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Umsatzsteuerliche Organschaft - Aktuelle Problemfelder und Lösungen

Das Steuerrecht kennt neben der ertragsteuerlichen Organschaft die umsatzsteuerliche Organschaft. Diese bedeutet für den Steuerpflichtigen die Zusammenfassung von herrschendem Organträger und abhängiger Organgesellschaft. Der Organträger ist allein für den gesamten Organkreis steuerpflichtig. Die Organschaft ist von großer Bedeutung für Unternehmensgruppen ohne Recht auf Vorsteuerabzug, wie etwa im Bank-, Versicherungs-, Krankenhaus- oder Pflegebereich. Aufgrund der Organschaft ist es Unternehmen in diesen Bereichen möglich, untereinander Leistungen zu erbringen, die nicht steuerpflichtig sind und damit nicht zur Entstehung von Vorsteuerbeträgen führen, die wegen des fehlenden Rechts auf Vorsteuerabzug nicht abziehbar wären. Die OFD-Frankfurt/Main nimmt die neue Rechtsprechung zum Anlass, sich noch einmal umfassend zu wichtigen Bereichen der Organschaft zu äußern.

Gesetzliche Grundlagen

Rechtsgrundlage für die umsatzsteuerliche Organschaft ist § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG. Hiernach wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit nicht selbstständig ausgeübt, wenn eine juristische Person nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert ist, Abschn. 2.8 Abs. 1 Satz 1 UStAE.

Organträger und Organgesellschaft bilden das Unternehmen nach § 2 Abs. 1 Satz 2 UStG. Die Umsätze der Organgesellschaft werden dem Organträger zugerechnet. Der Organträger ist Steuerschuldner aus allen von den im Organkreis verbundenen Unternehmensteilen bewirkten Umsätzen.

 

Entscheidung über das Vorliegen einer Organschaft

Hinsichtlich des Vorliegens einer Organschaft kann zwischen den Finanzämtern des Organträgers und der Organgesellschaft nur einheitlich entschieden werden. Im Rahmen einer Erörterung der Umsatzsteuer-Referatsleiter der obersten Finanzbehörden des Bundes und der Länder wurde daher abgestimmt, dass bezüglich des Vorliegens einer Organschaft die Beurteilung durch das Finanzamt des Organträgers maßgeblich ist.

Der Steuerberater ist in dieser Situation gefragt: Damit die materiell-rechtliche Beurteilung zutreffend erfolgen kann, ist es bereits in diesem Stadium erforderlich, einen möglichst umfassenden Informationsaustausch zwischen den beteiligten Finanzämtern bzw. Veranlagungsbezirken herbeizuführen. Darauf muss der Steuerberater ggf. hinwirken!

 

Bestimmung des Beginns der Organschaft

Die Organschaft beginnt in dem Zeitpunkt, in dem sämtliche Voraussetzungen des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG erfüllt sind. Zu den einzelnen Tatbestandsmerkmalen vgl. Abschn. 2.8 UStAE. Ab diesem Zeitpunkt sind auch die steuerlichen Konsequenzen zu ziehen. So ist für alle Unternehmensteile des Organkreises nur eine Umsatzsteuer-Voranmeldung bzw. Umsatz- steuer-Erklärung unter der Steuernummer des Organträgers abzugeben und damit nur eine Umsatzsteuerfestsetzung durchzuführen. Umsätze zwischen den Unternehmensteilen stellen nicht steuerbare Innenumsätze dar.

Haftungsfalle für den Steuerberater: Wurde die Existenz der Organschaft nicht erkannt oder wurde eine Organschaft angenommen, obwohl die Voraussetzungen nicht vorgelegen haben, sind die steuerlichen Folgerungen grundsätzlich auch für die Vergangenheit zu ziehen.

Es bestehen jedoch keine Bedenken, wenn eine Rückabwicklung aus Vereinfachungsgründen im Einvernehmen mit den Beteiligten nicht durchgeführt wird, sofern

  • dem keine materiell-rechtlichen Gründe entgegenstehen bzw.
  • die Steuererhebung nicht gefährdet ist und
  • keine Rechtsbehelfsverfahren wegen USt-Festsetzungen gegenüber der Organgesellschaft anhängig sind.

 

Erkennen einer Organschaft

In der Steuerberatung immens wichtig ist, dass die Organschaft erkannt wird. Sofern die Steuerpflichtigen nicht selbst auf eine bestehende Organschaft hinweisen, muss das Finanzamt anhand der vorgelegten Unterlagen erkennen, ob eine Organschaftvorliegt bzw. Ermittlungen anstellen, die zur Klärung des Sachverhalts führen.

Im Veranlagungsbezirk, der den Organträger steuerlich führt, ist insbesondere dann eine umsatzsteuerliche Organschaft zu prüfen, wenn eine Betriebsaufspaltung vorliegt.

Im Veranlagungsbezirk der Organgesellschaft ist in den Gesellschaftsverträgen der juristischen Person nach Hinweisen zu forschen, die ein Vorliegen der Eingliederungsmerkmale wahrscheinlich machen. Dies sind die Beteiligungsverhältnisse (finanzielle Eingliederung), die Geschäftsführung (organisatorische Eingliederung) und der Gesellschaftszweck (wirtschaftliche Eingliederung).

 

Informationsaustausch

Von zentraler Bedeutung für die Überprüfung der Angaben des Organträgers in den Umsatzsteuer-Voranmeldungen und -Erklärungen ist es, den Veranlagungsbezirk, der den Organträger steuerlich führt, in die Lage zu versetzen, Umsätze und Vorsteuern möglichst genau verproben zu können.

Daher hat der Veranlagungsbezirk den Organträger auf dessen erhöhte Mitwirkungspflicht beim Vorliegen einer Organschaft, ggf. sogar im Zusammenhang mit einer Betriebsaufspaltung, hinzuweisen. Diesen erhöhten Mitwirkungspflichten kann der Organträger durch die Einreichung von Kopien der Gewinnermittlungen der Organgesellschaft(en) gerecht werden.

Der Veranlagungsbezirk, der die Organgesellschaft(en) steuerlich führt, hat ständig Kontakt mit dem Veranlagungsbezirk des Organträgers zu halten und diesem unaufgefordert laufend die Organschaft betreffende, relevante Informationen zukommen zu lassen. Insbesondere sind die Gewinnermittlungen der Organgesellschaft(en) zu kopieren und zu übersenden. Mindestens ist jedoch dem Veranlagungsbezirk des Organträgers eine Ablichtung der Gewinn- und Verlustrechnung zur Verfügung zu stellen.

Darüber hinaus ist eine enge Zusammenarbeit gegenüber anderen Stellen notwendig. Dies betrifft die Erstellung von Prüfungsvorschlägen, die aufeinander abzustimmen sind, sowie die kassentechnische Abwicklung der Organschaft und evtl. Maßnahmen durch die USt.

Wichtig: Nur bei einem Zusammenwirken aller betroffenen Stellen kann eine gleichmäßige und gesetzmäßige Umsatzbesteuerung auch bei einer Organschaftgewährleistet werden. Auch darauf sollte der Steuerberater ggf. achten!

 

Aktuelle Rechtsprechung

Der BFH hat nach Ergehen des EuGH-Urteils vom 16.7.2015 (Larentia + Minerva und Marenave) hinsichtlich der Organschaft wie folgt geurteilt:

  • Keine Organschaft mit Nichtunternehmern
  • Nach § <link http: dejure.org gesetze ustg _blank ustg:>2 Abs. 2 Nr. 2 UStG setzt eine Organschaft die Eingliederung eines Unternehmers in das Unternehmen des Organträgers voraus. Dadurch wird vermieden, dass die Organschaft als rein steuerrechtliches Gestaltungsinstrument zur Vermeidung nicht abziehbarer Vorsteuerbeträge in Anspruch genommen werden kann.
  • Organschaft und Eingliederungsvoraussetzungen (BFH 5 R 15/14)
  • Eine juristische Person ist nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG finanziell eingegliedert, wenn der Organträger über eine eigene Mehrheitsbeteiligung verfügt. Für die Annahme der finanziellen Eingliederung ist die Beteiligung über zwei gleichgeordnete Schwestergesellschaften nicht ausreichend, vgl. auch Abschn. 2.8 Abs. 5 Sätze 6, 7 UStAE.

Für die organisatorische Eingliederung muss der Organträger im Regelfall mit der juristischen Person über deren Geschäftsführung personell verflochten sein. Für die Annahme einer personellen Verflechtung sind Weisungsrechte, Berichtspflichten oder ein Zustimmungsvorbehalt zugunsten der Gesellschafterversammlung oder zugunsten des Mehrheitsgesellschafters nicht ausreichend.

 

Finanzielle Eingliederungsfähigkeit von Personengesellschaften

Zunächst hat der 5. Senat des BFH seine Rechtsprechung geändert und entschieden, dass – abweichend vom Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG – auch eine Personengesellschaft in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert sein kann. Dies gilt allerdings nur, wenn Gesellschafter der Personengesellschaft neben dem Organträger ausschließlich Personen sind, die nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind, sodass die erforderliche Durchgriffsmöglichkeit selbst bei Anwendung des Einstimmigkeitsprinzips gem. § 709 Abs. 1 BGB gewährleistet ist.

Sodann hat der 11. Senat des BFH entschieden, dass § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG richtlinienkonform dahin gehend ausgelegt werden kann, dass der Begriff „juristische Person” auch eine GmbH & Co. KG umfasst. Unter Berufung auf die Rechtsprechung des BVerfG führt er aus, dass steuerrechtliche Tatbestandsmerkmale – unabhängig davon, welchem Rechtsgebiet sie ursprünglich entlehnt sind – nach dem „steuerrechtlichen Bedeutungszusammenhang, nach dem Zweck des jeweiligen Steuergesetzes und dem Inhalt der einschlägigen Einzelregelung” zu interpretieren sind, zumal es auch außerhalb des Steuerrechts Beispiele für eine von der zivilrechtlichen Terminologie abweichende Auslegung des Begriffs „juristische Person” gebe. Weiterhin führt er an, dass eine GmbH & Co. KG eine „kapitalistische Struktur” hat. Da bei ihr lediglich eine juristische Person (Komplementär-GmbH) die Geschäfte führt, kann sie wie eine juristische Person dem Willen des Organträgers unterworfen sein. Weiterhin erläutert der 11. Senat, dass sein Urteil zwar in der Begründung, nicht aber im Ergebnis von dem des 5. Senats abweiche, weshalb eine Vorlage an den Großen Senat des BFH ausscheide.

Im Rahmen der Sitzung II/16 der Referatsleiter Umsatzsteuer vom 12. bis 14.4.2016 wurden die Auswirkungen dieser beiden BFH-Urteile erörtert:

  • Die Konsequenzen dieser Urteile sollen durch die Arbeitsgruppe zur Reform der umsatzsteuerlichen Organschaft geprüft werden.
  • Die genannten Entscheidungen sind vorläufig grundsätzlich nicht über die entschiedenen Einzelfälle hinaus anzuwenden.

Hinweis für den Steuerberater:

Hiervon abweichend können sich Steuerpflichtige in Fällen, in denen nach beiden Urteilen die Eingliederung einer Personengesellschaft möglich ist (d. h. GmbH & Co. KG als Organgesellschaft, wenn Gesellschafter dieser GmbH & Co. KG neben dem Organträger nur Personen sind, die in das Unternehmen des Organträgers finanziell eingegliedert sind), auf diese Rechtsprechung berufen. Diese Berufung kann dabei nur einheitlich für den Organträger und die GmbH & Co. KG erfolgen. Vertrauensschutz nach § 176 AO wird nicht gewährt. Für das Vorliegen einer Organschaft nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG sind daneben eine finanzielle, organisatorische und wirtschaftliche Eingliederung der GmbH & Co. KG in das Unternehmen des Organträgers erforderlich, die auch noch im Zeitpunkt der Berufung auf die Rechtsprechung gegeben sein müssen.

 

Fundstellen

  • OFD Frankfurt/Main 24.5.16, S 7105 A - 22 - St 110
  • BFH 2.12.15, V R 15/14, V R 67/14 und V R 25/13
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