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Verbleibender Verlustvortrag ist nicht mehr vererbbar

Nach einem aktuellen Beschluss des Großen Senats kann ein Erbe einen vom Erblasser nicht ausgenutzten Verlustabzug nach § 10d EStG nicht bei seiner eigenen Veranlagung zur Einkommensteuer geltend machen. Diese Änderung der jahrzehntelangen Praxis resultiert aus den Erwägungen, dass die Einkommensteuer personenbezogen wirkt und vom Prinzip der Besteuerung nach der individuellen Leistungsfähigkeit ausgeht. Hiermit ist es nach Ansicht des Großen Senats unvereinbar, die beim Verstorbenen nicht verbrauchten Verlustvorträge auf den Erben zu übertragen. Bislang ließ die Finanzverwaltung nach H 10d EStH vom Erblasser nicht ausgeglichene Verluste auf die Erben übergehen. Diese Regelung soll aufgegeben werden.

Aufgrund des Beschlusses ist nicht mit einer gesetzlichen Änderung zu rechnen. Da die Vererblichkeit eines Verlustvortrags 45 Jahre lang von BFH und Finanzverwaltung anders praktiziert worden ist, gewährt der BFH Vertrauensschutz. Denn die neue ungünstigere Rechtsprechung ist faktisch vergleichbar mit einer Gesetzesänderung und daher erst auf Erbfälle anwendbar, die nach dem Tag der Veröffentlichung dieses Beschlusses eintreten. Dieser wurde am 12.3.2008 publik gemacht, sodass Verluste bei Todesfällen ab dem 13.3.2008 nicht mehr übertragbar sind.

Die Änderung in der Rechtsprechung hat gravierende praktische Auswirkungen, die mit dem Rechtsanwalt/Steuerberater besprochen und die entsprechenden Gestaltungen in die Wege geleitet werden sollten:

• Noch nicht verrechnete Spekulationsverluste sind künftig nicht mehr vererbbar. Diese Wirkung potenziert sich unter der Abgeltungsteuer 2009 noch weiter, da negative Kapitaleinkünfte nicht mit anderen Einkunftsarten verrechenbar, sondern nur unbegrenzt im Rahmen des § 20 EStG vortragbar sind.

• Noch belastender wirkt sich der Beschluss auf realisierte Aktienverluste aus, die ab 2009 lediglich mit Gewinnen aus Aktien und keinen anderen Kapitaleinnahmen ausgleichbar sind.

• Ähnliche negativ Effekte ergeben sich bei Verlusten aus vermieteten Immobilien oder im Rahmen der Gewinneinkünfte. Hier sollten Verlustvorträge noch zu Lebzeiten realisiert werden. Das gelingt etwa durch die Auflösung stiller Reserven oder den Verkauf nicht benötigter Betriebsteile.

• Im Rahmen der Übergangsregelung bis zum 12.3.2008 ist die bisherige Verwaltungsauffassung zu beachten, wonach ein Verlustabzug dann zum Tragen kommt, wenn der Erbe durch den Verlust des Erblassers auch tatsächlich wirtschaftlich belastet ist.

• Eine Ausnahme besteht auch beim Steuerstundungsmodell nach § 15b EStG. Die zum Todeszeitpunkt noch nicht ausgeschöpften Verlustvorträge dürfen hier von den Rechtsnachfolgern verwendet werden. Die Erben können sie mit anschließenden positiven Einkünften aus dem gleichen Modell im Verhältnis ihrer Erbquote verrechnen.

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