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Thema August 2009: Erbrecht - Der Erbvertrag

Der Wunsch nach einer verbindlichen und rechtssicheren Regelung des eigenen Nachlasses wird in den letzten Jahren vermehrt an den Rechtsanwalt/Steuerberater herangetragen. Dabei bildet der Erbvertrag eine Lösung, die Unternehmern und vermögenden Privatpersonen vielfach nahegelegt werden kann. Die Grundlagen sollen nachfolgend erläutert werden.

Erbrechtliche Grundlagen

Eine Variante der Verfügung von Todes wegen ist der Erbvertrag. Im Unterschied zu einem Testament, bei dem es sich um eine einseitige Willenserklärung handelt, handelt es sich bei einem Erbvertrag um ein gegenseitiges Rechtsgeschäft. Daher müssen die Beteiligten geschäftsfähig sein, d.h. also das 18. Lebensjahr vollendet haben, um einen Erbvertrag wirksam schließen zu können. Das Vorliegen der Testierfähigkeit genügt nicht.

Bindung von Erblasser und Erbe

Der Abschluss eines Vertrages führt regelmäßig zu einer Bindung der Vertragsparteien an die getroffenen Vereinbarungen. Im Falle des Erbvertrages beschränkt das Gesetz die Bindungswirkung allerdings auf Erbeinsetzungen, Vermächtnisse und Auflagen. Wenn auch andere Inhalte erbvertraglich vereinbart werden können, so handelt es sich hierbei jedoch nur um einseitige Rechtsgeschäfte. Der Erbvertrag muss jedoch mindestens eine vertragsmäßige Verfügung, also Erbeinsetzung, Vermächtnis oder Auflage enthalten, da es sich ansonsten nicht um einen Vertrag sondern ein Testament handelt.

Hinweis für den Rechtsanwalt/Steuerberater

Der Vertragserbe erwirbt mit Abschluss des Vertrages ein Anwartschaftsrecht auf ein mögliches Erbe. Hierdurch wird auch ein schuldrechtlicher Anspruch auf den Erbanfall begründet. Ist ein Vermächtnis Gegenstand des Vertrages, handelt es sich nicht um eine Anwartschaft, sondern eine bloße Aussicht, die schuldrechtlich keinen Anspruch begründen kann.

Die erbvertraglich getroffenen Verfügungen binden den Erblasser und beschränken ihn fortan in seiner Testierfreiheit. Einseitige Verfügungen im Erbvertrag sind jederzeit frei widerrufbar.

Der Abschluss des Erbvertrages beseitigt alle bisherigen testamentarischen Verfügungen des Erblassers insoweit, als sie die nunmehr im Erbvertrag geregelten Rechte des Bedachten beeinträchtigen würden. Nachfolgende - das Recht des erbvertraglich Bedachten beeinträchtigende - Verfügungen von Todes wegen entfalten keine Wirksamkeit.

Hinweis für den Rechtsanwalt/Steuerberater:

Unter beeinträchtigenden Verfügungen versteht man alle diejenigen, die im Widerspruch zu dem Recht des Bedachten stehen. Ferner werden Verfügungen erfasst, welche die Rechte des Bedachten mindern, belasten oder beschränken, wie insbesondere Auflagen oder die Anordnung der Testamentsvollstreckung.

Vertragsparteien des Erbvertrages

Die Beteiligten eines Erbvertrages können - hier liegt der wesentliche Unterschied zum gemeinschaftlichen Testament - nicht nur Ehegatten oder Lebenspartner sein. In Betracht kommt jede beliebige geschäftsfähige Person.

Hinweis für den Rechtsanwalt/Steuerberater

Aufgrund der freien Wahl des Vertragspartners bietet sich diese Form der Erbeinsetzung insbesondere für Personen an, die ansonsten keine gegenseitige Erbenstellung eingenommen hätten, wie etwa die Partner einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft.

Notarielle Niederschrift

Ein wirksamer Abschluss des Erbvertrages erfordert zwingend die notarielle Niederschrift unter gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragspartner. Es findet also grundsätzlich keine Vertretung statt. Ausnahme hiervon ist der Fall, dass ein Beteiligter ausschließlich eine einseitige Verfügung des Erblassers annimmt.

Eine amtliche Verwahrung wie bei dem notariellen Testament können die Beteiligten ausschließen. Der Vertrag wird dann durch den Notar verwahrt. Mit Eintritt des Erbfalls ist der Vertrag dann an das Nachlassgericht zu überstellen.

Wird der Erbvertrag im Verbund mit einem Ehevertrag geschlossen, ist die Form des Ehevertrages ausreichend.

Änderungsvorbehalt

Ähnlich wie bei einem gemeinschaftlichen Testament, kann auch bei einem Erbvertrag ein Änderungsvorbehalt vereinbart werden, der die gesetzlichen Bestimmungen entweder verschärft oder lockert.

Hinweis für den Rechtsanwalt/Steuerberater

Die Aufnahme eines Änderungsvorbehalts in den Erbvertrag ist zwar von der Rechtsprechung bestätigt worden, jedoch haben die Gerichte der Reichweite eines solchen Vorbehalts Grenzen gesetzt. So kann es etwa nicht zu einem Totalvorbehalt kommen, der alle Verfügungen des Erbvertrages umfasst und dem Erblasser somit die Möglichkeit eröffnet, jederzeit einseitig die vertraglichen Bestimmungen aufzuheben. Damit muss im Ergebnis wenigstens eine vertragsmäßige Verfügung bindend bleiben, um eine Abgrenzung von einem Testament vornehmen zu können.

Rücktrittsvorbehalt

Erbvertraglich vereinbart werden kann ferner ein Rücktrittsvorbehalt oder ein Rücktrittsrecht. Die Rahmenbedingungen für einen solchen Vorbehalt sind zwischen den Vertragsparteien frei vereinbar.

Hinweis für den Rechtsanwalt/Steuerberater

Hauptanwendungsfall für einen solchen Rücktrittsvorbehalt ist ein mögliches Scheitern der Beziehung zwischen den Partnern einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft. Gleiches gilt für Ehegattenerbverträge.

Auflösende Bedingung

Die Verfügungen eines Erbvertrages können auch unter eine auflösende Bestimmung gestellt werden. Gerade in dem vorerwähnten Fall einer Partnerschaft kommt alternativ zu einem Rücktrittsvorbehalt in Betracht, den Erbvertrag unter die auflösende Bedingung der Beendigung der Gemeinschaft zu stellen.

Eingeschränkte Verfügungsfreiheit des Erblassers

Dem Erblasser steht es auch nach Abschluss eines Erbvertrages grundsätzlich frei, zu Lebzeiten über sein Vermögen zu verfügen.

Eingeschränkt wird diese Verfügungsfreiheit allerdings insoweit, als der Erblasser Schenkungen in der Absicht vornimmt, den Vertragserben zu beeinträchtigen. In diesem Fall steht es dem Vertragserben nach Eintritt des Erbfalls zu, von dem Beschenkten die Herausgabe nach den Vorschriften der ungerechtfertigten Bereicherung zu verlangen.

Verfügt der Erblasser in der Absicht, den Bedachten zu beeinträchtigen, über einen Gegenstand, der erbvertraglich einem Vermächtnis unterliegt oder beschädigt oder beseitigt er diesen Gegenstand in Schädigungsabsicht, ist dem Bedachten durch die Erben der Gegenstand soweit möglich zurückzuverschaffen oder Wertersatz zu leisten.

Beseitigung erbvertraglicher Bindungen

Zu Lebzeiten der Vertragspartner stehen - wenn auch nur eingeschränkt - rechtliche Mittel zur Beseitigung der Folgen eines Erbvertrages zur Verfügung.

Aufhebung durch Vertrag

Es steht den Parteien des Erbvertrages frei, die Vereinbarungen insgesamt oder auch nur in Teilen durch eine vertragliche Regelung wieder aufzuheben. Hierzu bedarf es wie beim Abschluss des Erbvertrages der notariellen Form unter gleichzeitiger Anwesenheit der Vertragspartner. Einseitige Verfügungen können jederzeit durch den Verfügenden aufgehoben werden.

Hinweis für den Rechtsanwalt/Steuerberater

Handelt es sich bei dem Erblasser um einen Minderjährigen, so bedarf die Aufhebung des von ihm abgeschlossenen Erbvertrages nicht der Zustimmung der gesetzlichen Vertreter, da sich der Minderjährige nur von einer Verpflichtung befreit.

Anders ist es, wenn der Minderjährige Vertragserbe war, also sein Anwartschaftsrecht durch die Aufhebung verlieren würde.

Eine Sonderform der Aufhebung stellt die übereinstimmende Rücknahme des Erbvertrages aus der amtlichen oder notariellen Verwahrung dar, wenn der Erbvertrag ausschließlich Verfügungen von Todes wegen enthält.

Die Rückgabe kann nur an alle Vertragsschließenden gemeinschaftlich und gleichzeitig erfolgen. Mit der Rücknahme aus der Verwahrung gilt der Erbvertrag vollumfänglich als widerrufen.

Aufhebung durch Testament

Beschränkt sich der Aufhebungswunsch allein auf vertragsmäßige Vermächtnisse oder Auflagen, kann der Erblasser diese Verfügungen auch durch ein eigenhändiges Testament aufheben. Dazu ist jedoch die Zustimmung des Vertragspartners notwendig, welche zu ihrer Wirksamkeit in notarieller Form abgegeben werden muss.

Hinweis für den Rechtsanwalt/Steuerberater

Solange der Vertragspartner die Zustimmung nicht erteilt hat, kann der Erblasser sein Testament mit der Aufhebungserklärung widerrufen.

Aufhebung durch gemeinschaftliches Testament 

Personen, die ein gemeinschaftliches Testament errichten können, also Ehegatten und eingetragene Lebenspartner, können durch gemeinschaftliches Testament einen zwischen ihnen geschlossenen Erbvertrag wieder aufheben. Dazu ist es nicht notwendig, dass die Partner bereits im Zeitpunkt des Abschlusses des Erbvertrages verheiratet oder eingetragene Lebenspartner waren.

Das gemeinschaftliche Testament zum Zwecke der Aufhebung des Erbvertrages kann wiederum selber durch erneutes gemeinschaftliches Testament, durch Erbvertrag oder Aufhebungsvertrag aufgehoben werden.

Hinweis für den Rechtsanwalt/Steuerberater

Ein Aufhebungstestament ist in jeder zulässigen Form des gemeinschaftlichen Testaments  zu errichten. Das Aufsetzen übereinstimmender Einzeltestamente genügt demnach nicht.

Rücktritt vom Erbvertrag

Unter gewissen Voraussetzungen kann der Erblasser vom Erbvertrag zurücktreten. Hierzu ist eine notarielle Beurkundung erforderlich, die Urkunde muss daraufhin dem Vertragspartner zugehen.

Als Gründe für einen Rücktritt kommen in Betracht:

  • Rücktrittsvorbehalt

Hat sich der Erblasser im Erbvertrag den Rücktritt vom Vertrag vorbehalten, so kann er diesen gegenüber den anderen Vertragsparteien durch notarielle Beurkundung erklären.

  • Verfehlung des Bedachten

Ein Recht zum Rücktritt steht dem Erblasser ferner dann zu, wenn sich der Bedachte einer solchen Verfehlung schuldig macht, die den Erblasser auch zur Entziehung des Pflichtteils berechtigt, oder, falls es sich bei dem Bedachten kein Pflichtteilsberechtigter ist, zu einer Entziehung berechtigen würde.

Das Rücktrittsrecht kann danach nur eine vorsätzliche körperliche Misshandlung, ein Verbrechen oder andere schwere Verfehlungen begründen.

  • Wegfall wiederkehrender Leistungen

War der Bedachte dem Erblasser gegenüber rechtsgeschäftlich zur Erbringung wiederkehrender Leistungen verpflichtet, z. B. zur Leistung von Unterhalt oder einer Rente, kann der Erblasser von einem Erbvertrag zurücktreten, wenn die Leistungsverpflichtung vor dem Tod des Erblassers entfällt.

Hinweis für den Rechtsanwalt/Steuerberater:

Grundlage dieses Rücktrittsrechts ist der Umstand, dass zwischen Erbvertrag und Leistungsverpflichtung kein Gegenseitigkeitsverhältnis besteht, welches automatisch den Wegfall der Pflicht aus dem Erbvertrag bei Wegfall der Leistungspflicht bedeuten würde. Hiervon ist nur auszugehen, wenn der Erbvertrag unter der Bedingung der Leistungsverpflichtung geschlossen wurde.

Dies bedeutet demzufolge auch, dass der Rücktritt vom Erbvertrag nicht schon bei Nichterbringung der wiederkehrenden Leistungen erfolgen kann.

Anfechtung

Bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen besteht die Möglichkeit der Anfechtung des Erbvertrags. Als Anfechtungsgründe kommen in Betracht:

  • Der Erblasser hat sich über Inhalt oder Bindungswirkung des geschlossenen Erbvertrages geirrt;
  • Der Erblasser wurde durch Täuschung oder Drohung zum Abschluss des Erbvertrages gezwungen;
  • Dem Erblasser war ein Pflichtteilsberechtigter im Zeitpunkt des Abschlusses des Vertrages nicht bekannt bzw. der Pflichtteilsberechtigte hat seinen Anspruch erst später erlangt und der Berechtigte wurde durch den Erbvertrag übergangen.

Die Anfechtung unterliegt einer Frist von einem Jahr ab Kenntnis des Anfechtungsgrundes bzw. ab Wegfall der Drohung. Dabei genügt Kenntnis der zugrunde liegenden Tatsachen und nicht rechtliche Kenntnis der Anfechtbarkeit.

Die Anfechtungserklärung ist notariell zu beurkunden und dem Vertragspartner durch Ausfertigung bekannt zu geben.

Hinweis für den Rechtsanwalt/Steuerberater

Aus Beweisgründen bietet sich für die Übermittlung der Ausfertigung die Zustellung durch einen Gerichtsvollzieher an.

Die Anfechtung einer Verfügung zugunsten eines Dritten nach dem Tod des Vertragspartners erfolgt gegenüber dem Nachlassgericht.

Unwirksamkeit

Haben beide Parteien im Erbvertrag vertragsmäßige Verfügungen getroffen, so bedeutet die Nichtigkeit einer dieser Verfügungen die Unwirksamkeit des ganzen Vertrages.

Vertragsmäßige Verfügungen entfallen ferner aufgrund Unwirksamkeit, wenn Ehegatten, Verlobte oder Lebenspartner einen Erbvertrag geschlossen hatten und die Ehe, das Verlöbnis oder die Lebenspartnerschaft aufgelöst wird.

Steuerliche Folgen: Erbschaftsteuer und Einkommensteuer

Die steuerlichen Konsequenzen aus einem Erbvertrag sind so vielfältig wie die dort möglichen Regelungen. Dabei kann es sowohl zu Berührungen mit der Erbschaftsteuer wie auch mit der Einkommensteuer kommen. Die umfassende Beratung durch den Steuerberater/Rechtsanwalt ist daher unerlässlich und muss bereits in der Gestaltungsphase des Erbvertrags erfolgen.

 

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