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Umsatzsteuer: Unternehmereigenschaft durch Erwerb und Verwaltung von Beteiligungen

Das BMF hat mit Schreiben v. 26.01.2007, - IV A 5 - S 7300 - 10/07, zur Frage der Unternehmereigenschaft beim Erwerben und Halten von Beteiligungen und des Vorsteuerabzugs aus dem mit dem Erwerben, Halten und Veräußern einer Beteiligung zusammenhängenden Aufwendungen Stellung genommen.

Danach gilt unter Bezugnahme auf das Ergebnis der Erörterungen mit den obersten Finanzbehörden der Länder Folgendes:

1. Erwerben, Halten und Veräußern gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen als unternehmerische Tätigkeit

Gemäß § 2 Abs. 1 UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbstständig ausübt und nachhaltig zur Erzielung von Einnahmen tätig wird. Der Unternehmerbegriff ist nicht von der Rechtsform abhängig, sondern richtet sich nach der Art der Tätigkeit.

Das bloße Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen ist keine unternehmerische Tätigkeit (vgl. EuGH-Urteile vom 14. November 2000, C-142/99, EuGHE I 2000 S. 9567, vom 27. September 2001, C-16/00, EuGHE I 2001 S. 6663, und vom 29. April 2004, C-77/01, EuGHE I S. 4295). Wer sich an einer Personen- oder Kapitalgesellschaft beteiligt, übt zwar eine „Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen” aus. Gleichwohl ist er im Regelfall nicht Unternehmer im Sinne des UStG, weil Dividenden und andere Gewinnbeteiligungen aus Gesellschaftsverhältnissen nicht als umsatzsteuerrechtliches Entgelt im Rahmen eines Leistungsaustauschs anzusehen sind (vgl. EuGH-Urteil vom 21. Oktober 2004, C-8/03, EuGHE I S. 10157). Soweit daneben eine weitergehende Geschäftstätigkeit ausgeübt wird, die für sich die Unternehmereigenschaft begründet, ist diese vom nichtunternehmerischen Bereich zu trennen.

Unternehmer, die neben ihrer unternehmerischen Betätigung auch Beteiligungen an anderen Gesellschaften halten, können diese Beteiligungen grundsätzlich nicht dem Unternehmen zuordnen. Bei diesen Unternehmern ist deshalb eine Trennung des unternehmerischen Bereichs vom nichtunternehmerischen Bereich geboten.

Dieser Grundsatz gilt für alle Unternehmer gleich welcher Rechtsform (vgl. BFH-Urteil vom 20. Dezember 1984, V R 25/76, BStBl 1985 II S. 176). Auch Erwerbsgesellschaften können daher gesellschaftsrechtliche Beteiligungen im nichtunternehmerischen Bereich halten.

Dies bedeutet, dass eine Holding, deren Zweck sich auf das Halten und Verwalten gesellschaftsrechtlicher Beteiligungen beschränkt und die keine Leistungen gegen Entgelt erbringt (sog. Finanzholding), nicht Unternehmer im Sinne des § 2 UStG ist. Demgegenüber ist eine Holding, die im Sinne einer einheitlichen Leitung aktiv in das laufende Tagesgeschäft ihrer Tochtergesellschaften eingreift (sog. Führungs- oder Funktionsholding), unternehmerisch tätig. Wird eine Holding nur gegenüber einigen Tochtergesellschaften geschäftsleitend tätig, während sie Beteiligungen an anderen Tochtergesellschaften lediglich hält und verwaltet (sog. gemischte Holding), hat sie sowohl einen unternehmerischen als auch einen nichtunternehmerischen Bereich.

Das Erwerben, Halten und Veräußern einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung stellt nur dann eine unternehmerische Tätigkeit dar (vgl. EuGH-Urteil vom 6. Februar 1997, C-80/95 , EuGHE I S. 745),

  • soweit Beteiligungen im Sinne eines gewerblichen Wertpapierhandels gewerbsmäßig erworben und veräußert werden und dadurch eine nachhaltige, auf Einnahmeerzielungsabsicht gerichtete Tätigkeit entfaltet wird ( EuGH-Urteil vom 29. April 2004, a.a.O.) oder
  • wenn die Beteiligung nicht um ihrer selbst willen (bloßer Wille, Dividenden zu erhalten) gehalten wird, sondern der Förderung einer bestehenden oder beabsichtigten unternehmerischen Tätigkeit (z.B. Sicherung günstiger Einkaufskonditionen, Verschaffung von Einfluss bei potenziellen Konkurrenten, Sicherung günstiger Absatzkonditionen) dient (vgl. EuGH-Urteil vom 11. Juli 1996, C-306/94 , EuGHE I S. 3695), oder
  • soweit die Beteiligung, abgesehen von der Ausübung der Rechte als Gesellschafter oder Aktionär, zum Zweck des unmittelbaren Eingreifens in die Verwaltung der Gesellschaften, an denen die Beteiligung besteht, erfolgt (vgl. EuGH-Urteil vom 20. Juni 1991, C-60/90 , EuGHE I S. 3111). Die Eingriffe müssen dabei zwingend durch unternehmerische Leistungen im Sinne der § 1 Abs. 1 Nr. 1 und § 2 Abs. 1 UStG erfolgen, z.B. durch das entgeltliche Erbringen von administrativen, finanziellen, kaufmännischen und technischen Dienstleistungen an die jeweilige Beteiligungsgesellschaft (vgl. EuGH-Urteile vom 27. September 2001, a.a.O., und vom 12. Juli 2001, C-102/00, EuGHE I S. 5679).

Das Innehaben einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung stellt demnach, abgesehen von den Fällen des gewerblichen Wertpapierhandels, nur dann eine unternehmerische Tätigkeit dar, wenn die gesellschaftsrechtliche Beteiligung im Zusammenhang mit einem unternehmerischen Grundgeschäft erworben, gehalten und veräußert wird, es sich hierbei also um Hilfsgeschäfte handelt (vgl. Abschnitt 20 Abs. 2 UStR). Dabei reicht nicht jeder beliebige Zusammenhang zwischen dem Erwerb und Halten der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung und der unternehmerischen Haupttätigkeit aus. Vielmehr muss zwischen der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung und der unternehmerischen Haupttätigkeit ein erkennbarer und objektiver wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen (vgl. Abschnitt 192 Abs. 17 UStR). Das ist der Fall, wenn die Aufwendungen für die gesellschaftsrechtliche Beteiligung zu den Kostenelementen der Umsätze aus der Haupttätigkeit gehören (vgl. EuGH-Urteil vom 26. Mai 2005, C-465/03. EuGHE I S. 4357, und BFH-Urteil vom 10. April 1997, V R 26/96, BStBl 1997 II S. 552). Nur unter diesen Voraussetzungen ist deshalb, das Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen als unternehmerische Tätigkeit anzusehen.

2. Zuordnung von Beteiligungen zum Unternehmen

Wird der Anteilseigner beim Erwerb der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung nach den o.g. Grundsätzen als Unternehmer tätig, muss er die Beteiligung seinem Unternehmen zuordnen (vgl. Abschnitt 192 Abs. 21 Nr. 1 UStR).

Vorsteuern, die im Zusammenhang mit den im unternehmerischen Bereich gehaltenen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen anfallen, sind unter den allgemeinen Voraussetzungen des § 15 UStG abziehbar. Dabei ist darauf abzustellen, in welche Ausgangsumsätze die dem Erwerben und Halten von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen zugrunde liegenden Aufwendungen als Kostenelemente eingehen. In den Fällen, in denen keine direkte wirtschaftliche Zuordnung möglich ist, ist die Aufteilung des Vorsteuerabzugs nach der Gesamtschau des Unternehmens vorzunehmen.

Hält der Unternehmer (z.B. eine gemischte Holding) gesellschaftsrechtliche Beteiligungen sowohl im unternehmerischen als auch im nichtunternehmerischen Bereich, sind Eingangsleistungen, die für beide Bereiche bezogen werden (z.B. allgemeine Verwaltungskosten der Holding, allgemeine Beratungskosten, Steuerberatungskosten, usw.), für Zwecke des Vorsteuerabzugs aufzuteilen (Abschnitt 192 Abs. 21 UStR).

Ein Vorsteuerabzug aus Aufwendungen, die im Zusammenhang mit den im nichtunternehmerischen Bereich gehaltenen gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen anfallen, kommt nicht in Betracht.

3. Veräußerung von Beteiligungen aus dem unternehmerischen Bereich

Die Veräußerung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung, die im unternehmerischen Bereich gehalten wird, erfolgt im Rahmen des Unternehmens. Die Veräußerung einer gesellschaftsrechtlichen Beteiligung ist grundsätzlich steuerfrei nach § 4 Nr. 8 Buchst. e oder f UStG. Ein Vorsteuerabzug aus Aufwendungen, die mit der Veräußerung in unmittelbarem Zusammenhang stehen, ist nach § 15 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 UStG ausgeschlossen.

4. Sonderfälle

4.1 Finanzinvestoren

Finanzinvestoren, die (sanierungsreife) Gesellschaften erwerben, um sie nach erfolgter Sanierung gewinnbringend zu veräußern, sind insoweit Unternehmer. Der Erwerb und das Halten der gesellschaftsrechtlichen Beteiligung sind unabdingbare Voraussetzungen für die Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit. Die gesellschaftsrechtliche Beteiligung wird daher im unternehmerischen Bereich des Finanzinvestors gehalten.

4.2 Organschaft

Die Annahme eines Organschaftsverhältnisses zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Anteilseigner setzt gemäß § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG voraus, dass die Kapitalgesellschaft finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Anteilseigners eingegliedert ist. Dabei reicht es für eine wirtschaftliche Eingliederung aus, wenn zwischen dem Organträger und der Organgesellschaft aufgrund gegenseitiger Förderung und Ergänzung mehr als nur unerhebliche wirtschaftliche Beziehungen bestehen (Abschnitt 21 Abs. 5 Satz 2 UStR). Eine Organschaft umfasst nur den unternehmerischen Bereich einer Kapitalgesellschaft.

An der Voraussetzung einer wirtschaftlichen Eingliederung der Kapitalgesellschaft fehlt es regelmäßig, wenn die gesellschaftsrechtliche Beteiligung nach den Grundsätzen dieses Schreibens nicht im unternehmerischen Bereich des Anteilseigners gehalten wird.

Ein Organschaftsverhältnis kann zwischen einer Kapitalgesellschaft und ihrem Anteilseigner nur dann angenommen werden, wenn der Anteilseigner die gesellschaftsrechtliche Beteiligung in seinem unternehmerischen Bereich hält und auch die finanzielle und die organisatorische Eingliederung in das Unternehmen des Organträgers gegeben sind. Dabei ist es für die finanzielle Eingliederung einer Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers ausreichend, wenn die finanzielle Eingliederung mittelbar über eine nichtunternehmerisch tätige Tochtergesellschaft des Organträgers oder einer Organgesellschaft erfolgt. Die nichtunternehmerisch tätige Tochtergesellschaft wird dadurch jedoch nicht Bestandteil des Organkreises.

In den Fällen der mittelbaren Beteiligung nach Abschnitt 21 Abs. 4 Satz 5 UStR steht es einer Organschaft zwischen der Personengesellschaft als Organträger und der Kapitalgesellschaft als Organgesellschaft nicht entgegen, wenn die Gesellschafter der Personengesellschaft auch an der Kapitalgesellschaft beteiligt sind und sie ihre Beteiligungen an der Personengesellschaft und der Kapitalgesellschaft jeweils im nichtunternehmerischen Bereich halten.

5. Anwendung

Die Grundsätze dieses Schreibens sind in allen noch offenen Fällen anzuwenden. Dabei wird es bis einschließlich 30. Juni 2007 nicht beanstandet, wenn eine nichtunternehmerisch tätige Tochtergesellschaft, die mittelbar die finanzielle Eingliederung einer Organgesellschaft in das Unternehmen des Organträgers oder einer Organgesellschaft vermittelt und entgegen den Grundsätzen unter 4.2 bisher als Organgesellschaft angesehen wurde, als zum Organkreis gehörend betrachtet wird.

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