Luisenstraße 32
53129 Bonn
Tel.: (0228) 91 17 30

Thema Februar 2009: Weitere Hinweise zu den Neuregelungen der Erbschaftsteuerreform

Das ab dem 1.1.2009 geltende Erbschaftsteuer- und Bewertungsrecht beinhaltet eine Reihe von Neuregelungen. Während sich die Diskussionen vorwiegend auf die geänderten Freibeträge, Steuersätze, Bewertungsregeln und Vergünstigungen für Betriebsvermögen fokussiert haben, blieben andere praxisrelevante Änderungen bislang vielfach in der Fachliteratur der Steuerberater/Rechtsanwälte unbeachtet. Im Zusammenhang mit der bevorstehenden Veröffentlichung des Buches "Erbrecht für Steuerberater" weist Rechtsanwalt/Steuerberater/Fachanwalt für Steuerecht Stefan Arndt auf einige Besonderheiten und Berechnungsbeispiele hin.

Noch nicht fällige Versicherungsansprüche sind nicht mehr mit zwei Drittel der eingezahlten Prämien, sondern ausschließlich mit dem Rückkaufswert zu bewerten.

Beim Mehrfacherwerb innerhalb von zehn Jahren kommt es nach § 14 Abs. 1 ErbStG zu einer neuen Mindestbesteuerung. Die verhindert eine vollständige Anrechnung der Steuer für frühere Erwerbe, wenn die Steuer auf den Vorerwerb höher ist als die fiktiv dafür zu ermittelnde Steuer zur Zeit des letzten Erwerbs. Die Steuer, die sich nach den geltenden Vorschriften für den Letzterwerb ohne Zusammenrechnung ergibt, bildet die Untergrenze der für diesen Erwerb festzusetzenden Steuer. Betroffen sind hiervon Personen, die z.B. zwischen zwei Vermögensübertragungen in eine günstigere Steuerklasse wechseln.

Der Zugewinnausgleich bleibt im Erbfall auch beim eingetragenen Lebenspartner steuerfrei.

Private Steuererstattungsansprüche werden auch dann berücksichtigt, wenn das Finanzamt die Bescheide erst nach dem Todesfall erlässt.

Das bisherige Abzugsverbot des § 25 ErbStG für mindernde Belastungen durch Nießbrauch, Rentenverpflichtung oder sonstige wiederkehrende Leistungen zugunsten des Zuwendenden entfällt. 

Die bisherige Sterbetafel 1986/88 wird durch eine neue Sterbetafel des Statistischen Bundesamts 2004/2006 ersetzt. Danach wird allgemein von einer längeren Lebenserwartung ausgegangen.

Nach § 19a ErbStG kommt für betriebliches Vermögen weiterhin die Tarifbegrenzung für Erwerber der Steuerklassen II und III in Betracht. Der Entlastungsbetrag ist dabei nicht mehr auf 88 % beschränkt, sondern wird wieder in voller Höhe gewährt.

Generell kann der niedrigere Verkehrswert von Immobilien nachgewiesen werden. Hierbei müssen nun die Vorschriften des Baugesetzbuchs sowie der Wertermittlungsverordnung angewendet werden.

§ 181 Abs. 9 BewG enthält erstmals eine gesetzliche Definition einer Wohnung. Sie muss die Führung eines selbstständigen Haushalts ermöglichen und die Wohnfläche muss mindestens 23 qm betragen.

Steuerberaterhinweis:

Für Todesfälle zwischen dem 1.1.2007 und dem 31.12.2008 gibt es ein Wahlrecht zwischen neuem und altem Recht. Der Antrag kann bis zur Bestandskraft des Erbschaftsteuerbescheids gestellt werden. Sofern dieser bereits 2007 oder 2008 ausgestellt worden ist, kann die Wahl noch bis Ende Juni 2009 nachgeholt werden. Interessant kann die Option bei geerbten Betrieben oder Wohneigentum sein, wenn die Steuerfreistellung genutzt werden soll. Die Ausübung des Wahlrechtes lohnt auch oftmals bei Kapitalvermögen. Geerbte Wertpapiere und Sparguthaben wurden auch 2008 mit dem Kurswert oder Guthabenstand am Todestag bewertet. Da die Tarifstufen für die Steuersätze nach oben angepasst wurden, kann es dazu kommen, dass Erwerber der Steuerklasse I bei Ansatz des neuen Rechts unter eine günstigere Progressionsstufe fallen.

 

Altes oder neues Erbschaftsteuerrecht? Belastungsvergleich beim Kapitalvermögen

Am 5.12.08 hat der Bundesrat das Gesetz zur Reform des Erbschaftsteuer- und Bewertungsrechts (Erbschaftsteuerreformgesetz, kurz ErbStRG) verabschiedet. Das neue Recht tritt grundsätzlich zum 1.1.2009 in Kraft. Das ErbStRG sieht jedoch vor, dass ein Erwerber bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung einen Antrag stellen kann, dass die geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und des BewG auf Erwerbe vonTodes wegen anzuwenden sind, für die die Steuer nach dem 31.12.06 und vor demTag des Inkrafttretens des ErbStRG entstanden ist. Sofern die Steuer bei einem Erwerb vonTodes wegen nach dem 31.12.06 und vor dem Tag des Inkrafttretens des ErbStRG - bereits vor demTag des Inkrafttretens bestandskräftig festgesetzt worden ist, kann der Antrag auf Anwendung des neuen Rechts innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes (demnach bis zum 30.6.09) gestellt werden.

Festzuhalten ist, dass die Option allerdings nicht für die persönlichen Freibeträge gilt, die stets nach altem Recht anzusetzen sind.

Da durch das Erbschaftsteuerreformgesetz in der Regel höhere Werte ermittelt werden, kommt das Wahlrecht wohl nur in Betracht, wenn die neuen Verschonungsregeln in Anspruch genommen werden sollen. Die Ausübung des Wahlrechts kann sich jedoch auch dann lohnen, wenn die nach oben hin angepassten Tarifstufen bei Erwerben der Steuerklasse l ausgenutzt werden. Das betrifft insbesondere Kapitalvermögen, das schon nach altem Recht mit dem gemeinen Wert angesetzt wurde.

Beispiel 1:

Ein Kind erbt 2008 ein Wertpapierdepot zum Kurswert von 800.000 EUR. Bei Anwendung des neuen Rechts mindert sich die Steuer um 23.800 EUR, da dieTarifstufe von 512.000 auf 600.000 EUR deutlich nach oben angepasst worden ist.

Rechtsstand

alt

neu

Wertpapiere

800.000 EUR

800.000 EUR

abzgl. Freibetrag (alt)

-205.000 EUR

-205.000 EUR

steuerpflichtiger Erwerb

595.000 EUR

595.000 EUR

Tarifstufe

4. Tarifstufe

3. Tarifstufe

Steuersatz Steuerklasse I

19%

15%

Erbschaftsteuer

113.050 EUR

89.250 EUR

Beispiel 2:

Die überlebende Ehefrau erbt 2007 Kapitalvermögen mit einer Bemessungsgrundlage von 5,6 Mio. EUR. Bei Anwendung des neuen Rechts mindert sich die Steuer um 211.720 EUR, da die Tarifstufe von 5,1 auf 6 Mio. EUR nach oben angepasst worden ist.

Rechtsstand

alt

neu

Kapitalvermögen

5.600.000 EUR

5.600.000 EUR

abzgl. Freibetrag (alt)

-307.000 EUR

-307.000 EUR

steuerpflichtiger Erwerb

5.293.000 EUR

5.293.000 EUR

Tarifstufe

5. Tarifstufe

4. Tarifstufe

Steuersatz Steuerklasse I

23%

19%

Erbschaftsteuer

1.217.390 EUR

1.005.670 EUR

In den Steuerklassen II und III lohnt sich die Option nicht, da der Anhebung der Tarifstufen eine Anpassung der Steuersätze nach oben entgegenwirkt.

Beispiel 3:

Eine Nichte erbt 2008 ein Sparguthaben mit 80.000 EUR. Bei Anwendung des neuen Rechts erhöht sich die Steuer um 9.061 EUR, da der Steuersatz in den Steuerklassen II und III bei 30 % beginnt.

Rechtsstand

alt

neu

Wertpapiere

80.000 EUR

80.000 EUR

abzgl. Freibetrag

-10.300 EUR

-10.300 EUR

steuerpflichtiger Erwerb

69.700 EUR

69.700 EUR

Tarifstufe

2. Tarifstufe

1. Tarifstufe

Steuersatz Steuerklasse II

17%

30%

Erbschaftsteuer

11.849 EUR

20.910 EUR

Die obersten Finanzbehörden der Länder haben ferner am 23.02.2009 einen gleichlautenden Ländererlass in Umlauf gebracht, der das Optionsrecht zwischen alter und neuer Gesetzeslage wie folgt konkretisiert:

(1) Nach Artikel 3 des Erbschaftsteuerreformgesetzes (ErbStRG) vom 24.12.2008 (BGBl. 2008 I S. 3018, BStBl 2009 I S. 67) kann ein Erwerber im Fall eines Erwerbs von Todes wegen, für den die Steuer gemäß § 9 ErbStG nach dem 31. Dezember 2006 und vor dem 1. Januar 2009 entstanden ist, beantragen, dass alle durch das ErbStRG geänderten Vorschriften des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes und des Bewertungsgesetzes angewendet werden. Die Höhe des persönlichen Freibetrags richtet sich jedoch in diesem Fall nach § 16 ErbStG in der bis zum 31. Dezember 2008 anzuwendenden Fassung. Für die Besteuerung bleiben im Übrigen die tatsächlichen Verhältnisse vom Stichtag der Steuerentstehung maßgebend.

(2) Alle durch das ErbStRG geänderten oder neu eingeführten sachlichen Steuerbefreiungen, insbesondere nach §§ 13 bis 13c ErbStG, der Wegfall des § 25 ErbStG und die erweiterte Stundung nach § 28 ErbStG sowie die durch das ErbStRG geänderten oder neu eingeführten Bewertungsregelungen, insbesondere für Grundbesitz, Betriebsvermögen und für nicht notierte Anteile an Kapitalgesellschaften, sind zu berücksichtigen.

(3) Bei einer Steuerfestsetzung nach dem 31. Dezember 2008 kann der Antrag bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung, das heißt bis zur formellen Bestandskraft, längstens bis zum 30. Juni 2009 (vgl. Absatz 7) gestellt werden (Artikel 3 Abs. 1 ErbStRG). Der Erwerber kann den Antrag schon vor Abgabe der Erklärung oder mit Abgabe der Erklärung stellen.

(4) Ist die Steuer vor dem 1. Januar 2009 bereits festgesetzt worden, kann ein Antrag innerhalb von sechs Monaten nach Inkrafttreten des Gesetzes, das heißt längstens bis zum 30. Juni 2009, gestellt werden (Artikel 3 Abs. 2 ErbStRG). In diesem Fall kann die Steuerfestsetzung entsprechend geändert werden.

(5) Wird in Fällen des Erwerbs von Todes wegen ein Antrag auf rückwirkende Anwendung des am 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Rechts gestellt, sind auch § 14 BewG und § 203 Abs. 2 BewG mit dem ab dem 1. Januar 2009 geltenden Inhalt anzuwenden. Der Kapitalwert von Nutzungen und Leistungen nach § 14 BewG ist bei einem Erwerb von Todes wegen, für den die Steuer nach § 9 ErbStG nach dem 31. Dezember 2006 und vor dem 1. Januar 2008 entstanden ist mit den Vervielfältigern zu berechnen, die nach der ab dem 1. Januar 2007 geltenden Sterbetafel 2003/2005 ermittelt wurden, und bei einem Erwerb von Todes wegen, für den die Steuer nach § 9 ErbStG nach dem 31. Dezember 2007 und vor dem 1. Januar 2009 entstanden ist mit den Vervielfältigern zu berechnen, die nach der ab dem 1. Januar 2008 geltenden Sterbetafel 2004/2006 ermittelt wurden; Grundlage bildet dabei das Lebensalter des Berechtigten im Besteuerungszeitpunkt. Beim vereinfachten Ertragswertverfahren nach §§ 199 bis 203 BewG ist bei einem Erwerb von Todes wegen, für den die Steuer nach § 9 ErbStG nach dem 31. Dezember 2006 und vor dem 1. Januar 2008 entstanden ist, der Basiszins vom 2. Januar 2007 und bei einem Erwerb von Todes wegen, für den die Steuer nach § 9 ErbStG nach dem 31. Dezember 2007 und vor dem 1. Januar 2009 entstanden ist, der Basiszins vom 2. Januar 2008 zu Grunde zu legen.

(6) Das Wahlrecht auf Rückwirkung steht jedem Erwerber von Todes wegen kraft eigener Rechtstellung zu. Ein einheitlicher Antrag für alle an einem Erwerb Beteiligten ist nicht erforderlich. Die steuerliche Korrespondenz zwischen dem Ansatz beim Berechtigten (z.B. Vermächtnisnehmer) und dem Abzug beim Verpflichteten (z.B. Erbe) kann insoweit durchbrochen werden.

(7) Der gesamte Artikel 3 tritt nach Artikel 6 Abs. 3 ErbStRG zum 1. Juli 2009 außer Kraft. Damit erlischt auch das Antragsrecht auf rückwirkende Anwendung des ErbStRG. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber das Antragsrecht nur in engen zeitlichen Grenzen eingeräumt hat. Die Vorschrift ist aber weiter anzuwenden, wenn ein Antrag vor dem 1. Juli 2009 gestellt wurde.

(8) Der Erwerber kann den Antrag bis zur Unanfechtbarkeit der Steuerfestsetzung widerrufen. Das gilt nach Artikel 3 Abs. 3 ErbStRG jedoch nicht, wenn die Steuerfestsetzung nachträglich deshalb geändert wird, weil er gegen die Verschonungsvoraussetzungen nach §§ 13a, 19a ErbStG in der Fassung des Artikels 1 des ErbStRG verstoßen hat.

(9) Artikel 3 Abs. 2 ErbStRG sieht nur die Möglichkeit vor, dass eine Festsetzung der Erbschaftsteuer auf Antrag des Erwerbers geändert werden kann. Eine Änderung der gesondert festgestellten Besteuerungsgrundlagen (z.B. Grundbesitzwert, Wert des Betriebsvermögens) ist im Gesetz nicht ausdrücklich vorgesehen. Auf Grund des Antrags des Erwerbers ist aber das ab dem 1. Januar 2009 geltende Bewertungsrecht zwingend anzuwenden. Bei Antragstellung durch einen Erwerber oder mehrere Erwerber ist der Feststellungsbescheid über die nach dem bis 31. Dezember 2008 geltenden Bewertungsrecht festgestellten Besteuerungsgrundlagen nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO zu ändern, wenn diese nicht mit den nach dem ab 1. Januar 2009 geltenden Bewertungsrecht festzustellenden Besteuerungsgrundlagen übereinstimmen. Auf den Antrag des Erwerbers oder die Anträge der Erwerber nach Artikel 3 ErbStRG ist ausdrücklich hinzuweisen. Haben nicht alle Erwerber einen Antrag nach Art. 3 ErbStRG gestellt, bleibt diesen gegenüber der auf der Grundlage des bis zum 31. Dezember 2008 geltenden Bewertungsrechts ergangene Feststellungsbescheid bestehen. Bei einem nachfolgenden Widerruf des Antrags eines Erwerbers kann der Änderungsbescheid nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO aufgehoben werden, wodurch der ursprüngliche Feststellungsbescheid wieder in Kraft gesetzt wird (vgl. BFH-Urteil vom 9.12.2004, VII R 16/03, BStBl 2006 II S. 346 = SIS 05 08 88).

(10) In den Fällen des Art. 3 Abs. 1 ErbStRG gilt Absatz 9 entsprechend.  

 

 

© 2024 Kanzlei Arndt | infokanzlei-arndtcom