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Thema Juni 2006: Steuerstrafrecht, Steuerstrafverfahren, Steuerfahndung: Kontenabfrage europaweit

Am 02.02.2006 ist in Deutschland ein Gesetz zur Umsetzung des „Protokolls vom 16.10.2001 zu dem Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union" in Kraft getreten. Es ermöglicht den nationalen Strafverfolgungsbehörden - auch den Steuerfahndungsstellen - das Bestehen von Bankkonten inklusive Kontobewegungen und Empfängerkonten im europäischen Ausland zu erfragen. Der Rechtsanwalt/Steuerberater hat seine Mandanten entsprechechend zu beraten und die notwendigen Maßnahmen einzuleiten.

Außer Deutschland haben auch 14 weitere Länder das Protokoll umgesetzt; unter anderem Österreich, Dänemark, Finnland, Lettland, Litauen, Niederlande, Spanien, Ungarn u.a.  

Auf Grund der bisherigen Rechtslage war es innerhalb der Europäischen Union in aller Regel nicht möglich, Informationen zu Bankkonten zu erlangen, die den nationalen Strafverfolgungsbehörden unbekannt waren. Zwar kann jeder Staat Rechtshilfe gewähren, ohne dass es dafür einer bestimmten und spezifischen Rechtshilfeverpflichtung bedürfte. In der Regel wurden solche Rechtshilfeersuchen aber abgelehnt. Grundsätzlich möglich war bereits die Erforschung von Auslandskonten eines Beschuldigten durch die Strafverfolgungsbehörden, wenn die Konten - möglichst konkret mit Kontonummer - bereits bekannt waren. Nachforschungen ins Blaue hinein - so genannte Ausforschungsaufträge - waren nicht möglich.

Die Rechtslage hat sich nunmehr durch das Protokoll vom 16.10.2001 und dessen späteres Inkrafttreten geändert. Nunmehr können Ausforschungsaufträge Erfolg haben. Das Verfahren verläuft in drei Stufen:

  • auf der ersten Ebene werden die Bankkonten im EU-Ausland gesucht,
  • auf der zweiten Ebene werden diese Bankkonten durchsucht und
  • auf der dritten Ebene einer weitergehenden Überwachung unterworfen.

Im Einzelnen stellen sich die Regelungen wie folgt dar:

1. Auskunftsersuchen nach Bankkonten

Das Protokoll verpflichtet die Vertragsstaaten, auf Antrag in ihrem Gebiet bestehende Bankkonten ausfindig zumachen. Damit sind sie verpflichtet einen bestimmten Mechanismus einzurichten über den sie die beantragten Informationen zur Verfügung stellen können. Zeitaufwendige und kostenintensive Suchen muß der ersuchte Staat aber nicht vornehmen, sofern sie nicht in einem angemessenen Verhältnis zur Bedeutung und Dringlichkeit des Falles stehen.

Betroffen sind in erster Linie Konten, die der jeweilige Beschuldigte unterhält oder kontrolliert.

  • Mit „unterhalten" sind eigene Bankkonten des Beschuldigten gemeint. Dazu zählen auch aufgelöste Konten, soweit die gesetzlichen Aufbewahrungspflichten und -fristen in den einzelnen Mitgliedsstaaten dies erlauben. So sollen Umgehungen durch ständig wechselnde Kontobeziehungen verhindert werden kann.

 

  • Zu den von dem jeweiligen Beschuldigten „kontrollierten" Konten gehören Konten, die der Beschuldigte nicht selbst unterhält, sondern deren wirtschaftlicher Nutznießer er ist. Damit werden auch Konten erfaßt, die der Beschuldigte durch Dritte treuhänderisch - leider auch immer wieder durch Rechtsanwälte/Steuerberater - halten oder allgemein verwalten läßt, unabhängig davon, ob es sich bei diesen Dritten um natürliche oder juristische Personen handelt.

 

  • Betroffen sind schließlich auch Konten, für die der Beschuldigte nur eine Verfügungsbefugnis besitzt, soweit das Gesuch darauf Bezug nimmt.

Die Rechtshilfe wird nur für bestimmte Straftaten gewährt:

  • Straftaten die im ersuchenden Staat mit einer Höchststrafe von mindestens vier, im ersuchten Staat mit einer Höchststrafe von mindestens zwei, Jahren Freiheitsstrafe bedroht sind,
  • Straftaten nach Artikel 2 des Europol-Übereinkommens,
  • Straftaten, die durch Rechtsakte abgedeckt sind, welche sich auf den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften beziehen.

Neben der Bekämpfung der geplanten Straftaten des Terrorismus, Drogenhandel, Schleuserkriminalität und Korruption, kann die Regelung auch für einfache Steuerhinterziehung genutzt werden, z. B. im Verhältnis Deutschland zu Österreich.

Die Auskunftsersuchen müssen bestimmte Mindestangaben enthalten, z. B. warum das Ersuchen im ersuchenden Staat wahrscheinlich von wesentlichem Wert für die Aufklärung einer Straftat ist. Allerdings ist die Kenntnis eines bestimmten Kreditinstituts und damit die Nennung bestimmter Banken nicht notwendige Voraussetzung für die Stellung und Erledigung von Rechtshilfeersuchen, da damit gerade das Aufspüren von unbekannten Konten bezweckt wird. Strafverfolgungsbehörden sollen zwar möglicherweise betroffene Kreditinstitute benennen. Das Protokoll schränkt die Voraussetzungen aber mit dem Zusatz: „soweit dies möglich ist" ein. Reine Ausforschungsersuchen dürfen aber nicht gestellt werden. Im Pflichtkreis des ersuchenden Staates liegt es, zuvor eigene Ermittlungsmöglichkeiten ausgeschöpft zu haben.

2. Auskunftsersuchen nach Bankgeschäften

Ist ein bisher unbekanntes Konto bekannt geworden, können die darauf getätigten Bankgeschäfte überprüft werden. Diese Möglichkeit bestand jedoch auch schon nach der alten Rechtslage nach Einleitung eines Strafverfahrens. Geliefert werden in diesem Zusammenhang - und das ist neu - auch die Informationen zu den Empfängerkonten im Ausland. Damit betrifft das Auskunftsersuchen auch Konten von Personen, die in keiner Weise in Straftaten verstrickt sind.

3. Überwachungsersuchen

Die Mitgliedsstaaten sind verpflichtet ein System zu installieren, daß die Überwachung des gefundenen und bekannten Kontos für gewisse Zeit ermöglicht. Damit ist eine umfassende Überwachung von Bankkonten im EU-Ausland geschaffen worden. Die Regel ist jedoch umstritten, weil die fortlaufende Überwachung eines Bankkontos die Inanspruchnahme Dritter, d. h. der Kreditinstitute bedeutet. Sofern eine Überwachung nicht möglich ist, können mehrere Auskunftsersuchen hintereinander geschaltet werden. Die Verhältnismäßigkeit einer solchen Maßnahme hängt vom Art und Ausmaß der Straftat ab, wegen der die Ersuchen gestellt werden.

Die betroffenen Kreditinstitute dürfen weder den Inhaber des Bankkontos noch Dritte über die Maßnahmen unterrichten. In Deutschland ist dies z. B. durch Strafandrohung der §§ 257 ff. StGB gewährleistet. Die Maßnahmen laufen ohne Kenntnis des Betroffenen ab.

Besonderheit: Rechtshilfe in Strafsachen zwischen Deutschland und Österreich

Auf Grund der Neuregelung ist somit grundsätzlich Rechtshilfe in Strafsachen zwischen Österreich und Deutschland auch bei einfacher Steuerhinterziehung möglich. Schon vorher haben österreichische Gerichte in der Regel Rechtshilfe nur gewährt, wenn die deutschen Behörden im Rechtshilfeersuchen zumindest eine konkrete Bank benennen konnten. Diese einschränkenden Voraussetzungen können nach dem Inkrafttreten des Protokolls zwischen Deutschland und Österreich nicht mehr gelten. Dem steht das österreichische Bankgeheimnis nicht entgegen.

Fazit

Mit dem Protokoll vom 16.10.2001 haben die Mitgliedsstaaten der europäischen Union einen weiteren Schritt in Richtung einer europaweiten Strafverfolgung getan. Die deutschen Steuerfahndungsstellen haben schon öffentlich angekündigt, sich zukünftig vermehrt mit der Rechtshilfe in Strafsachen zu beschäftigen. Der Steuerpflichtige, der von den vorgenannten Regelungen betroffen sein kann, sollte hierzu unbedingt den rat des Rechtsanwalts/Steuerbaraters suchen.

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