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Einspruchsfrist: Ausnahme von der Dreitagesfiktion

Nach der sogenannten Zugangsfiktion wird vermutet, dass ein Schreiben dem Empfänger am dritten Tag nach Aufgabe zur Post zugegangen ist. Die Zugangsfiktion gilt jedoch nicht bei Übersendung einer Einspruchsentscheidung durch einen privaten Postdienstleister, der zur Briefbeförderung einen weiteren Subunternehmer zwischenschaltet, so die Auffassung des FG Münster. Schlussfolgernd bedeutet das, dass es beim privaten Postdienstleister auch mal länger dauern kann und eine längere Frist akzeptiert wird.

Sachverhalt

Die Familienkasse lehnte einen Kindergeldantrag des Antragstellers ab und wies den hiergegen eingelegten Einspruch als unbegründet zurück. Auf der Einspruchsentscheidung ist vermerkt „abgesandt am 6.11.2015“. Dieser Tag war ein Freitag. Die Post der Familienkasse wurde im November 2015 aufgrund einer vertraglichen Vereinbarung von einem regionalen privaten Briefdienstleister abgeholt und teilweise – so auch im Fall der Einspruchsentscheidung – an die Deutsche Post AG zur Weitersendung übergeben.

 

Am 10.12.2015 erhob der Antragsteller Klage. Diese wurde durch das FG wegen Versäumung der Klagefrist zurückgewiesen. Der BFH hob dieses Urteil mit Gerichtsbescheid vom 14.6.2018 auf und verwies die Sache an das FG Münster zurück. Es habe zu ermitteln, ob nach den beim privaten Dienstleister vorgesehenen organisatorischen Vorkehrungen regelmäßig von einem Zugang innerhalb von drei Tagen ausgegangen werden kann. Dies gelte vor allem bei einem regionalen Dienstleister, der bei bundesweiten Zustellungen andere Dienstleistungsunternehmen zwischenschalte.

 

Entscheidung

Im zweiten Rechtsgang hat das FG jetzt der Klage stattgegeben. Die Klageerhebung außerhalb der Dreitagesfrist führe nicht zur Fristversäumnis. Zwar werde unter „Aufgabe zur Post“ auch ein privater Postdienstleister erfasst. Die beklagte Familienkasse habe aber keinen Nachweis darüber erbracht, dass am Absendetag tatsächlich ein Botengang im Haus stattgefunden habe, bei dem die Einspruchsentscheidung in die vorgesehene Ablage zur Abholung durch den Kurierdienst gelegt worden ist.

 

Außerdem habe sie nicht nachgewiesen, dass der Kurierdienst an diesem Tag tatsächlich die Ausgangspost abgeholt habe, obwohl sie nach den vertraglichen Bestimmungen hierzu Informationen beim Postdienstleister hätte einholen können.

 

Unabhängig davon sei die Zugangsfiktion innerhalb von drei Tagen dadurch erschüttert, dass der private Zustelldienst einen weiteren Dienstleistungsunternehmer – die Deutsche Post AG – zur Beförderung der Einspruchsentscheidung zwischengeschaltet habe. Eine Verlängerung der Laufzeit von mindestens einem Tag könne aufgrund eines erforderlichen weiteren Sortierprozesses in diesem Fall nicht ausgeschlossen werden. Auf Grundlage des zwischen dem privaten Briefdienstleister und der Deutschen Post AG geschlossenen Vertrags sei die Deutsche Post AG bei einer Übergabe an einem Freitag frühestens zu einer Zustellung am folgenden Dienstag verpflichtet gewesen.

 

Praxistipp| Für den Fall, dass die Zugangsfiktion einmal von Bedeutung sein sollte, muss unbedingt auf den Dienstleister der Zustellung geschaut werden.

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