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Thema März 2009: Erbschaftsteuer aktuell

Einige neue Entscheidungen zur Erbschafsteuer sowie ein Ländererlass beschäftigen uns diesen Monat. Dabei geht es um Probleme der Doppelbesteuerung, die Frage der Qualifikation als steuerlich begünstigtes Betriebsvermögen, die Wahlalternative zwischen altem und neuem Recht, der Steuerbefreiung des Familienwohnheims sowie der Kürzung des Freibetrags bei beschränkt Steuerpflichtigen.

Selbstverständlich geben wir auch wieder Hinweise für Steuerberater und Rechtsanwälte zur optimalen Beratung ihrer Mandanten.

1. Doppelbesteuerung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer

Es stellt keinen Verstoß gegen das Grundgesetz dar, wenn es zu einer doppelten steuerlichen Erfassung des Vermögenszuwachses durch Erbschaftsteuer und Einkommensteuer kommt. Im Urteilsfall des FG Niedersachsen hatte der Sohn den Betrieb seines Vaters geerbt. Es wurde Erbschaftsteuer von rund 6.400 EUR erhoben. Da der Erbe sich für die Aufgabe des Gewerbebetriebs entschied und die im Betriebsvermögen vorhandenen Wirtschaftsgüter in sein Privatvermögen überführte, erzielte er im gleichen Jahr einen Aufgabegewinn nach § 16 EStG. Nach Auffassung des FG muss in diesem Fall nicht anstelle der Buchwerte der entsprechende Anteil des erbschaftsteuerlichen Bedarfswertes bei der Ermittlung des Aufgabegewinns berücksichtigt werden.

Die vorhandene Doppelbelastung des unentgeltlich erworbenen Gewerbebetriebes rechtfertigt keine Abweichung von der bestehenden Gesetzeslage. Erbschaft- und Einkommensteuer können wegen ihrer unterschiedlichen Besteuerungsgegenstände grundsätzlich kumulativ nebeneinander erhoben werden. Beide Steuerarten verfolgen unterschiedliche Zielsetzungen und knüpfen demzufolge an unterschiedliche Tatbestandsmerkmale an.

Steuerberaterhinweis:

Bei Erbfällen ab 2009 verringert der neue § 35b EStG eine Doppelbelastung mit Erbschaft- und Einkommensteuer, wenn beim Erben auf Einkünfte innerhalb der folgenden fünf Veranlagungszeiträume Einkommensteuer anfällt, die zuvor als Vermögen bereits der Erbschaftsteuer unterlagen. Hierbei wird auf Antrag die tarifliche Einkommensteuer nach dem Verhältnis der Erbschaftsteuer zum unentgeltlichen Erwerb ermäßigt.

Fundstellen: FG Niedersachsen 29.5.08, 11 K 69/06; BFH 16.8.06, II B 144/05, BFH/NV 06, 2261

2. Doppelbelastung bei ausländischer Erbschaftsteuer

Nach einem aktuellen Urteil des EuGH stellt es keinen Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit dar, dass die Anrechnung ausländischer Erbschaftsteuer ausgeschlossen ist, sofern die Steuer auf Kapitalvermögen erhoben wurde. Hintergrund dieser Doppelbelastung ist die Regelung des § 21 Abs. 1 ErbStG, wonach nur die ausländische Steuer anrechenbar ist, die auf das in § 121 BewG definierte Auslandsvermögen entfällt. Das sind in erster Linie Immobilien sowie betrieblicher und landwirtschaftlicher Besitz, aber kein Kapitalvermögen. Der EuGH sieht hierin keinen Verstoß, weil zwei unterschiedliche nationale Steuersysteme in Konflikt geraten sind.

Spanien versteuerte im Urteilsfall das Guthaben beim dortigen Kreditinstitut und Deutschland den Erwerber aufgrund seines Wohnsitzes. Beim gegenwärtigen Entwicklungsstand sind die Länder nicht verpflichtet, ihr eigenes Steuersystem dem der anderen Mitgliedstaaten anzupassen. Bankguthaben lassen sich sowohl dem einen als auch dem anderen Staat zuordnen. Spanien und auch Großbritannien erfassen dies im Erbfall auch bei Ausländern. Das führt bei deutschen Bankkunden dazu, dass es zu einer Doppelbelastung mit Erbschaftsteuer kommt. Die fehlende Anrechnung wurde auch nicht durch das Erbschaftsteuerreformgesetz beseitigt, da weder § 21 ErbStG noch § 121 BewG geändert wurden.

Steuerberaterhinweis:

In der Praxis liegen öfters Gelder auf spanischen Konten, wenn sich dort z.B. der Zweit- oder Altersruhesitz befindet. Mandanten sollten auf diese eher unbekannte Besonderheit aufmerksam gemacht werden. Nicht betroffen sind betriebliche Konten oder Grundbesitz. Hier kommt es zu einer Steueranrechnung und das Vermögen aus der EU genießt die gleichen Privilegien wie heimisches.

Fundstellen:

EuGH 12.2.09, C-67/08; EuGH 11.12.03, C-364/01, HFR 04, 275; EuGH 27.1.09, C-318/07; EuGH 11.9.08, C-11/07

3. Kein begünstigtes Betriebsvermögen bei fehlender Mitunternehmerinitiative

Schenken Eltern ihren Kindern Anteile an ihrer gewerblichen Personengesellschaft und behalten sie sich dabei den lebenslänglichen Nießbrauch vor, können die Kinder keine Mitunternehmerinitiative entfalten. Daher kommt die Begünstigung des § 13a ErbStG nicht in Betracht, wenn die Eltern als Nießbraucher die Gesellschafterrechte der Kinder wahrnehmen und die Kinder den Eltern vorsorglich Stimmrechtsvollmacht erteilen.

Nach Auffassung des BFH fehlt es in einem solchen nicht unüblichen Familienfall daran, dass der Betrieb mangels Mitunternehmerstellung nicht vom Erwerber fortgeführt wird. Im Urteilsfall sind die übertragenen Gesellschaftsanteile als wirtschaftliches Eigentum nach § 39 Abs. 2 AO den Eltern als Nießbraucher zuzurechnen. Es kommt nicht darauf an, ob die Kinder ein Mitunternehmerrisiko tragen. Mangels unternehmerischer Entscheidung besitzen sie keine Mitunternehmerinitiative. Hierzu gehören mindestens Stimm-, Kontroll- und Widerspruchsrechte, die dem Kommanditisten laut HGB zustehen.

Im Umkehrschluss folgt daraus, dass der Nießbrauchsvorbehalt der Anwendung des § 13a ErbStG beim verschenkten Mitunternehmeranteil grundsätzlich nicht entgegensteht, wenn der Erwerber seine Stimmrechte ausübt.

Steuerberaterhinweis:

Dieses Urteil hat Auswirkungen sowohl auf das alte als auch auf das neue Erbschaftsteuerrecht. Bei Zuwendungen ab 2009 kann die Begünstigung des § 13a ErbStG sogar noch höher ausfallen, indem das übertragene Betriebsvermögen unabhängig vom Wert zu 85 % oder vollständig steuerfrei bleiben kann.

Fundstellen: BFH 10.12.08, II R 34/07, DStR 09, 321, BFH 16.1.08, II R 10/06, BStBl II 08, 631

4. Wahlmöglichkeit zwischem altem und neuem Rechtsstand

Bei Erbfällen in 2007 und 2008 kann der Erwerber auf Antrag das neue Recht wählen, das dann mit Ausnahme der persönlichen Freibeträge nach § 16 ErbStG Anwendung findet. Für die Besteuerung bleiben aber die tatsächlichen Verhältnisse vom Stichtag der Steuerentstehung maßgebend.

Ein koordinierter Ländererlass weist darauf hin, dass dann alle durch die Erbschaftsteuerreform geänderten oder neu eingeführten sachlichen Steuerbefreiungen für Betriebsvermögen und Wohnimmobilien, die angepassten Bewertungsregelungen für alle Vermögensarten, der Wegfall des § 25 ErbStG sowie die erweiterte Stundung nach § 28 ErbStG gelten.

Der Antrag kann bei einer Steuerfestsetzung ab 2009 bis zur formellen Bestandskraft gestellt werden, längstens bis zum 30.6.2009. Um diese Frist einzuhalten, kann ein Antrag schon vor Abgabe der Erklärung lohnend sein. Bei einer vor 2009 festgesetzten Steuer kann der Antrag ebenfalls bis Ende Juni 2009 gestellt werden. Über das Bürgerentlastungsgesetz ist vorgesehen, die Frist in beiden Fällen auf den 31.12.2009 zu verlängern.

Das Wahlrecht auf Rückwirkung steht jedem Erwerber von Todes wegen zu. Ein einheitlicher Antrag für alle am Erwerb Beteiligten ist nicht erforderlich. Das Wahlrecht bezieht sich auch auf den Kapitalwert von Nutzungen und Leistungen nach § 14 BewG. Aufgrund der aktualisierten Sterbetabelle kommt es zu höheren Werten sowohl beim Anspruch als auch bei der Belastung. Eine Änderung der gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Aufgrund des Antrags des Erwerbers ist aber das ab dem 1.1.2009 geltende Bewertungsrecht zwingend anzuwenden.

Fundstelle: Gleich lautende Ländererlasse 23.2.09, S 3715, DStR 09, 485

5. Steuerbefreiung bei gemischt genutzten Familienwohnheim

Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4a ErbStG bleiben Zuwendungen unter Lebenden steuerfrei, bei denen ein Ehegatte ein gemeinsam genutztes Eigenheim an den anderen Ehegatten überträgt. Durch die Erbschaftsteuerreform wurde diese Steuerbefreiung ab 2009 um Zuwendungen an den eingetragenen Lebenspartner und um Objekte innerhalb des EU- und EWR-Raums erweitert. Darüber hinaus sind auch Miet- und Geschäftsimmobilien sowie gemischt genutzte Grundstücke begünstigt, soweit darin Räume zu eigenen Wohnzwecken genutzt werden. Insoweit kommt es unabhängig vom Wert des Grundbesitzes zu einer anteiligen Steuerbefreiung. Diese neue Regelung hat der BFH in einem aktuellen Urteil auch für das bis 2008 geltende Recht bekräftigt. Der Wohnbereich wird danach auch auf das Arbeitszimmer erweitert, selbst wenn das heimische Büro an den Arbeitgeber vermietet ist.

Nach der bisherigen Verwaltungsauffassung in R 43 Abs. 1 ErbStR entfiel die Steuerbefreiung bei nicht ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzten Immobilien vollständig. Die Vorinstanz wollte die Befreiung für das gesamte Haus gewähren. Der BFH wählte den Mittelweg, der dem Rechtsstand 2009 entspricht. Ehegatten und eingetragene Lebenspartner können die Steuerbefreiung anteilig für die von der Familie genutzten Wohnungen inklusive Arbeitszimmer beanspruchen. Anders sieht es für fremd vermietete oder einem Verwandten überlassene Wohnungen aus, sofern hier kein gemeinsamer Hausstand mit den Ehegatten besteht.

Steuerberaterhinweis:

Die Begünstigungsvorschrift für Schenkungen sieht im Gegensatz zu den ab 2009 neu eingeführten § 13 Abs. 1 Nr. 4b und 4c ErbStG für Erbfälle keine Sanktionen für die Zeit nach dem Besitzerwechsel vor. So kann der beschenkte Partner das Haus anschließend sofort verkaufen oder zu anderen Zwecken nutzen.

Fundstellen: BFH 26.2.09, II R 69/06; 8.3.06, IX R 76/01, BFH/NV 06, 1810

6. Geringer Freibetrag für beschränkt Steuerpflichtige ist rechtmäßig

Haben weder Erblasser oder Zuwendender noch Erbe oder Beschenkter einen Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, sieht § 16 Abs. 2 ErbStG lediglich einen Freibetrag von 2.000 EUR (bis 2008: 1.100 EUR) vor. Für unbeschränkt Steuerpflichtige gelten nach § 16 Abs. 1 ErbStG abhängig vom Verwandtschaftsgrad wesentlich höhere Freibeträge.

Diese Ungleichbehandlung stellt nach einem aktuellen Urteil des FG Baden-Württemberg keinen Verstoß gegen das EU-Recht dar, weil eine Besserstellung dazu führen würde, dass Personen ihr Vermögen auf möglichst viele EU-Staaten verteilen und mehrfach von den jeweiligen Freibeträgen profitieren. Betroffen sind insbesondere Ehepaare oder Lebensgemeinschaften, die im Alter dauerhaft ins Ausland umziehen und weiterhin Immobilien oder Firmenbeteiligungen in Deutschland besitzen.

Unbeschränkt Steuerpflichtigen steht ein höherer Freibetrag zu, da sie mit dem gesamten Vermögen der Erbschaftsteuer unterliegen, während bei Ausländern nur das Inlandsvermögen besteuert wird. Diese Differenzierung könnte höchstens zu einer Diskriminierung von im Ausland wohnenden EU-Bürgern führen, wenn mindestens 90 % und damit nahezu das gesamte Vermögen der inländischen Steuer unterliegen würde.

Die Wohnung im Inland muss dem Steuerpflichtigen als ständige Bleibe dadurch dienen, dass er sie ständig oder doch mit einer gewissen Regelmäßigkeit und Gewohnheit benutzt. Dieser Wohnsitz muss zwar nicht dauernd oder für eine Mindestzeit genutzt werden und auch nicht den Mittelpunkt der Lebensinteressen bilden. Ein Wohnsitz im Inland wird aber auch nicht dadurch begründet, dass jemand sich bei dauerndem und langfristigem Aufenthalt im Ausland nur gelegentlich im Urlaub oder zu Besuchszwecken in seiner Wohnung aufhält. Im Urteilsfall hatten sich die Betroffenen jährlich etwa sechs bis acht Wochen in der Wohnung in Deutschland aufgehalten. Ein solcher kurzfristiger Aufenthalt genügt nicht, um einen Wohnsitz zu begründen oder beizubehalten.

Steuerberaterhinweise:

Sofern der persönliche Freibetrag und bei Ehegatten sowie dem eingetragenen Lebenspartner der Versorgungsfreibetrag durch einen Zweitwohnsitz in Deutschland „gerettet“ werden soll, fließt allerdings das gesamte in- und ausländische Vermögen in die Bemessungsgrundlage ein. Macht das Inlandsvermögen einen Großteil des Gesamtnachlasses aus, ist es lohnend, die Freibeträge im Rahmen der unbeschränkten Steuerpflicht in Anspruch zu nehmen. Nach dem EuGH-Urteil zum Fall Barbier sind die Grundsätze der Kapitalverkehrsfreiheit auch auf die Erbschaftsteuer anwendbar.

Betroffene sollten ihren Fall offenhalten, da es zum Streitfall ein anhängiges Verfahren beim EuGH gibt. Das FG Düsseldorf hat diese Frage dem EuGH vorgelegt, weil es den Verstoß gegen die Kapitalverkehrsfreiheit nicht für gerechtfertigt hält. Es sei kein zwingender Grund des Allgemeininteresses für die Differenzierung erkennbar.

Fundstellen: Beschränkte Steuerpflicht: FG Baden-Württemberg 29.10.08, 2 K 1986/07; 6.6.06, 9 V 14/06 FG Düsseldorf 14.11.08, 4 K 2226/08 Erb, beim EuGH unter C-510/08 FG München 5.11.03, 4 K 4790/01, EFG 04, 410 BFH 21.9.05, II R 56/03, BStBl II 05, 875; 12.1.01, VI R 64/98, BFH/NV 01, 1231 Wohnsitz: BFH 19.3.97, I R 69/96, BStBl II 97, 447, 28.1.04, I R 56/02, BFH/NV 04, 917 und 24.1.01, I R 100/99, BFH/NV 01, 1402 EuGH 11.12.03, C-364/01, HFR 04, 275 Kapitalverkehrsfreiheit: EuGH 17.1.08, C-256/06; 11.9.08, C-11/07; C-43/07

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