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Finanzgerichtliche Entscheidungen: Bindungswirkung von Steuerbescheiden

Ist durch ein rechtskräftiges finanzgerichtliches Urteil über einen Streitgegenstand entschieden, können Steuerbescheide auch dann nicht mehr geändert werden, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt falsch bewertet worden ist.

Der konkrete Fall:

Steuerpflichtiger und FA stritten jahrelang über die Festsetzung von Einkommen- und Umsatzsteuer. Es kam zu verschiedenen finanzgerichtlichen Verfahren bis hin zum BFH, der Entscheidungen der FG auch mehrfach aufgehoben und die Sachen zurückverwiesen hatte. Im Laufe der zahlreichen Berichtigungen und Umbuchungen hatte das FA Betriebsausgaben auch irrigerweise teilweise doppelt angesetzt, was zunächst weder dem FA im Einspruchs-, noch dem Gericht im späteren Klageverfahren aufgefallen war. Einen korrigierenden zutreffenden Bescheid griff der Steuerpflichtige jetzt erfolgreich an.

Begründung

Berücksichtigt das FA einen Sachverhalt versehentlich in mehrfacher Weise unzutreffend, können die Bescheide auf Antrag stets aufgehoben werden, wenn sich die falsche Behandlung zuungunsten des Pflichtigen ausgewirkt hat. Dies ergibt sich aus § 174 Abs. 1 AO. Eine Steuerfestsetzung zugunsten des Steuerpflichtigen darf nach Abs. 2 der Bestimmung nur korrigiert werden, wenn dessen Angaben die falsche Sachbehandlung verursacht haben. Wehrt sich der Pflichtige gegen einen Steuerbescheid, der aufgrund irriger Behandlung eines Sachverhalts ergangen ist, kann das FA im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens nach § 174 Abs. 4 AO immer noch Korrekturen vornehmen. Das Risiko von Rechtsmitteln liegt stets beim Rechtsmittelführer.

Diese Grundsätze gelten aber nicht, wenn das FG über den Streitgegenstand entschieden hat. Rechtskräftige Urteile binden nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 FGO die Beteiligten. Streitgegenstand in diesem Sinne sind diejenigen Besteuerungsgrundlagen, zu denen das Gericht Feststellungen getroffen hat. Der vom Gericht in seiner Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt und die hierzu angestellten rechtlichen Erwägungen sind dabei zu beachten. Soweit über diesen Streitgegenstand rechtskräftig entschieden worden ist, darf das Finanzamt nach Festsetzungen nicht nochmals korrigieren, auch wenn die Urteile objektiv betrachtet falsch waren.

So lag der Fall hier. Das Gericht hatte in zwei früheren Verfahren über die zeitliche Zuordnung von Betriebsausgaben und über deren Höhe entschieden. Beide Urteile befassten sich in den Entscheidungsgründen detailliert mit diesen Fragen. Diese Feststellungen nehmen damit an der Rechtskraft der Urteile teil. Eine erneute Änderung ist nicht mehr möglich.

Hinweis des Steuerberaters

Der BFH lässt eine Korrektur auf der Grundlage des § 174 Abs. 4 AO dann zu, wenn sich zwei Urteile in unvertretbarer Weise gegenüber-stehen. Diese Auffassung teilt das FG nicht. Es verweist auf den Vorrang der Rechtskraft von Urteilen gegenüber den Änderungsbestimmungen der AO. Liegen zwei rechtskräftige Urteile zu demselben Sachverhalt und zu unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen vor, entfalten diese unabhängig voneinander eine umfassende Bindungswirkung. Nur so ist Rechtssicherheit zu gewährleisten. Auch durch die Bindungswirkung eines materiell falschen Urteils tritt für den unrichtig entschiedenen Sachverhalt Rechtsfrieden ein.

Fundstellen FG Düsseldorf 12.3.14, 7 K 2499/12 E, n.v.;

Revision unter VIII R 16/14 BFH 18.3.04, V R 23/02 BStBl II 04, 763; 13.6.12, VI R 92/10 BStBl II 13, 139

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