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Thema Mai 2006: Berufsrecht / Beschlagnahme von Unterlagen beim Steuerberater

Irgendwann kann jeder Rechtsanwalt/Steuerberater mit einer Durchsuchungsmaßnahme durch die Steuerfahndung konfrontiert werden. Regelmäßig ist der Rechtsanwalt/Steuerberater hierbei selbst nicht Beschuldigter, sondern lediglich "Dritter" im Sinne der StPO. Dabei gilt es, bestimmte Verhaltensregeln einzuhalten, die nachfolgend dargestellt werden.  

 

Zeugnisverweigerungsrecht

 


 

Nach §§ 53, 53 a StPO haben Rechtsanwälte/Steuerberater und ihre Mitarbeiter im Steuerstrafverfahren gegen einen ihrer Mandanten - aufgrund des zwischen ihnen bestehenden geschützten Vertrauensverhältnisses - ein Zeugnisverweigerungsrecht.

 

Beschlagnahmeverbot

 

Der Gesetzgeber hat dieses Zeugnisverweigerungsrecht in § 97 StPO mit einem Beschlagnahmeverbot unterlegt, damit das Zeugnisverweigerungsrecht nicht durch die Beschlagnahme von Unterlagen beim Rechtsanwalt/Steuerberater umgangen werden kann. Unterlagen die das Vertrauensverhältnis zwischen Berater und Mandant betreffen sind demnach grundsätzlich vor dem Zugriff stattlicher Stellen geschützt.

Die damit im Zusammenhang stehenden Fragen im Bereich der Durchsuchung und Beschlagnahme gehören jedoch mit zu den umstrittensten steuerstrafrechtlichen Problemen.

 

Beschlagnahmefreie Unterlagen

 


 

Einem Beschlagnahmeverbot unterliegen unstreitig folgende Unterlagen und Sachen:

 

schriftliche Mitteilungen zwischem dem Berater, seinen Mitarbeitern und dem beschuldigten Mandanten darunter fallen:

 


○ sämtliche Korrespondenz,
○ Briefe im Original, in Kopie,
○ Faxe und
○ E-Mails

Aufzeichnungen des Rechtsanwalts/Steuerberaters und seiner Mitarbeiter über Mitteilungen des Mandanten oder Umstände, die den Mandanten betreffen. Darunter fallen unter anderem:

 


○ Aktenvermerke über Gespräche und Telefonate,
○ Notizen über Mitteilungen von Dritten, die den Mandanten betreffen.

Ton-, Bild- und Datenträger – soweit das Mandantenverhältnis berührt ist.

Andere Gegenstände, soweit sie das Mandantenverhältnis betreffen, z. B. Sachverständigengutachten zu steuerlichen oder anderen Fragen, die vom Mandanten in Auftrag gegeben wurden.

 


 

Ausnahmen vom Beschlagnahmeverbot

 


 

Von diesem Beschlagnahmeverbot gibt es jedoch drei Ausnahmen. Die zuvor genannten Unterlagen und Sachen unterliegen dann nicht dem Beschlagnahmeverbot, wenn:

 

  • dem Berater eine Beteiligung an der dem Mandanten vorgeworfenen Tat angelastet wird,
  • es sich bei den zu beschlagnahmenden Unterlagen und Sachen um strafverhaftete Gegenstände handelt, z. B. gefälschte Unterlagen oder
  • der Mandant den Rechtsanwalt/Steuerberater von seiner Schweigepflicht entbunden hat, da dann auch das Zeugnisverweigerungsrecht entfällt.

 

Hinweis für den Rechtsanwalt/Steuerberater:
Der Verdacht der Teilnahme des Beraters an der dem Mandanten vorgeworfenen Tat wird von den Ermittlungsbehörden häufig bejaht, um das Beschlagnahmeverbot umgehen zu können.

Folgendes ist zu beachten, um dieser Gefahr zu begegnen:

 

  • Der Verdacht muss schon bei der Beschlagnahme bestehen, er darf sich also nicht erst später durch die beschlagnahmten Unterlagen ergeben.
  • Der Verdacht muss auf bestimmten Tatsachen beruhen, bloße Vermutungen reichen nicht aus.
  • Allein die Mitwirkung an der objektiv falschen Steuererklärung reicht nicht aus, um einen konkreten Anfangsverdacht gegen den Steuerberater zu begründen. Vielmehr müssen Berater und Mandant grundsätzlich bewusst und gewollt zusammenwirken, um eine Steuerverkürzung zu bewirken.

 

Beschlagnahme von Bilanz- und Buchführungsunterlagen

 


 

Umstritten ist, ob und inwieweit Bilanz- und Buchführungsunterlagen (Belege etc.) des Mandanten, die sich in der Kanzlei des Rechtsanwalts/Steuerberaters befinden, beschlagnahmt werden dürfen. Auch die Rechtsprechung zu diesem Problemkreis ist bisher nicht einheitlich, es gibt zahlreiche unterschiedliche Entscheidungen der Landgerichte.

Folgende Punkte können jedoch als bestehend festgehalten werden:

 


 

  • Die überwiegende Meinung der Rechtsprechung und wohl auch in der Literatur hält die dem Rechtsanwalt/Steuerberater vom Mandanten überlassenen Geschäfts- und Buchführungsunterlagen grundsätzlich für beschlagnahmefähig, wenn der Berater lediglich die Buchführung des Mandanten erledigen soll. Begründung dafür ist, dass die buchführende Tätigkeit des Steuerberaters nicht zu dessen eigentlichen Berufsbild gehört, so dass diese Tätigkeit nicht von dem besonderem Vertrauensverhältnis umfasst ist.

  • Unterlagen und Belege, die dem Rechtsanwalt/Steuerberater überlassen wurden, damit er Jahresabschlüsse und Steuererklärungen erstellt sind beschlagnahmefrei, wenn sie noch zu der Erstellung der Abschlüsse und Erklärungen benötigt werden, die Arbeiten also noch nicht abgeschlossen sind. Diese Tätigkeiten gehören zum Kernbereich der steuerberatenden Tätigkeit und unterliegen daher dem Berufsgeheimnis des Steuerberaters.

 


 

Eine andere Auffassung sieht grundsätzlich alle Unterlagen als beschlagnahmefrei an, es sei denn, der beschuldigte Mandant hat die Unterlagen vor den Behörden beim Rechtsanwalt/Steuerberater versteckt.

 


 

Sofortmaßnahmen bei Beschlagnahme 

 


 

Bezweifelt der Berater die Rechtsmäßigkeit der Beschlagnahme, sollte er die Versiegelung der beschlagnahmten Unterlagen fordern. Dadurch erreicht er, dass die Unterlagen nicht ausgewertet werden, solange nicht über die Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme entschieden ist. Einen Anspruch auf Versiegelung hat der Rechtsanwalt/Steuerberater aber nur, wenn an der Durchsuchung beim ihm kein Staatsanwalt oder kein Beamter der Steuerfahndung teilnimmt, da diese das Recht haben Papiere durchzusehen. Gefordert werden sollte die Versiegelung - bei Zweifeln an der Rechtmäßigkeit der Beschlagnahme - jedoch immer.

 


 

Erfordernis der "Beschlagnahme"

 


 

Der Berater sollte die herausgesuchten oder gefundenen Unterlagen unbedingt beschlagnahmen lassen und die gefundenen Unterlagen nicht freiwillig herausgeben. Dies ist eine taktische Notwendigkeit. Nur gegen eine Beschlagnahme können Rechtsmittel eingelegt werden, wenn die Durchsuchung unzulässig sein sollte.

Die Durchsuchung einer Beraterpraxis und die Beschlagnahme von Mandatsunterlagen sollten in der Regel richterlich geprüft werden, um sich nicht dem Vorwurf aufzusetzen, die Interessen des Mandanten durch vorschnelle Mitwirkung verletzt zu haben. Auch die Erfüllung von Straftatbeständen, wie die Verletzung von Privatgeheimnissen gemäß § 203 StGB, können bei einer freiwilligen Herausgabe vorliegen.

 


 

Information der Mitarbeiter 

 


 

Jeder Rechtsanwalt/Steuerberater sollte Verhaltensregeln für seine Mitarbeiter erstellen. Ein unkalkulierbares Risiko ist es, wenn die Mitarbeiter nicht wissen, wie sie sich bei der Durchsuchung zu verhalten haben. Es kann zu gefährlichen spontanen Äußerungen kommen oder zur freiwilligen Herausgabe von Unterlagen.

Es sollte eine eindeutige Anweisung erstellt werden. Die Möglichkeit im Durchsuchungsfall zwischen verschiedenen Handlungsalternativen wählen zu können ist ungünstig. Begründungen für die Handlungsalternativen interessieren in dieser Stresssituation nicht.

 


 

Checkliste - Handlungsempfehlungen bei Durchsuchungen in der Beraterpraxis

 


 

  • Kopie des Durchsuchungsbeschlusses verlangen oder falls ein solcher nicht vorhanden ist, Darlegung der Gründe für das Vorliegen von Gefahr im Verzug verlangen. Der Durchsuchungsbeschluss hat eine kurze Darstellung des Sachverhalts zu enthalten, woraus sich die zu suchenden Gegenstände ableiten lassen. Ansonsten ist der Beschluss rechtswidrig.

  • Feststellung, ob Rechtsanwalt/Steuerberater selber beschuldigt oder lediglich unverdächtigter Dritter (Inhalt des Beschlusses) ist. Wenn der Berater Beschuldigter ist, dann benötigt er einen eigenen Verteidiger und zwar möglichst schnell; er unterliegt dann aber keinen durchsetzbaren Mitwirkungspflichten mehr.

  • Keine Einlassungen zum Mandanten oder zum Mandat etc. durch Berater und seine Mitarbeiter. Schweigen, schweigen, schweigen!

  • Der Durchsuchungsbeschluss ist verbraucht, wenn die dort bezeichneten Unterlagen gefunden wurden. Daher aktives Helfen, dass die Steuerfahndung die Unterlagen findet (Heraussuchen der Unterlagen während die Beamten im Besprechungszimmer warten). So wird bei einer Durchsuchung in der Praxis die Gefahr von Zufallsfunden vermieden.

  • Keine freiwillige Herausgabe von Unterlagen. Forderung der Beschlagnahme der Unterlagen.

  • Aufrechterhaltung einer ruhigen Atmosphäre. Vermeidung von Außenwirkungen. Auch im Beratungsverhältnis gilt die Unschuldsvermutung des Mandanten bis zum Nachweis des Gegenteils.
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