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September 2010: Steuerberaterhaftung Schadensersatz Regress

Die zunehmende rechtstreitige Bearbeitung im Rahmen der Haftung von Steuerberatern in unserer Kanzlei hat uns dazu bewogen, eine komprimierte Darstellung dieser Materie öffentlich zur Verfügung zu stellen. Dies soll zum einen dem Steuerberater - bzw. auch dem Rechtsanwalt, der im Steuerrecht tätig ist - als auch dem Mandanten einen Einblick in dieses sehr vielschichtige Rechtsgebiet vermitteln.

Auslöser der Vielzahl von Steuerberaterhaftungsfällen sind zwei Elemente:

Da ist zunächst die nach wie vor durch den Gesetzgeber nicht ausreichend korrigierte Komplexität des Steuerrechts. Dies führt nahezu unvermeidbar zu Wissenslücken in der Steuerberatung, wenn nicht ein hohes Maß an Spezialisierung und ausreichende Fortbildung betrieben wird. Immer noch gibt es keine Pflichtfortbildungen für den Berufsstand der Steuerberater.

Daneben bietet die in vielen Bereichen bestehende Überschneidung von Steuerrecht und Zivilrecht - man denke hierbei nur an die Vertragsgestaltung im Gesellschaftsrecht und im Erbrecht - ein wesentliches Haftungsrisiko. So kommt es zu Situationen, in denen dem Steuerberater die zivilrechtlichen oder dem Rechtsanwalt die steuerrechtlichen Kenntnisse für eine rechtssichere Gestaltungsberatung fehlen. Der Mandant vertraut seinem Berater und vermeidet aus Kostengründen verständlicherweise auch gerne die ergänzende Beratung durch den jeweils anderen Berufsstand. Die Bündelung der beiden Titel in einer Person ist darüber hinaus im Regelfall nicht gegeben, nur unter 2% der Rechtsanwälte sind gleichzeitig auch Steuerberater. Das Ausweichen auf einen Fachanwalt für Steuerrecht ist ein nur bedingt taugliches Mittel, da auch dieser bei weitem nicht die im Rahmen einer Steuerberaterprüfung notwendigen Kenntnisse vorweisen muss.

Grundlagen

Mit der Übernahme des Mandats beginnen die vertraglichen Beziehungen zwischen Steuerberater und Mandant. In der Regel liegt ein Geschäftsbesorgungsvertrag vor, der die Vertragstypen sowohl des Werkvertrags wie auch des Dienstvertrags beinhaltet. Von nun an obliegt es dem Steuerberater, seinen Mandanten umfassend und richtig zu beraten.

Aufklärung des Sachverhalts

An erster Stelle steht die Sachverhaltsaufklärung, die vollständig betrieben werden muss, um die Rechtslage in jeder Hinsicht zu würdigen. Dabei soll der Steuerberater seinen Mandanten vor jedem Schaden bewahren. Der Schaden besteht üblicherweise in einer vermeidbar hohen Steuerlast, die bei anderer Gestaltung zu vermeiden gewesen wäre. Aber auch unnötige Verfahrenskosten fallen hierunter.

Zur Aufklärung des Sachverhalts hat der Steuerberater die entsprechenden Informationen zu beschaffen und den Mandanten dahingehend zu befragen. Das heißt hingegen nicht, dass der Berater in jede erdenkliche Eventualität zu ermitteln hat. Über den grundsätzlichen Sachverhalt hat der Mandant zu informieren. Daraus ergeben sich in der Folge die Ansatzpunkte für weitere Nachfragen.

Geht es um die fristgemäße Erstellung von Steuererklärungen hat der Berater die erforderlichen Unterlagen einzufordern. Diese Verpflichtung nimmt an Intensität ab, je mehr Erfahrung der Mandant in steuerlichen oder rechtlichen Dingen aufweist. Insbesondere müssen einem Unternehmer die Fristen zur Abgabe von Umsatzsteuer- und Lohnsteueranmeldungen bekannt sein, so dass der Steuerberater insoweit nicht haftet. Er hat jedoch darauf hin zu wirken, dass die für die Anfertigung dieser Steueranmeldungen notwendige Buchführung rechtzeitig fertiggestellt werden kann. Daher ist eine Plausibilitätsprüfung notwendig die eventuell das Einholen weiterer Informationen vom Mandanten notwendig macht.

Steuergestaltung/Steueroptimierung

Wesentlicher Inhalt der Steuerberatung sollte die laufende Überprüfung des steuerlichen Umfelds des Mandanten sein. Im Ergebnis obliegt es dem Steuerberater, dem Mandanten optimale Maßnahmen zur Reduzierung der Steuerlast aufzuzeigen. Hierzu zählen Hinweise - soweit angebracht - zu

  • Wechsel der Rechtsform unter Anwendung der steuerlichen Besonderheiten des Umwandlungsrechts und des Umwandlungssteuerrechts,
  • Begründung oder Beendigung einer ertragsteuerlichen oder umsatzsteuerlichen Organschaft,
  • Begründung oder Beendigung einer Betriebsaufspaltung,
  • Wechsel des Güterstands bei Ehegatten unter Ausnutzung des steuerfreien Zugewinnausgleichs,
  • Schenkung unter Lebenden zur Ausschöpfung erbschaftsteuerlicher Freibeträge,
  • Einbringung von Privatvermögen in Betriebsvermögen zur Generierung erhöhter AfA-Bemessungsgrundlagen und Ausnutzung der erbschaftsteuerlichen Vergünstigungen für Betriebsvermögen,
  • Ausnutzung bilanzieller Wahlrechte.

Die vorgenannten Gestaltungen müssen sich dem Steuerberater nicht unbedingt automatisch erschließen. Ist er jedoch mit der Prüfung entsprechender Optimierungsfragen beauftragt, sollte er die vorhandenen Möglichkeiten erkennen und auch rechtssicher umsetzen können.

Einspruch, Klage und Revision

Für alle vorgenannten Rechtsmittel gilt: Die Einlegung durch den Steuerberater muss form- und fristgerecht erfolgen. Hierzu obliegt es dem Steuerberater die Fristen zu überwachen. Dazu ist unabdingbar ein Fristenkontrollbuch (ggf. elektronisch) zu führen.

Ferner hat der Steuerberater die formalen Erfordernisse des jeweiligen Rechtsmittels zu beherrschen.

Lassen sich durch eine Klagehäufung Gerichtskosten sparen, muss der Berater dies erkennen. Parallel dazu wird in diesen Fälle auch die Gebühr für den Steuerberater geringer ausfallen.

Kenntnis des materiellen Rechts

Die bislang erwähnten Haftungsrisiken sind formaler Natur. Daneben verlangt die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), dass der Steuerberater jederzeit über die notwendigen Rechtskenntnisse verfügt bzw. sich diese umgehend für das zu beratende Mandat aneignet. Der häufig zu hörende Hinweis, es handele sich um ein Spezialgebiet des Steuerrechts, in dem man sich üblicherweise nicht so gut auskennen müsse, entschuldigt den Berater nicht. Der Steuerberater hat immer die Möglichkeit, das Mandat oder den Auftrag abzulehnen oder weitergehenden Rechtsrat eines anderen Beraters einzuholen.

Rechtsdienstleistungsgesetz

Am 1.7.2008 ist das Rechtsdienstleistungsgesetz in Kraft getreten. Danach ist es dem Steuerberater nun auch erlaubt, rechtliche Beratung in dem Umfang zu erbringen, wie sie als Nebenleistung zum Berufsbild gehört. Wie bereits erwähnt birgt diese weitergehende Beratungserlaubnis erhebliche Risiken in sich, wenn nicht fundierte juristische Kenntnisse insbesondere des Zivilrechts vorliegen. Im Umkehrschluss ist ferner von einer erweiterten Haftung des Steuerberaters auszugehen, wenn er die durch einen anderen Berufsträger im Rahmen einer steuerlichen Gestaltung entworfenen Unterlagen nicht auch in seine umfassende steuerliche Prüfung mit einbezieht.

Gesetzeslage und Rechtsprechung

Der Steuerberater darf prinzipiell auf den Bestand der Rechtslage sowie der höchstrichterlichen Rechtsprechung vertrauen. Gleiches gilt hinsichtlich der Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen. Dieses Vertrauen findet seine Grenze allerdings dort, wo die Änderung von Rechtslage oder Rechtsprechung unausweichlich scheinen. Dies ist etwa der Fall, wenn sich aus der allgemein zugänglichen Fachliteratur (immer: Deutsches Steuerrecht) eine breite Zustimmung zu einem anhängigen Revisionsverfahren in Bezug auf die Verfassungswidrigkeit einer Norm ergibt. Gleiches gilt, wenn ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) auf ähnlich gelagerte Sachverhalte ausstrahlt oder ein Vorlagebeschluss an das BVerfG vorliegt. In der Folge hat der Steuerberater die Verpflichtung, den Mandanten darauf vorzubereiten und die entsprechenden Schritte zu empfehlen, damit keine Schäden entstehen. In der Regel kann bei noch nicht abschließend geklärter Rechtslage ein Einspruch unter anschließender Ruhendstellung des Verfahrens die entsprechende Veranlagung offen halten.

Steuerrechtliche Sachverhalte, die bislang noch keinen Einzug in die höchstrichterliche Rechtsprechung gehalten haben, finden sich häufig schon in Urteilen der Finanzgerichte. Diese muss der Steuerberater ebenso recherchieren wie die einschlägige Kommentierung.

Während eines anhängigen Klageverfahrens ist der Steuerberater gehalten - trotz der beim Finanzgericht geltenden Pflicht zur Amtsermittlung - durch geeignete BFH-Urteile das Gericht von der für den Mandanten positiven Rechtslage zu überzeugen.

Verbindliche Auskunft

Gelangt der Steuerberater auch nach umfassender und abschließender Prüfung nicht zu einem rechtlich eindeutigen Ergebnis, kann es angezeigt sein, dem Mandanten das Einholen einer verbindlichen Auskunft beim Finanzamt anzuraten.

Verjährung

Bis zum 15.12.2004 galt im Rahmen der Steuerberaterhaftung die vorrangige Verjährungsvorschrift des § 68 StBerG. Nach wie vor sind Haftungsfälle, die auf schadensauslösenden Fehlern bis zu diesem Datum beruhen, nach altem Recht zu behandeln. Danach galt eine dreijährige Verjährung die sich vor dem Hintergrund der Aufklärungspflicht des Steuerberaters (Sekundärhaftung) über eigene Fehler auf bis zu sechs Jahre verlängern konnte.

Mit Wegfall der berufsrechtlichen Verjährungsregel werden nunmehr die Normen des BGB auf die Steuerberaterhaftung angewendet. Dies hat zur Folge, dass die Verjährung erst bis zu elf Jahre nach Schadenentstehung greift.

Maßnahmen zur Haftungsbegrenzung

Die vorgenannte Problematik der zunehmenden Haftungsrisiken bei Steuerberater führen zu der Frage, wie diesen eine Begrenzung der Haftung möglich ist. Das Berufsrecht sieht in der Norm des § 67a StBerG vor, dass durch schriftliche Vereinbarung im Einzelfall und nur für Fälle der Fahrlässigkeit der Berater Ansprüche gegen sich auf die Mindestdeckungssumme seiner Vermögenschadenhaftpflichversicherung vor. Es muss ich hierbei um eine Individualvereinbarung handeln, was die stillschweigende Verwendung vorformulierter Texte ausschließt. Vielmehr hat der Steuerberater seinen Mandanten über das Risiko der Bearbeitung unter Schätzung der möglichen Schäden aufzuklären. Dabei scheint aus Gründen der Beweissicherung eine Protokollierung des Gesprächs notwendig. Somit ergibt sich ein individuelles Papier zur Haftungsbegrenzung, welches von beiden Parteien unterschrieben werden sollte.

Geltendmachung des Schadens

Kommt es zu einem vermeintlich durch den Steuerberater verursachten Vermögensschaden beim Mandanten, so sollte dieser zunächst den Berater darauf hinweisen und ggfls. insoweit Schadensersatz verlangen. Der Steuerberater wird dann den Sachverhalt seiner Versicherung melden. Ist diese nach Prüfung der Ansprüche des Mandanten nicht zu einem Ausgleich bereit, empfiehlt sich spätestens zu diesem Zeitpunkt die Einschaltung eines spezialisierten Rechtsanwalts/Steuerberaters, der die Erfolgsaussichten einer zivilrechtlichen Schadensersatzklage vor dem zuständigen Gericht prüfen sollte. In eine solche Einschätzung muss erfahrungsgemäß die vielfach nicht hinreichend vorhandene Kenntnis des materiellen Steuerrechts der entscheidenden Gerichte mit aufgenommen werden.

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