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Thema Okt./Nov.2005:Grundlagen-Steuerstrafrecht

Die Konfrontation mit dem Steuerstrafrecht liegt oft näher, als dem Steuerpflichtigen lieb und bewusst ist. Insbesondere haben in der Vergangenheit diverse Durchsuchungsmaßnahmen der Steuerfahndung bei deutschen Kreditinstituten zu einer Vielzahl von Ermittlungsverfahren gegen Steuerpflichtige geführt. Neben diesem Angriff auf vermeintlich unversteuerte Zinserträge können aber auch andere Umstände zu steuerstrafrechtlichen Ermittlungsmaßnahmen der Finanzbehörde führen. Einige grundlegende Hinweise und wie der Rechtsanwalt/Steuerberater helfen kann im Folgenden.

Steuerstrafrecht

Unter den Begriff Steuerstrafrecht fallen die in der Abgabenordnung geregelten Tatbestände der Steuerordnungswidrigkeiten ebenso wie Steuerstraftaten.

Hieraus ergeben sich folgende Ordnungswidrigkeiten, die mit Geldbußen geahndet werden können:

  • leichtfertige Steuerverkürzung (leichtfertig heißt in diesem Zusammenhang grob fahrlässig),
  • vorsätzliche oder leichtfertige Steuergefährdung (Ausstellen unrichtiger Belege oder unrichtige Verbuchung buchungs- oder aufzeichnungspflichtiger Geschäftsvorfälle oder Betriebsvorgänge),
  • vorsätzliche oder leichtfertige Gefährdung von Abzugsteuern (hierunter fällt das Nichteinbehalten oder die Nichtabfuhr von Lohnsteuer),
  • vorsätzliche oder leichtfertige Verbrauchsteuergefährdung (u. a. falsche Kennzeichnung verbrauchssteuerpflichtiger Waren),
  • vorsätzliche oder fahrlässige Gefährdung von Einfuhr- und Ausfuhrabgaben (Verletzung von Zollvorschriften),
  • vorsätzlicher unzulässiger Erwerb von Steuererstattungs- und -vergütungsansprüchen.

Über die Ordnungswidrigkeiten hinaus regelt die Abgabenordnung ferner die Steuerstraftaten, deren Strafandrohung auch die Freiheitsstrafe vorsieht. Auf diese Delikte finden die Vorschriften des Strafrechts Anwendung, soweit die Steuergesetze nichts anderes regeln.

Neben einigen anderen Delikten stellt den weitaus am häufigsten verwirklichten Tatbestand des Steuerstrafrechts die vorsätzliche Steuerhinterziehung dar. Die Abgabenordnung führt hierzu aus:

§ 370 Steuerhinterziehung (Verkürzte Wiedergabe)

(1) Mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe wird bestraft, wer

  1. den Finanzbehörden oder anderen Behörden über steuerlich erhebliche Tatsachen unrichtige oder unvollständige Angaben macht,
  2. die Finanzbehörden pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis lässt oder
  3. pflichtwidrig die Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern unterlässt
    und dadurch Steuern verkürzt oder für sich oder einen anderen nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(2) Der Versuch ist strafbar.
(3) 1 In besonders schweren Fällen ist die Strafe Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. 2 Ein besonders schwerer Fall liegt in der Regel vor, wenn der Täter

  1. aus grobem Eigennutz in großem Ausmaß Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt,
  2. seine Befugnisse oder seine Stellung als Amtsträger missbraucht,
  3. die Mithilfe eines Amtsträgers ausnutzt, der seine Befugnisse oder seine Stellung missbraucht, oder
  4. unter Verwendung nachgemachter oder verfälschter Belege fortgesetzt Steuern verkürzt oder nicht gerechtfertigte Steuervorteile erlangt.

(4) 1 Steuern sind namentlich dann verkürzt, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt werden; dies gilt auch dann, wenn die Steuer vorläufig oder unter Vorbehalt der Nachprüfung festgesetzt wird oder eine Steueranmeldung einer Steuerfestsetzung unter Vorbehalt der Nachprüfung gleichsteht. 2 Steuervorteile sind auch Steuervergütungen; nicht gerechtfertigte Steuervorteile sind erlangt, soweit sie zu Unrecht gewährt oder belassen werden. 3 Die Voraussetzungen der Sätze 1 und 2 sind auch dann erfüllt, wenn die Steuer, auf die sich die Tat bezieht, aus anderen Gründen hätte ermäßigt oder der Steuervorteil aus anderen Gründen hätte beansprucht werden können

Steuerhinterziehung - Beispiele

Aus dem Gesetzeswortlaut wird deutlich, dass die Formen der Steuerhinterziehung vielfältig sein können. Auf privater Ebene finden sich häufig nicht deklarierte Zinseinnahmen sowie Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung. Auch überhöht angesetzte Werbungskosten bei den Fahrten zwischen Wohnung uns Arbeitsstätte durch zu hohe Kilometerangaben oder zu viel angesetzte Fahrten stellen eine Steuerhinterziehung dar. Im betrieblichen Bereich werden z. B. Einnahmen nicht verbucht (Schwarzgeld), Scheinrechnungen ausgestellt und Vorsteuern in zu großer Höhe geltend gemacht. Nicht selten wird durch Steuerpflichtige ferner die Situation unterschätzt, dass sie als Erbe auf die Entdeckung einer Steuerhinterziehung des Erblassers mit Nichtstun reagieren. Hier ist Vorsicht sowie die Konsultation eines Rechtsanwalts/Steuerberaters geboten, da der Erbe zur Meldung gegenüber dem Finanzamt verpflichtet ist, um eine eigene Strafbarkeit zu vermeiden. Siehe hierzu unseren Artikel zur Steuerhinterziehung von Erben.

Steuerstrafverfahren

Besteht für die Finanzbehörde der Verdacht einer Steuerstraftat, wird sie den Sachverhalt ermitteln. Im Regelfall unternimmt dies die Straf- und Bußgeldsachenstelle. Für den Steuerpflichtigen gilt dabei immer: Geben Sie zu keinem Zeitpunkt eine Stellungnahme gegenüber den Ermittlungsbehörden ab, ohne vorher mit einem Rechtsanwalt/Steuerberater gesprochen zu haben. Sie sind zu einer Aussage nicht verpflichtet. Im Steuerstrafrecht ist die Einschaltung eines erfahrenen Rechtsanwalts/Steuerberaters unseres Erachtens unerlässlich. Dies gilt umso mehr, als durch eigene Maßnahmen des Steuerpflichtigen in einer vermeintlich nicht so schwerwiegenden Angelegenheit der Finanzverwaltung häufig unbedarft weitere Anhaltspunkte geliefert werden.

Einstellung- Strafbefehl

Im weiteren Verlauf des Verfahrens kann die Behörde entweder das Verfahren einstellen (z. B. auch gegen Auflagen), einen Antrag an den Richter auf Erlass eines Strafbefehls stellen oder die Akten der Staatsanwaltschaft vorlegen. Der Staatsanwalt hat dann die Möglichkeit, das Verfahren einzustellen, einen Antrag auf Erlass eines Strafbefehls zu stellen oder die Anklage zu erheben. Die Form des Strafbefehls kommt immer dann in Betracht, wenn eine mündliche Hauptverhandlung nicht erforderlich ist. Diese Situation ergibt sich üblicherweise bei vollständig aufgeklärtem Sachverhalt. Vorteil des Strafbefehlverfahrens ist die Begrenzung der Höchststrafe auf maximal eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr, wenn deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird.

Strafbefreiende Selbstanzeige im Steuerrecht

Im Gegensatz zu den üblichen Strafverfahren beinhaltet das Steuerstrafrecht exklusiv eine Vorschrift, die es dem Steuerpflichtigen ermöglicht, vor Entdeckung einer von ihm bereits begangenen Steuerstraftat durch das Finanzamt ohne Strafe den Weg in die Legalität zurückzufinden: die Strafbefreiende Selbstanzeige bei vollständiger Zahlung aller hinterzogenen Steuern. In dieser Situation ist die Hilfe eines Rechtsanwalts/Steuerberaters dringend anzuraten, da in diesem Zusammenhang viele Fehler begangen werden können. Hier ist eine umfassende Beratung unerlässlich. Wir verweisen hierzu auf unser Thema im April, möchten aber auch an dieser Stelle nochmals umfangreich auf das Problem eingehen, da eine Reihe von Dingen beachtet werden müssen, damit die steuerstrafrechtliche Selbstanzeige auch wirksam ist:

  • Die strafbefreiende Selbstanzeige ist nur in den Fällen der vorsätzlichen Steuerhinterziehung nach § 370 AO möglich. Somit kommen andere Steuerstraftaten (Steuerhehlerei, gewerbsmäßige oder bandenmäßige Steuerhinterziehung) hierfür nicht in Betracht.

  • Die Formulierung der Selbstanzeige muss möglichst klar und vollständig alle Angaben über die Besteuerungsgrundlagen, z.B. die bisher nicht erklärten Zinsen oder Betriebseinnahmen, aufgeschlüsselt nach Veranlagungszeiträumen enthalten. Die steuerliche Beurteilung erfolgt dann durch das Finanzamt. Das Finanzamt muss aufgrund der Angaben in die Lage versetzt werden, die Steuern nachträglich durch geänderten Steuerbescheid zu erheben und eine bereits erfolgte Veranlagung zu berichtigen. Soweit vorhanden, sollten die entsprechenden Belege und Nachweise beigefügt werden. Möglich ist es jedoch auch, diese unter Fristankündigung nachzureichen. Die Selbstanzeige muss darüber hinaus vom Steuerpflichtigen oder von seinem dazu bevollmächtigten Rechtsanwalt/Steuerberater unterzeichnet sein. In den Fällen in denen die genauen Besteuerungsgrundlagen nicht angegeben werden können, weil kein Zahlenmaterial vorhanden ist, Unterlagen fehlen oder Zeitmangel – z.B. aufgrund einer bevorstehenden Betriebsprüfung – herrscht kann eine wirksame Selbstanzeige in der Form abgegeben werden, dass vorab eine begründete Schätzung der Besteuerungsgrundlagen aufgeschlüsselt nach Veranlagungszeiträumen abgegeben wird. Diese Schätzung sollte nicht zu niedrig sein, da nur in ihrem Umfang Straffreiheit eintreten kann. Später können die Werte unter Vorlage der Unterlagen - notfalls auch im Einspruchsverfahren – nach unten korrigiert werden. Nach oben kann eine straffreie Korrektur nur bis ca. 10% der erklärten Werte erfolgen.

  • Die Selbstanzeige kann schriftlich, mündlich, fernmündlich oder zu Protokoll des Finanzamtes abgegeben werden. Aus Beweisgründen empfiehlt sich jedoch immer die Schriftform. Es ist nicht erforderlich, dass die Anzeige als „Selbstanzeige“ bezeichnet wird. Wählt man für die Selbstanzeige die Form einer normalen Berichtigungserklärung, hat dies den Vorteil, dass bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes ein Schuldeingeständnis durch die Anzeige selbst vermieden wird. Ferner soll das Finanzamt Selbstanzeigen, die als solche bezeichnet oder erkennbar sind, der Straf- und Bußgeldsachenstelle in Kopie weiterleiten

  • Abzugeben ist die Selbstanzeige bei der für die entsprechende Veranlagung örtlich und sachlich zuständigen Behörde, z. B. beim zuständigen Finanzamt. Geht die Selbstanzeige bei einer unzuständigen Behörde ein (z.B. Polizei), tritt Straffreiheit nur ein, wenn sie rechtzeitig – vor Eingreifen eines Ausschlussgrundes – an die zuständige Behörde weitergeleitet wird. Sinnvoll ist ein Nachweis für den Eingang bei der Behörde, z.B. durch Zeugen beim persönlichen Einwurf in den Hausbriefkasten oder durch ein Einschreiben beim Postversand.

  • Bei Steuerstrafverfahren ist zwischen dem Steuerschuldverhältnis (was wäre zu zahlen gewesen?) und dem Strafverfahren (steuerstrafrechtliche Seite) zu unterscheiden. Die Wirkung der Selbstanzeige beschränkt sich auf die „strafrechtliche Seite“ einer Steuerstraftat. Die Nachzahlung der hinterzogenen Steuern bleibt davon unberührt. Von Interesse ist insofern die steuerstrafrechtliche Verjährung. Diese beträgt fünf Jahre und beginnt mit der Abgabe der unvollständigen oder falschen Steuererklärung. Nur für diesen Zeitraum ist die Abgabe einer Selbstanzeige sinnvoll. Im  Besteuerungsverfahren hingegen beträgt die Verjährung bei Steuerstraftaten zehn Jahre. Die Steuern müssen - nach entsprechender Festsetzung -  für diesen Zeitraum nachgezahlt werden. Einen Nutzen hat die Selbstanzeige für strafrechtlich verjährte Veranlagungszeiträume nicht, da eine Strafbarkeit aufgrund der Verjährung nicht mehr besteht.

  • In drei Fällen wirkt die Selbstanzeige nicht strafbefreiend. Hierzu zählt zunächst Das Erscheinen eines Amtsträgers der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung – z. B. Steuerfahndung oder Betriebsprüfung. Allein die Ankündigung einer Prüfung durch Übersendung der Prüfungsanordnung löst die Sperrwirkung noch nicht aus.  Die Sperrwirkung tritt erst ein, wenn der Prüfer zur Prüfung bei Ihnen erschienen ist. Nach Beendigung der Prüfung ist eine Selbstanzeige wieder möglich. Zweitens entfaltet die steuerstrafrechtliche Selbstanzeige keine Wirkung bei Bekantgabe der Einleitung eines Straf- und Bußgeldverfahrens gegenüber dem Täter oder seinem Bevollmächtigten. Und zuletzt macht die Entdeckung der Tat im Zeitpunkt der Berichtigung und Kenntnis des Täters von der Entdeckung bzw. dessen vorwerfbare Nichtkenntnis die Selbstanzeige sinnlos. Die Tat muss nicht unbedingt von einem Amtsträger entdeckt sein, jede andere Person als der Täter und dessen Vertrauenspersonen reicht aus. Der reine Verdacht genügt jedoch nicht. Es muss eine Konkretisierung dergestalt vorliegen, dass bei vorläufiger Bewertung mit einer Verurteilung wegen Steuerhinterziehung zu rechnen ist.

  • Ist die Selbstanzeige abgegeben, tritt Straffreiheit nur dann ein, wenn die hinterzogenen Steuern durch den Tatbeteiligten, zu dessen Gunsten sie hinterzogen wurden, binnen der vom Finanzamt gesetzten Frist nachentrichtet werden. Die Nachzahlung kann auch durch einen Mittäter, Gehilfen oder Unbeteiligten erfolgen. Dies bedeutet, in Fällen, in denen von Anfang an die erforderlichen finanziellen Mittel fehlen, ist die Selbstanzeige auf den ersten Blick sinnlos, da die beabsichtigte Straffreiheit nicht eintritt. Es ist jedoch zu bedenken, dass die Selbstanzeige hinsichtlich der späteren Strafzumessung strafmildernd berücksichtigt wird.

  • Als Folge der Selbstanzeige informiert das Finanzamt das Strafsachenfinanzamt, welches dann aus formalen Gründen regelmäßig ein Steuerstrafverfahren einleitet. Die Einleitung wird dem bekannt gegeben. Es besteht jedoch kein Grund zu irgendwelchen Befürchtungen. Die Einleitung eines Strafverfahrens nach Abgabe einer Selbstanzeige geschieht, um das Nachschieben weiterer Selbstanzeigen in dieser Angelegenheit zu unterbinden und die Zahlungsfrist zu überwachen. Ferner muss überprüft werden, ob schon Ausschlussgründe vor Eingang der Selbstanzeige vorlagen.

  • Eine wirksame Selbstanzeige bewirkt die Straffreiheit des Anzeigenden bezüglich der angezeigten Steuerhinterziehung. Ferner wirkt die Selbstanzeige eines zur Berichtigung verpflichteten, z.B. eines Erben oder gesetzlichen Vertreters, als so genannte „Fremdanzeige“ auch zugunsten  des Steuerpflichtigen.
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