Grundlegende Voraussetzungen
Bei Grundstücksverkäufen des Privatvermögens bestehen drei Alternativen, die von der Besteuerung ausgenommen sind. Nicht steuerbar sind demzufolge Veräußerungen von Grundstücken,
1. die im Zeitraum zwischen Anschaffung oder Fertigstellung und Veräußerung ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3, 1. Alternative EStG),
2. die im Jahr der Veräußerung und in den beiden vorangegangenen Jahren zu eigenen Wohnzwecken genutzt wurden (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3, 2. Alternative EStG) sowie
3. bei denen der Zeitraum zwischen der Anschaffung und Veräußerung mehr als zehn Jahre beträgt (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 2 EStG).
Hinweis
Ist die Haltefrist von zehn Jahren i. S. d. § 23 EStG abgelaufen, handelt es sich um keinen steuerbaren Vorgang. Befindet sich das Grundstück (anteilig) im Betriebsvermögen gelten die Regelungen des § 23 EStG insoweit jedoch nicht („Steuerverstrickung“).
K.o.-Kriterium „ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken“
Für die Frage, ob der Vorgang steuerbar ist, ist das Tatbestandsmerkmal der Nutzung „ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken“ zu prüfen, welches regelmäßig Gegenstand von Einspruchs- und Klageverfahren ist. Unter das Tatbestandsmerkmal fällt klassischerweise der eigenständige Haushalt. Die Nutzung „zu eigenen Wohnzwecken“ setzt jedoch weder die Nutzung als Hauptwohnung voraus noch muss sich dort der Schwerpunkt der persönlichen und familiären Lebensverhältnisse befinden. Unschädlich ist es zudem, wenn der Steuerpflichtige Räume einem Dritten unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen hat. Die dem Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken verbleibenden Räume müssen jedoch noch den Wohnungsbegriff erfüllen und ihm die Führung eines selbstständigen Haushalts ermöglichen (vgl. BMF-Schreiben 5.10.00, BStBl I 00, 1381, Rn. 22). Eigene Wohnzwecke liegen auch dann vor, wenn es vom Steuerpflichtigen nur zeitweise bewohnt wird, in der übrigen Zeit ihm jedoch als Wohnung zur Verfügung steht. Das bedeutet, dass das Tatbestandsmerkmal auch parallel bei mehreren Immobilien erfüllt sein kann (Zweitwohnung, Ferienimmobilie, doppelter Haushalt). Die unentgeltliche Überlassung des gesamten Objekts zu dessen alleiniger Nutzung an ein nach § 32 EStG berücksichtigungsfähiges (bzw. kindergeldberechtigtes) Kind oder mehrere berücksichtigungsfähige Kinder ist ebenfalls begünstigt und wird den „eigenen Wohnzwecken“ gleichgestellt (siehe BFH 26.1.94, BStBl II 94, 544; 18.1.11, BFH/NV 2011, 974).
Praxistipp
Zu beachten ist aber, dass nicht automatisch jede Überlassung an andere (auch unterhaltsberechtigte) Angehörige bzw. Personen die Tatbestandsvoraussetzung der eigenen Wohnzwecke erfüllt. Nicht jede Überlassung an andere (unterhaltsberechtigte) Angehörige ist also begünstigt!
Streitfall: Privates Veräußerungsgeschäft infolge der Trennung und sich anschließenden Ehescheidung
Sachverhalt
Der Kläger K und seine mittlerweile von ihm geschiedene Ehefrau E erwarben mit Kaufvertrag von Dezember 2008 ein mit einem Einfamilienhaus bebautes Grundstück zu jeweils hälftigem Miteigentum und bewohnten es gemeinsam mit ihrem am 5.12.2007 geborenen Sohn. Im August 2015 zog K aus. Die Ehe wurde durch rechtskräftiges Urteil am 8.6.2017 geschieden. Nachdem die geschiedene Ehefrau die Zwangsversteigerung für den Fall angedroht hatte, dass ihr K seinen hälftigen Miteigentumsanteil nicht verkaufen sollte, veräußerte K den hälftigen Miteigentumsanteil mit notariell beurkundeter Scheidungsfolgenvereinbarung und Veräußerungsvertrag vom 10.8.2017 an seine geschiedene Ehefrau und erzielte unstreitig einen Veräußerungsgewinn.
Streitfrage
Streitig war in einem Verfahren beim BFH, ob der Befreiungstatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG erfüllt ist, wenn der seinen Miteigentumsanteil veräußernde Ehegatte nach Trennung der Eheleute aus dem im Miteigentum stehenden Wohnhaus ausgezogen ist, der andere Ehegatte und das gemeinsame Kind dort aber wohnen bleiben.
Entscheidung des BFH
Eine (willentliche) Veräußerung i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG kann auch dann vorliegen, wenn der Ehegatte seinen Miteigentumsanteil an dem im Miteigentum beider Ehepartner stehenden Einfamilienhaus vor dem Hintergrund der drohenden Zwangsvollstreckung im Rahmen einer Scheidungsfolgenvereinbarung (entgeltlich) auf seinen geschiedenen Ehepartner innerhalb der Haltefrist überträgt. Der Ehegatte nutzt seinen Miteigentumsanteil nach dem Auszug aus dem Familienheim nicht mehr zu eigenen Wohnzwecken i. S. d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG, wenn der geschiedene Ehepartner und das gemeinsame minderjährige Kind weiterhin dort wohnen. Damit bestätigte der BFH das vorinstanzliche Urteil des FG München.
Anmerkung:
Bereits in der Vergangenheit hatten Steuerpflichtige in diesem Zusammenhang vor den Finanzgerichten wenig Erfolg. Der BFH entschied jüngst mit Urteil vom 24.5.2022 (IX R 28/21), dass eine Wohnung, die der Steuerpflichtige unentgeltlich an (leibliche) Kinder überlässt, die im maßgeblichen Zeitraum des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG nicht (mehr) nach § 32 EStG berücksichtigungsfähig sind, nicht „zu eigenen Wohnzwecken“ genutzt wird. Zudem hatte das FG Niedersachsen entschieden (4.3.10, 10 K 259/08), dass ein Kind ohne Anspruch auf Kinderfreibetrag insoweit nicht begünstigt ist. Das FG Hessen (30.9.15, 1 K 1654/14) hat entschieden, dass auch die Überlassung an die ehemalige Lebensgefährtin mit unterhaltsberechtigtem Kind das Tatbestandsmerkmal nicht erfüllt. Und auch das FG Baden-Württemberg entschied zuungunsten des Steuerpflichtigen (4.4.16, 8 K 2166/14), denn auch die Überlassung an die nicht mehr berücksichtigungsfähige Tochter sei nicht begünstigt.
Auswirkungen für die Praxis
Das Urteil hat eine hohe Praxisrelevanz. Wird der Miteigentumsanteil an einem bebauten Grundstück veräußert, ist für Zwecke der Befreiungsregelung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG auf die Nutzung des Gebäudes (z. B. des Einfamilienhauses oder der Eigentumswohnung), an dem das Miteigentum besteht, abzustellen. Ein ideeller Miteigentumsanteil lässt sich nicht gegenständlich konkretisieren und mit einer konkreten Nutzung in Zusammenhang bringen (er ist nicht „bewohnbar“). Nach diesen Maßstäben nutzte K das Einfamilienhaus weder im Zeitraum zwischen Anschaffung (2008) und Veräußerung (2017) ausschließlich zu eigenen Wohnzwecken noch im Jahr der Veräußerung (2017) und in den beiden vorangegangenen Jahren (2015 und 2016) zu eigenen Wohnzwecken. Dies ist soweit es um die Nutzung des Einfamilienhauses durch K in eigener Person geht zwischen den Beteiligten unstreitig. Nach seinem Auszug im Jahr 2015 bewohnte K das ehemalige Familienheim nicht mehr selbst. K kann auch die Nutzung des Einfamilienhauses durch seinen Sohn (und seine geschiedene Ehefrau) nicht als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zugerechnet werden, so der BFH.
Argument 1: Wirtschaftliche oder emotionale Zwangssituation
Der BFH stellt klar, dass es grundsätzlich unbedeutend ist, ob K sich dabei in einer wirtschaftlichen oder emotionalen Zwangssituation befand. Der Motivlage kommt abgesehen von den Fällen, in denen der Verlust des Eigentums (aufgrund eines Hoheitsakts) der freien Willensentschließung des Steuerpflichtigen entzogen ist, regelmäßig keine Relevanz zu. Eine das Vorliegen eines privaten Veräußerungsgeschäfts ausschließende Zwangslage (wie z. B. bei einer Enteignung), lag insoweit nicht vor. Zwar hatte die geschiedene Ehefrau ihren geschiedenen Ehemann K erheblich unter Druck gesetzt. Letztlich hat dieser aber seinen Anteil an dem Einfamilienhaus an seine geschiedene Frau freiwillig veräußert.
Argument 2: Überlassung an das neunjährige Kind
Soweit K das in seinem Miteigentum stehende Einfamilienhaus seinem Sohn als einkommensteuerlich zu berücksichtigendem Kind unentgeltlich zur Nutzung überlassen haben will, könnte darin jedenfalls bei isolierter Betrachtung eine „mittelbare“ Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zu sehen sein. Dies musste der BFH aber nicht prüfen, denn nach Ks Auszug nutzte auch seine geschiedene Ehefrau das Einfamilienhaus zu (ihren) Wohnzwecken. Das hälftige Miteigentum rechtfertige im Übrigen nicht die Annahme, der in der Wohnung lebende Miteigentümer nutze nur seinen eigenen Miteigentumsanteil („quasi die Hälfte der Wohnung“) zu eigenen Wohnzwecken.
Anmerkung:
Ungeachtet dieser rechtlichen Beurteilung nutzte die geschiedene Ehefrau des K das Einfamilienhaus nach dem Auszug von K aber auch tatsächlich über ihren Miteigentumsanteil hinaus. Sie bewohnte das gesamte ehemalige Familienheim zusammen mit ihrem Sohn.
Praxistipp
Damit liegt in diesem Fall eine schädliche Mitbenutzung des Einfamilienhauses durch die geschiedene Ehefrau des K vor. Dieser steht der Zurechnung der Nutzung durch das einkommensteuerlich zu berücksichtigende Kind entgegen.
Argument 3: „Auch eigene Nutzung“
Es ist zudem nicht ausreichend, wenn der Steuerpflichtige das Objekt „zumindest auch“ selbst nutzt. Findet eine unmittelbare Eigennutzung durch den Steuerpflichtigen statt, erweist sich die Mitbenutzung durch Angehörige oder Dritte (die unentgeltliche gemeinschaftliche Nutzung) als unschädlich. Anders ist dies jedoch, wenn Kinder die Wohnung zusammen mit dem geschiedenen Ehegatten bewohnen: Eine gemeinschaftliche Nutzung mit dem Steuerpflichtigen erfolgt dann nicht, sodass aus dessen Sicht eine (vollumfängliche) „Fremdnutzung“ vorliegt. Nur für den anderen Ehegatten erweist sich die Mitbenutzung durch die Kinder als unschädlich.
Praxistipp
Die Begründung deckt sich mit der jüngsten Entscheidung des BFH vom 24.5.2022 (NV/IX R 28/21). Insoweit entschied der BFH, dass eine Wohnung, die der Steuerpflichtige unentgeltlich an (leibliche) Kinder überlässt, die im maßgeblichen Zeitraum des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 2. Alternative EStG nicht (mehr) nach § 32 EStG berücksichtigungsfähig sind, nicht „zu eigenen Wohnzwecken“ genutzt wird.
Argument 4: Unzumutbarer Verbleib aufgrund drohender häuslicher Gewalt
Soweit K in der mündlichen Verhandlung vorgebracht hat, aufgrund drohender häuslicher Gewalt ihm und seinem Sohn gegenüber sei ein Verbleib im Einfamilienhaus weder möglich noch zumutbar gewesen, handelt es sich um neues tatsächliches Vorbringen. Dieses Argument hat der BFH im Revisionsverfahren folglich nicht berücksichtigt (§ 118 Abs. 2 FGO). Anzumerken ist, dass dieses Argument höchstwahrscheinlich auch keine andere Entscheidung des BFH herbeigeführt hätte.
Weitere wichtige Verfahren
Der BFH hat noch weitere praxisrelevante Entscheidungen im Zusammenhang mit privaten Veräußerungsgeschäften zu fällen. In einem gleichgelagerten Revisionsverfahren mit dem Az. IX R 10/22 hat der BFH die Frage zu beantworten, ob sich der bisherige Ehemann, der das Alleineigentum im Rahmen der Scheidungsfolgenvereinbarung erlangt hat, die nachfolgende Nutzung der Immobilie durch seine geschiedene Ehefrau und die kindergeldberechtigten Kinder bzw. nach Auszug eines Kindes die Nutzung des verbleibenden Kindes sich zu eigenen Wohnzwecken zurechnen lassen kann, um den Ausnahmetatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Satz 3 EStG zu begründen. Es ist davon auszugehen, dass der BFH entsprechend entscheiden wird. Dennoch sollte Einspruch eingelegt und das Ruhen des Verfahrens beantragt werden, um die Rechte der Mandanten zu wahren. In dem Revisionsverfahren mit dem Az. IX R 13/22 hat der BFH zu klären, ob der Erwerb eines Erbteils durch einen anderen Miterben dem Tatbestand eines privaten Veräußerungsgeschäfts unterfällt und ob die Einordnung des Erwerbs eines Erbteils durch einen Miterben anhand der zivilrechtlichen Gegebenheiten vorzunehmen ist.
Fazit
Der BFH stellt klar: Veräußert der geschiedene Ehegatte im Rahmen der Vermögensauseinandersetzung anlässlich der Ehescheidung seinen Miteigentumsanteil am gemeinsamen Einfamilienhaus an den Ex-Partner, kann der Verkauf als privates Veräußerungsgeschäft der Besteuerung unterfallen. Überlässt Ihr Mandant eine Wohnung also nicht ausschließlich einem einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kind (oder mehreren einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern) unentgeltlich zur Nutzung, sondern zugleich einem Dritten (z. B. der geschiedenen Ehefrau), liegt keine begünstigte Nutzung des Steuerpflichtigen zu eigenen Wohnzwecken vor.
Bei einer Veräußerung innerhalb der Haltefristen des § 23 EStG liegt daher grundsätzlich ein steuerbares privates Veräußerungsgeschäft vor. Dabei spielt es für die steuerliche Einordnung keine Rolle, ob die Veräußerung unter Androhung einer Zwangsvollstreckung oder aus freien Stücken erfolgt. Bei einem Miteigentumsanteil (bei Eheleuten der Regelfall in der Praxis), wird hinsichtlich der Nutzung nicht isoliert auf den Miteigentumsanteil, sondern auf das Gebäude (Einfamilienhaus oder Eigentumswohnung) abgestellt. Man ist daher gut beraten sich im Vorfeld die steuerlichen Auswirkungen bewusst zu machen.
Beachten Sie
Das Abwarten der Haltefristen ist die einfachste Lösung, um eine Besteuerung zu vermeiden.
Nicht zuletzt aufgrund der in der Vergangenheit stetig gestiegenen Immobilienpreise dürften in gleichgelagerten Fällen in aller Regel nicht unerhebliche Veräußerungsgewinne und folglich hohe Steuerbelastungen auftreten, die es zu vermeiden gilt. Viel gestalten lässt sich insoweit nicht, jedoch sollten bei entsprechenden Vereinbarungen auch andere Alternativen herangezogen werden. Vor allem der Trennungsunterhalt sollte im Blick behalten werden. Steuerlich abzugsfähige Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder dauernd getrennt lebenden Ehegatten können nicht nur durch Geldleistungen, sondern auch durch Naturalleistungen bewirkt werden. Das gilt insbesondere für die unentgeltliche Überlassung einer Wohnung.
Praxistipp
Insoweit hatte der BFH mit Urteil 29.6.2022 (X R 33/20) entschieden: Die auf einem entgeltlichen Rechtsverhältnis beruhende Überlassung einer Wohnung an den geschiedenen oder dauerhaft getrennt lebenden Ehegatten unterfällt nicht dem Anwendungsbereich des § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG. Dagegen handelt es sich bei einer unentgeltlichen Nutzungsüberlassung um Naturalunterhalt, der in sinngemäßer Anwendung von § 15 Abs. 2 BewG in Höhe der ortsüblichen Miete als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1a Nr. 1 EStG berücksichtigt werden kann. Die ortsübliche Miete ist auch dann anzusetzen, wenn die Parteien unterhaltsrechtlich einen betragsmäßig geringeren Wohnvorteil vereinbart haben.
FUNDSTELLEN
• BFH 14.2.23, IX R 11/21
• BFH 24.5.22, IX R 28/21
• FG Niedersachsen 4.3.10, 10 K 259/08
• FG Hessen 30.9.15, 1 K 1654/14
• FG Baden-Württemberg 4.4.16, 8 K 2166/14
• FG Münster 19.5.22, 8 K 19/20, Rev. unter IX R 10/22
• FG München 21.7.21, 1 K 2127/20, Rev. unter IX R 13/22