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Gewinnabführungsvertrag: Auslegung

 

Der BFH hat aktuell darüber entschieden, ob ein notarieller – 20 Jahre nach Beurkundung erstellter – Nachtragsvermerk (nach § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG) steuerliche Rückwirkung entfalten kann. Streitig war u. a., ob die Korrektur einer Unstimmigkeit in einem Gewinnabführungsvertrag (GAV) durch einen notariellen Nachtragsvermerk eine steuerliche Rückwirkung entfaltet, wenn sich der tatsächlich gewollte Vertragsinhalt nicht objektiv aus den Vertragsregelungen heraus ergibt. Konkret ging es darum, ob sich die Vertragslaufzeit des Gewinnabführungsvertrags verlängert, obwohl dies in dem zunächst beurkundeten Vertrag keinen schriftlichen Niederschlag fand. Erst in dem später erstellten Nachtragsvermerk wurde dies dann eingefügt.

 

Sachverhalt

Die Klägerin, eine GmbH, wurde im Juni 1991 von der V-GmbH als alleiniger Gesellschafterin gegründet. Im Dezember 1991 schlossen die Klägerin und die V-GmbH einen notariellen GAV.

Streitig ist, ob in Fällen der Beurkundung nach § 13 Abs. 2 BeurkG bei der objektiven Auslegung eines gesellschaftsrechtlichen Organisationsvertrags neben dem Inhalt der auszulegenden Vertragsurkunde auch diejenige Urkunde heranzuziehen ist, die in der Beurkundung nach § 13 Abs. 2 BeurkG tatsächlich vorgelesen und bei einer Schwestergesellschaft zum Handelsregister eingereicht worden ist und ob eine Berichtigung eines Gewinnabführungsvertrags ex tunc auf § 44a Abs. 2 BeurkG gestützt werden kann. Die Klage wurde als unbegründet abgewiesen (FG Niedersachsen 15.6.17, 10 K 115/15, 10 K 116/15).

 

Entscheidung des BFH

Der BFH wies die Revision als unbegründet zurück.

Dem zwischen der Klägerin und der V-GmbH abgeschlossenen GAV sei die steuerrechtliche Anerkennung für die Streitjahre zu versagen. Der Gewinn der Klägerin sei daher nicht der V-GmbH als Organträgerin zuzurechnen. Das FG hat den Vertrag zutreffend dahingehend ausgelegt, dass die Vertragslaufzeit wegen fehlender Verlängerung abgelaufen war.

Der im September 2012 – d. h. mehr als 20 Jahre nach Vertragsschluss – vom Amtsnachfolger des beurkundenden Notars gefertigte Nachtragsvermerk (§ 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG) führe für die Streitjahre nicht zur steuerrechtlichen Anerkennung des GAV.

Gewinnabführungsverträge seien nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen. Umstände, für die sich keine ausreichenden Anhaltspunkte im Vertrag finden, können zur Auslegung grundsätzlich nicht herangezogen werden.

Die Korrektur einer Unstimmigkeit in einem Gewinnabführungsvertrag durch einen notariellen Nachtragsvermerk nach § 44a Abs. 2 Satz 1 BeurkG entfalte jedenfalls dann keine steuerliche Rückwirkung, wenn sich der tatsächlich gewollte Vertragsinhalt nicht objektiv aus den Vertragsregelungen heraus ergebe und – wie hier – unklar sei, wie eine mögliche Lücke in der Vertragsurkunde zu füllen ist.

 

Erläuterungen

Ein Organschaftsverhältnis setzt u. a. voraus, dass sich eine Organgesellschaft durch einen Gewinnabführungsvertrag verpflichtet, ihren gesamten Gewinn an ein anderes inländisches gewerbliches Unternehmen (Organträger) abzuführen. Liegen die weiteren Voraussetzungen einer körperschaftsteuerlichen Organschaft vor, wird dem Organträger das Einkommen der Organgesellschaft steuerlich zugerechnet. Die Organschaft ermöglicht damit hier einen sofortigen Ausgleich von Verlusten der Organgesellschaft mit Gewinnen des Organträgers und umgekehrt und damit eine entsprechende Minderung der Einkommen- bzw. Körperschaftsteuerbelastung.

Das Organschaftsverhältnis setzt mithin den Abschluss eines Ergebnisabführungsvertrags voraus, in dem sich die Organgesellschaft zur Abführung ihres gesamten Jahresergebnisses an den Organträger und dieser sich wiederum zum Ausgleich ihrer Verluste während der Vertragslaufzeit verpflichtet. Der Ergebnisabführungsvertrag einer SE, AG oder KGaA muss den aktienrechtlichen Anforderungen entsprechen. Gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG muss für eine anzuerkennende körperschaftsteuerliche Organschaft der Gewinnabführungsvertrag zwischen Organträger und Organgesellschaft auf mindestens fünf Jahre abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt werden. Damit sollen Manipulationen verhindert werden; sprich die Organschaft soll nicht zur willkürlichen Beeinflussung der Besteuerung bzw. zu Einkommensverlagerungen von Fall zu Fall abgeschlossen bzw. beendet werden können. Die Finanzverwaltung geht letztlich im UmwSt-Erlass 2011 davon aus, dass eine rückwirkende Organschaft bei Ausgliederung zur Neugründung möglich sei.

Hinsichtlich der Mindestlaufzeit gilt:

Vereinbarungen der Gesellschafter mit korporationsrechtlichem Charakter – also auch ein GAV – sind nach objektiven Gesichtspunkten einheitlich aus sich heraus auszulegen. Der Grundsatz der „falsa demonstratio non nocet“ ist im Bereich der objektiven Auslegung korporationsrechtlicher Vereinbarungen nicht uneingeschränkt anzuwenden. Wie bei der Auslegung von Verträgen ist auch der objektive Empfängerhorizont zu berücksichtigen. Ohne eine entsprechende Andeutung im Vertragswerk kann eine vertragliche Lücke daher nicht rückwirkend ergänzt werden, schon gar nicht nach 20 Jahren. Die steuerliche Rückwirkung eines nachträglich erstellten Nachtragsvermerks würde auch dem Rechtsgedanken des § 38 AO widersprechen, dem zufolge die Ansprüche aus dem Steuerverhältnis entstehen, sobald der Tatbestand verwirklicht ist, an den das Gesetz die Leistungspflicht knüpft.

 

Fundstelle

BFH 13.7.22, I R 42/18

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