fallende Sachverhalte nicht konkret abfragt. Er hat nämlich umfassend zu beraten, über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten sowie sämtliche für die Einkommensteuererklärung relevanten Sachverhalte abzufragen. Hierzu gehört auch die Erkundigung nach entstandenen Krankheitskosten.

2. Nachträgliches Bekanntwerden einer Gewinnverteilungsabrede

Müssen bisher festgestellte Besteuerungsgrundlagen bei einem Gesellschafter ermäßigt und bei dem anderen erhöht werden, ist § 173 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 AO anzuwenden, ohne dass es auf das grobe Verschulden ankommt, so das FG Düsseldorf. Als steuererhebliche Tatsache ist nicht nur die Höhe des festgestellten Gewinns, sondern auch die Gewinnverteilung zwischen den Beteiligten zu werten. Zwar liegt ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Gewinnverteilung vor, wenn die ausdrückliche Frage im Feststellungsbescheid nicht zutreffend beantwortet wird. Das Verschulden ist allerdings unbeachtlich, wenn es im Zusammenhang mit Tatsachen steht, die zu einer höheren Steuer führen.

Nach der Verwaltungsauffassung ist jedoch die Änderung der Gewinnverteilung ohne betragsmäßige Auswirkung nur zulässig, wenn kein grobes Verschulden vorliegt. Dem folgt das FG nicht. Der Regelung, wonach bereits ein mittelbarer Zusammenhang mit ungünstigen Folgen für eine Berichtigung ausreicht, ist zu entnehmen, dass der Gesetzgeber die materielle Richtigkeit von Bescheiden höher als die Rechtssicherheit wertet. Ansonsten wäre bei Änderung einer Gewinnverteilung zulasten eines Gesellschafters durch das Finanzamt eine korrespondierende Verminderung des Gewinns zugunsten des anderen Gesellschafters nicht sichergestellt. Bei einer Änderung der Gewinnaufteilung können auch Personen betroffen sein, die auf ein grobes Verschulden eines anderen Beteiligten keinen Einfluss haben. Dies führt auch nicht zu Missbräuchen, denn die Änderung der Gewinnverteilung kann für den Fiskus wegen der Progressionswirkung bei der Einkommensteuer im Ergebnis auch vorteilhaft sein. Die Diskrepanz zwischen FG und Verwaltung kann der BFH nun in der eingelegten Revision klären.

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