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Sonderinfo II: GmbH-Geschäftsführer in der Unternehmenskrise

In Zeiten wirtschaftlicher Krisen befinden sich Geschäftsführer in einer stark risikobehafteten Situation. Dabei geht es um die Themen Haftung, Insolvenz und Sanierung und leider auch immer wieder um das Straf- und Steuerstrafrecht. In Zusammenarbeit mit dem Rechtsanwalt/Steuerberater können regelmäßig die Gefahren erkannt und die richtigen Schritten eingeleitet werden.

Inhalt

I. Überwachungspflicht des Geschäftsführers

1. Übersicht über die Vermögenslage

2. Liquiditätsmanagement

3. Krisenanzeichen

4. Durchführung einer Insolvenzprüfung

II. Gesellschaftsrechtliche Pflichten des Geschäftsführers in der Unternehmenskrise

1. Sanierungspflicht und Sanierungsfähigkeitsanalyse

2. Sofortmaßnahmen zur Beseitigung der Insolvenzreife

3. Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung

4. Schutz des Stammkapitals

5. Pflicht zur Masseerhaltung: Zahlungsverbot

6. Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen

7. Bedienung von Steuerverbindlichkeiten

8. Amtsniederlegung

9. Insolvenzantragspflicht

III. Haftung des Geschäftsführers in der Unternehmenskrise

1. Persönliche Haftung

2. Haftung gegenüber der Gesellschaft

3. Haftung gegenüber den Gesellschaftern

4. Haftung gegenüber den Gläubigern der GmbH

5. Haftung für Sozialversicherungsbeiträge

6. Haftung für Steuerverbindlichkeiten

7. Strafrechtliche Haftung

8. Enthaftung oder Versicherung

IV. Sanierungsmöglichkeiten zur Vermeidung der Insolvenz

1. Forderungsverzicht

2. Rangrücktritt

3. Patronatserklärung

4. Stundung

5. Aufnahme von Krediten

6. Kapitalmaßnahmen

7. Einräumung von Wandelgenussrechten

8. Aufnahme eines stillen Gesellschafters

 

Jeder Insolvenz geht i. d. R. eine Krise des Unternehmens voraus. Die typischen Kennzeichen sind oft über einen längeren Zeitraum erkennbar. Mit dem Eintritt der rechtlichen Krise beginnt für GmbH-Geschäftsführer ein enormes zivilrechtliches und strafrechtliches Haftungsrisiko. Daher ist es - nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen - unerlässlich, dass der Geschäftsführer die Merkmale der Krise, die Haftungsrisiken und die Handlungsmöglichkeiten kennt und frühzeitig rechtlichen Beistand sucht.

Der Begriff der rechtlichen Krise wird je nach Haftungstatbestand unterschiedlich definiert.  Grundsätzlich wird eine Krise angenommen, wenn die GmbH kreditunwürdig ist, d. h. sie ist entweder überschuldet oder erhält von Dritten keinen Kredit zu marktüblichen Bedingungen mehr, und sie müsste ohne Zuführung von finanziellen Mitteln liquidiert werden.

Die rechtlichen Krisenbegriffe:

1.        Insolvenzrechtliche Krise: Eintritt der Insolvenzgründe, d. h. Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.

2.        Strafrechtliche Krise: Eintritt der Insolvenzgründe, d. h. Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung.

3.        Krise im Sinne des Eigenkapitalersatzrechts: Zeitpunkt, in dem die Gesellschafter als ordentliche Kaufleute der GmbH Eigenkapital zuführen müssen. Wichtig: Im Oktober 2008 wurde aufgrund der allgemeinen Finanzkrise der bis 1994 geltende zweistufige Überschuldungsbegriff wieder eingeführt. Demnach liegt bei einer rechnerischen Überschuldung eine solche im Sinne des Insolvenzrechts nicht vor, wenn das betroffene Unternehmen eine positive Fortführungsprognose darlegen kann.

I. Überwachungspflicht des Geschäftsführers

1. Übersicht über die Vermögenslage

Der Geschäftsführer einer GmbH muss stets die wirtschaftliche Situation der GmbH überblicken. Zu diesem Zweck muss der Geschäftsführer ein System einrichten, das es ihm ermöglicht, alle für die wirtschaftliche Lage der GmbH erforderlichen Daten zu erhalten und auszuwerten. Das System muss regelmäßig auf seine Effizienz überprüft und ggf. angepasst werden. Es sollte umfassen:

  • ordnungsgemäße Buchführung und Rechnungslegung,
  • Reporting,
  • laufende Überwachung der Kreditgeschäfte,
  • Markt- und Konkurrenzbeobachtung,
  • Beobachtung des Verhaltens von Kunden und Lieferanten,
  • Berechnung und Überwachung des Bedarfs an liquiden
  • Mitteln und Liquiditätsplanung,
  • Kontrollmechanismus vor dem Abschluss riskanter Geschäfte.

2. Liquiditätsmanagement

Ein gutes Liquiditätsmanagement ist unabdingbar für die Existenzsicherung der Gesellschaft. Die Liquidität eines Unternehmens ergibt sich aus:

  • Kassenbestand,
  • Kontoguthaben,
  • Kreditlinien,
  • Mitteln und Vermögensgegenständen, die kurzfristig in Liquidität gewandelt werden können, wie z. B. Aktien, Termingelder.

Das Managementsystem sollte umfassen:

  • Liquiditätsplanung: Verlauf der Zahlungsströme (Ein-/Auszahlungen);
  • Liquiditätssteuerung: Steuerung liquider Mittel durch Cash Management,
  • Liquiditätskontrolle: Überwachung der Liquidität, Soll-Ist-Analyse zur Prüfung des Zusammenspiels von Liquiditätsplanung und -steuerung.

Eine Liquiditätskrise wird angenommen, wenn das Unternehmen nicht mehr über ausreichende liquide Mittel verfügt, um die fälligen Verbindlichkeiten zu tilgen.

3. Krisenanzeichen

Wenn die rechtliche Krise eintritt, ist die wirtschaftliche Krise eines Unternehmens meist schon weit fortgeschritten. Regelmäßig wurden die Anzeichen der Krise nicht (richtig) erkannt, oder es wurde ihnen nicht ausreichend entgegengewirkt. Typische und meist kumulativ auftretende Anzeichen sind zu finden

  • im gesellschaftsinternen Bereich (z. B. Eintritt neuer Gesellschafter, Änderung des Firmensitzes, Rückforderung von Gesellschafterdarlehen),
  • im Rechnungswesen (z. B. Änderung der Bilanzierungsgrundsätze, verzögerte Buchführung, Einschränkung des Testats),
  • im Verhalten von Lieferanten, Kunden und Banken (z. B. Zahlung von Lieferantenrechnungen erst nach Mahnungen, ständige Überziehung der KK-Linie, Abhängigkeit von einzelnen Lieferanten und Kunden),
  • im Produktionsbereich (z. B. kurzfristige Änderung der Produktpalette) sowie
  • im Mitarbeiterbereich (z. B. Kurzarbeit, Widerruf freiwilliger Leistungen, hohe Fluktuation).

4. Durchführung einer Insolvenzprüfung

Der Geschäftsführer der GmbH ist verpflichtet, spätestens drei Wochen nach Eintritt eines Insolvenzgrundes den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens zu stellen; anderenfalls drohen straf- und zivilrechtliche Sanktionen wegen Insolvenzverschleppung.

4.1 Insolvenzgrund Zahlungsunfähigkeit

Zahlungsunfähigkeit liegt vor, wenn das Unternehmen nicht nur vorübergehend seine fälligen Zahlungsverpflichtungen nicht erfüllen kann. Können die Zahlungen innerhalb von drei Wochen erfüllt werden, spricht man von einer nur vorübergehenden Zahlungsstockung. Zur Prüfung der Zahlungsunfähigkeit ist ein Finanzstatus zu erstellen. In diesem sind die liquiden bzw. innerhalb von maximal drei Wochen verfügbaren Zahlungsmittel einerseits den fälligen bzw. in diesem Zeitraum fällig werdenden Verbindlichkeiten andererseits gegenüberzustellen, und zwar jeweils aufgeschlüsselt nach Liquiditätsstufe bzw. Fälligkeit sowie kurz-, mittel- und langfristige Finanzierungsreserven. Die Höhe einer dabei festgestellten Finanzierungslücke entscheidet über die Insolvenzantragspflicht:

  • Liquiditätslücke < 10 % der Gesamtverbindlichkeiten
  • keine Zahlungsunfähigkeit, es sei denn, die Vergrößerung der Liquiditätslücke ist absehbar.
  • Liquiditätslücke ≥ 10 % der Gesamtverbindlichkeiten
  • Zahlungsunfähigkeit, es sei denn, es ist mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine Beseitigung der Liquiditätslücke zu erwarten.

4.2 Insolvenzgrund Überschuldung

Im Rahmen des sog. Finanzmarktstabilisierungsgesetzes ist im Oktober 2008 die Insolvenzordnung u. a. im Bereich des Überschuldungsbegriffs geändert worden. Dadurch werden finanziell angegriffene Unternehmen mit kurzfristigen Zahlungsengpässen nicht zur Insolvenz gezwungen, wenn sie mittelfristig ihre Verbindlichkeiten begleichen können. Nach dem alten Wortlaut der Insolvenzordnung (§ 19 Abs. 2 InsO) lag eine Überschuldung vor,

„wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt. Bei der Bewertung des Vermögens des Schuldners ist jedoch die Fortführung des Unternehmens zugrunde zu legen, wenn diese nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich ist."

Danach erfolgte die Überschuldungsprüfung in zwei Schritten:

Schritt 1: Fortführungsprognose

  • Prüfung des Unternehmenskonzepts auf seine Eignung zur finanziellen Sicherung des Unternehmens.
  • Stichhaltiger Finanzplan für einen Zeitraum von mindestens einem Jahr bzw. bis Ende des Geschäftsjahres.

Schritt 2: Überschuldungsbilanz ≠ Handelsbilanz

  • Bilanzierung aller im Falle einer Liquidation vorhandenen und verwertbaren Vermögensgegenstände.
  • Bei negativer Fortführungsprognose: Bilanzierung mit Liquidationswerten.
  • Bei positiver Fortführungsprognose: Bilanzierung mit Fortführungswerten.

Nach dem neuen Wortlaut der InsO liegt eine Überschuldung vor, „wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich."

Damit müssen Unternehmen, die zwar nicht kurz-, aber voraussichtlich mittelfristig in der Lage sein werden, ihre Schulden zu tilgen, beim Vorliegen einer temporären bilanziellen Unterdeckung noch keinen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens stellen. Durch diese modifizierte zweistufige Überschuldungsprüfung sollen in Krisenzeiten an sich gesunde Unternehmen die Chance zur Sanierung erhalten.

Hinweis vom Rechtsanwalt/Steuerberater:

Damit kann z. B. ein neuer Großauftrag, eine Produktinnovation oder ein zusätzliches Marktsegment, die in naher Zukunft absehbare Zahlungseingänge nach sich ziehen, den Gang zum Insolvenzgericht vermeiden.

II. Gesellschaftsrechtliche Pflichten des GmbH-Geschäftsführers in der Unternehmenskrise

1. Sanierungspflicht und Sanierungsfähigkeitsanalyse

Bei Anzeichen einer Krise muss der Geschäftsführer handeln. Er muss einen Sanierungsplan erstellen und prüfen, ob die Gesellschaft noch sanierungsfähig ist. Bestandteile des Sanierungsplans sind:

  • Gewinn- und Verlustrechnung,
  • Bilanz,
  • Finanzplan,
  • Analyse der Krisenursachen,
  • Sanierungsmaßnahmen und Sanierungsprognose.

Für die Beurteilung der Sanierungsfähigkeit kommt es auf die Sicht eines objektiven Betrachters und nicht auf die subjektive Meinung des Geschäftsführers oder der Gesellschafter an. Die GmbH ist sanierungsfähig, wenn sie nach Durchführung des Sanierungsplans mit hinreichender Wahrscheinlichkeit aus eigener Kraft am Markt nachhaltig Einnahmeüberschüsse erwirtschaften kann, und zwar in einem überschaubaren Zeitrahmen.

2. Sofortmaßnahmen zur Beseitigung der Insolvenzreife

Sofortmaßnahmen zielen auf die schnelle Verbesserung der Liquidität und eine Stärkung der Kapitalstruktur:

  • Forderungsmanagement, insbesondere verstärktes Eintreiben von Außenständen;
  • Kapitalzufuhr durch (neue) Gesellschafter, z. B. Einzahlung in Rücklagen, Finanzplandarlehen, neue Teilhaber;
  • Senkung von Betriebskosten;
  • Abbau von Lagerbeständen;
  • Verhandlung mit Geschäftspartnern und Banken über Stundung, Forderungserlass etc.

3. Einberufung einer außerordentlichen Gesellschafterversammlung

Der Geschäftsführer der GmbH muss unverzüglich eine Gesellschafterversammlung einberufen, wenn die Hälfte des Stammkapitals verloren ist. Insbesondere darf er nicht abwarten, bis eine Jahres- oder Zwischenbilanz vorliegt. Er muss die Gesellschafterversammlung im Zweifel schon dann einberufen, wenn Merkmale einer kritischen Entwicklung feststellbar sind. Diese Pflicht besteht allerdings nicht bei einer Ein-Personen-GmbH oder wenn alle Gesellschafter zugleich Geschäftsführer sind.

4. Schutz des Stammkapitals

4.1 Auszahlungsverbot und Erstattungsanspruch

Das zur Erhaltung des Stammkapitals der GmbH erforderliche Vermögen darf zu keiner Zeit an die Gesellschafter ausgezahlt werden. D. h., Auszahlungen an Gesellschafter, durch die das bilanzielle Gesellschaftsvermögen unter die Stammkapitalziffer (weiter) absinkt, sind verboten. Dies können z. B. sein:

  • Gewinn(vorab)ausschüttungen,
  • Zahlungen von Zinsen auf Einlagen oder Darlehen,
  • Zahlung überhöhter Bezüge an Gesellschafter-Geschäftsführer
  • Rückzahlung eigenkapitalersetzender Gesellschafterdarlehen (dazu ausführlich unter Kap. II. 4.2).

Der Geschäftsführer haftet neben dem Gesellschafter gegenüber der Gesellschaft für Verstöße gegen dieses Zahlungsverbot. Die Haftung ist auf die Wiederauffüllung des Stammkapitals, also Beseitigung der Unterbilanz, gerichtet. Das sog. MoMiG (Gesetz zur Modernisierung des GmbHRechts und zur Bekämpfung von Missbräuchen) hat im Bereich der (un)zulässigen Auszahlungen aus dem Stammkapitel allerdings zu zwei Einschränkungen geführt. Demnach liegt seit November 2008 kein Verstoß gegen die Kapitalerhaltungspflicht mehr vor, wenn bzw. soweit die Auszahlung

  • durch einen vollwertigen und durchsetzbaren Anspruch auf Gegenleistung oder Rückgewährt gedeckt ist oder
  • aufgrund eines Beherrschungs- oder Gewinnabführungsvertrags erfolgt.

4.2 Eigenkapitalersatz

4.2.1 Rechtslage bis Oktober 2008

Die sog. Eigenkapital ersetzenden Leistungen waren bisher ein klassisches Problem in der Krise der GmbH. Eigenkapitalersatz bedeutete, dass Fremdkapital in der Krise in Eigenkapital umqualifiziert wurde und grundsätzlich nicht zurückgezahlt werden durfte. Das betraf insbesondere

  • Gesellschafterdarlehen (Geld- und Sachdarlehen einschließlich Zins- und Nebenforderungen),
  • sonstige Leistungen des Gesellschafters an die Gesellschaft (z. B. Gebrauchsüberlassung von Räumen, Maschinen oder Personal),
  • Besicherungen von Leistungen Dritter an die Gesellschaft durch einen Gesellschafter (z. B. Bürgschaft für einen Bank- oder Lieferantenkredit bzw. alle anderen Real- und Personalsicherheiten) und
  • Darlehen und Leistungen an die Gesellschaft durch dem Gesellschafter gleichgestellte Personen (z. B. Angehörige, mittelbare Beteiligte, Treuhänder, Nießbraucher oder verbundene Unternehmen).

Erfolgte eine der vorgenannten Leistungen in der Krise an die Gesellschaft, fanden die Regeln über den Eigenkapitalsersatz Anwendung. Die Leistung in wirtschaftlich gesunden Verhältnissen hatte ebenfalls Eigenkapital ersetzende Wirkung, wenn diese trotz der zwischenzeitlich eingetretenen Krise und trotz der Möglichkeit, die Gegenstände abzuziehen, weiter der Gesellschaft überlassen wurden (Stehen lassen), beispielsweise nicht entnommener Gewinn oder an Gesellschafter-Geschäftsführer nicht ausgezahltes Gehalt. Leistungen jedweder Art an Gesellschafter, nahe Angehörige, verbundene Unternehmen etc. in der Krise bargen für den Geschäftsführer immer das Risiko, auf Rückzahlung - meist durch den Insolvenzverwalter - persönlich in Anspruch genommen zu werden. Unschädlich waren und sind allerdings Zahlungen immer dann, wenn sie mit der Sorgfalt eines ordentlichen oder gewissenhaften Geschäftsleiters vereinbar sind, insbesondere in Erfüllung vorteilhafter Verträge, die auch ein Insolvenzverwalter leisten würde, um einen höheren Schäden aus einer sofortigen Betriebseinstellung abzuwenden.

4.2.2 Rechtslage ab November 2008

Infolge des MoMiG wurde das Eigenkapitalrecht grundlegend reformiert. Für Geschäftsführer bedeutet dies tendenziell eine Entlastung. So werden nunmehr insbesondere die Gesellschafterdarlehen in der Krise nicht mehr als materielles Eigenkapital, sondern stets als Verbindlichkeit behandelt. Vom Gesellschafter können sie in der Insolvenz (nur) als nachrangige Insolvenzforderung geltend gemacht werden. Forderungen auf Rückgewähr von Gesellschafterdarlehen sind nicht im Überschuldungsstatus zu passivieren, soweit ein wirksamer Rangrücktritt hinter die nachrangigen Insolvenzgläubiger vereinbart wurde.

Hinweis vom Rechtsanwalt/Steuerberater:

Durch eine Rangrücktrittserklärung kann damit eine Überschuldungssituation und der Eintritt des Insolvenzgrundes vermieden werden. Wird ein Gesellschafterdarlehen trotz eines Rangrücktritts zurückgezahlt, haftet der Geschäftsführer nicht persönlich. Die Rückzahlung kann vielmehr (nur) über eine Insolvenzanfechtung eingefordert werden. Dies wiederum ist dem Insolvenzverwalter allerdings nur möglich, soweit Rückzahlungen innerhalb eines Jahres vor dem Insolvenzantrag oder nach diesem erfolgt sind. Wurden dem Gesellschafter innerhalb von zehn Jahren vor Insolvenzantragstellung (oder danach) Sicherheiten gewährt, sind diese ebenfalls anfechtbar. Eigenständigen Haftungsgefahren setzt sich der Geschäftsführer bei anfechtbaren Rückzahlungen innerhalb der Jahresfrist aber in Zukunft nicht mehr aus.

Hinweis vom Rechtsanwalt/Steuerberater:

Geschäftsführer sollten aber die weiter gültige Haftungsgefahr nicht übersehen, wonach sie der strengen Folge der Insolvenzantragspflicht unterliegen, falls die Rückzahlung an den Gesellschafter erst die Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft begründet. Die Weiternutzung der von Gesellschaftern überlassenen Vermögensgegenstände kann der Insolvenzverwalter ab Verfahrenseröffnung jetzt nur noch für maximal ein Jahr verlangen, wenn der Gegenstand zudem für die Fortführung der GmbH von erheblicher Bedeutung ist. Hierfür steht dem Gesellschafter eine Vergütung (= Masseverbindlichkeit) zu, die sich nach dem Durchschnitt der tatsächlich geleisteten Vergütungen innerhalb des letzten Jahres vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens bemisst.

4.3 Sonderfälle: Sanierungsprivileg und Finanzplandarlehen

4.3.1 Sanierungsprivileg

Durch das Sanierungsprivileg werden Darlehensgeber privilegiert, die sich zum Zweck der Überwindung der Krise an der Gesellschaft durch Übernahme bestehender Anteile oder im Wege der Kapitalerhöhung erstmals bzw. erstmals über 10 % beteiligen. Darlehen und sonstige Leistungen einschließlich Besicherung von Drittdarlehen und Gebrauchsüberlassung gelten dann nicht als Eigenkapital ersetzend. Voraussetzungen des Sanierungsprivilegs:

  • objektivierbarer Sanierungswille,
  • Sanierungsfähigkeit der Gesellschaft nach Einschätzung eines objektiven Dritten im
  • Zeitpunkt der Darlehensgewährung und
  • dokumentiertes Sanierungskonzept.

4.3.2 Finanzplandarlehen

Hierbei handelt es sich um Darlehen der Gesellschafter, die nach der Finanzplanung der Gesellschaft erforderlich sind, damit der vorgesehene Geschäftsbetrieb oder dessen Erweiterung erst möglich wird. Die Einstufung als Finanzplankredit wird z. B. indiziert durch:

  • die Verpflichtung zur langfristigen Überlassung,
  • das Fehlen einer Kündigungsmöglichkeit,
  • ungewöhnliche Darlehensbedingungen, z. B. Rückzahlung nur im Falle der Liquidation oder Zinslosigkeit,
  • die Unentbehrlichkeit des Darlehens für die Aufnahme weiterer Drittkredite,
  • die fehlende Möglichkeit, Fremdkapital bei einem außen stehenden Kreditgeber aufzunehmen.

5. Pflicht zur Masseerhaltung: Zahlungsverbot

Nach Eintritt der Insolvenzreife dürfen innerhalb der dreiwöchigen Insolvenzantragsfrist keine Leistungen oder Lieferungen aus dem Gesellschaftsvermögen mehr erbracht werden, welche die Masse schmälern und die Insolvenzquote der Gläubiger in einem späteren Insolvenzverfahren verringern würden, es sei denn, sie sind mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar (wie z. B. Zahlung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen). Damit soll eine Masseverkürzung der insolvenzreifen Gesellschaft und eine bevorzugte Befriedigung einzelner Gläubiger verhindert werden. Erfasst werden sämtliche Vorgänge, die zu einem Abfluss von Werten führen. Dazu gehören nicht nur Geldzahlungen, sondern auch der unterlassene Widerruf einer Einzugsermächtigung im Lastschriftverfahren und die Einzahlung von Kundenschecks auf debitorisch geführte Konten. Der Geschäftsführer darf allerdings solche Leistungen aus dem Vermögen der Gesellschaft erbringen, die erforderlich sind,

  • um einen sofortigen Zusammenbruch der Gesellschaft zu verhindern und hierdurch aussichtsreiche Sanierungsmaßnahmen zu ermöglichen sowie
  • um größere Schäden z. B. durch eine sofortige Betriebsstilllegung zu verhindern.

6. Pflicht zur Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen

Der Geschäftsführer der GmbH hat dafür zu sorgen, dass die GmbH ihren Pflichten gegenüber den Sozialversicherungsträgern nachkommt und dass sowohl die Arbeitgeber als auch die Arbeitnehmeranteile an die Sozialversicherungsträger fristgerecht abgeführt werden. Probleme ergeben sich in der Praxis, wenn die Mittel nicht ausreichen, um die Löhne an die Mitarbeiter in voller Höhe bei Fälligkeit auszuzahlen (vgl. hierzu Kap. III. 5. und 6.).

7. Bedienung von Steuerverbindlichkeiten

Der Geschäftsführer hat die Pflicht, für die Erfüllung der steuerlichen Pflichten der GmbH zu sorgen. Zu diesen Pflichten gehören insbesondere:

  • Abgabe der monatlichen Lohnsteueranmeldungen,
  • Einbehalt der Lohnsteuer für Rechnung des Arbeitnehmers und Abführung an das Finanzamt,
  • Voranmeldung und Abführung der Umsatzsteuer,
  • rechtzeitige Erstellung der Jahressteuererklärung.

8. Amtsniederlegung

Der Geschäftsführer kann grundsätzlich jederzeit sein Amt niederlegen. Er darf sein Amt allerdings nicht zur Unzeit beenden. Um den Pflichten des Geschäftsführers in Krise und Insolvenz und damit den Haftungsgefahren zu entgehen, hilft lediglich die Amtsniederlegung vor Eintritt der Insolvenzreife.

9. Insolvenzantragspflicht

Bei Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung ohne mittelfristige Zahlungsmöglichkeit bestehen Antragsrecht und Antragspflicht grundsätzlich für jeden Geschäftsführer, auch wenn er nicht alleinvertretungsberechtigt ist. Bei drohender Zahlungsunfähigkeit muss die Vertretungsberechtigung

beachtet werden. Der Insolvenzantrag ist ohne schuldhaftes Zögern, maximal drei Wochen (ohne Verlängerungsmöglichkeit) nach Eintritt des Insolvenzgrunds, zu stellen. Die Frist ist für Sanierungsmaßnahmen zu nutzen. Haben die Sanierungsmaßnahmen Erfolg und fällt dadurch der Insolvenzgrund weg, entfällt die Antragspflicht. Allerdings ist der Insolvenzantrag vor Ablauf der Drei-Wochen-Frist zu stellen, wenn bereits vorher erkennbar ist, dass eine Sanierung innerhalb dieses Zeitrahmens nicht möglich ist und die Zahlungsverpflichtungen auch mittelfristig nicht getilgt werden können. Der Geschäftsführer hat zwar einen gewissen Beurteilungsspielraum, jedoch kommt es auf die Sicht eines ordentlichen Geschäftsleiters an. Im Zweifel muss sich der Geschäftsführer fachkundig beraten lassen.

Hinweis vom Rechtsanwalt/Steuerberater:

Das Abwarten der Drei-Wochen-Frist ist nur zulässig, wenn der Geschäftsführer den Beweis führen kann, dass eine Sanierung des Unternehmens zur Überwindung der Krise und damit zur Beseitigung der Zahlungsunfähigkeit möglich ist und unmittelbar bevorsteht.

III. Haftung des GmbH-Geschäftsführers in der Unternehmenskrise

1. Persönliche Haftung

Der Geschäftsführer ist verantwortlich für die Leitung des Betriebs. Grundsätzlich haftet er nicht für Verbindlichkeiten der Gesellschaft. Unterlaufen ihm dabei Fehler, kann dies zu seiner persönlichen Haftung im Innenverhältnis gegen über der GmbH oder den Gesellschaftern sowie im Außenverhältnis

gegenüber Gläubigern oder sonstigen Dritten führen. Diese Haftung ist nicht auf das Vermögen oder das Stammkapital der GmbH beschränkt.

2. Haftung gegenüber der Gesellschaft

Der Geschäftsführer hat bei der Erfüllung seiner Pflichten die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden. Er hat im Rahmen der Gesetze, des Gesellschaftsvertrags und der für die Gesellschaft verbindlichen Beschlüsse der Gesellschaftsorgane zum Vorteil der Gesellschaft zu handeln und Schaden von ihr abzuwenden. Beachtet der Geschäftsführer diese Sorgfaltsanforderung

nicht und entsteht der Gesellschaft dadurch ein Schaden, haftet der Geschäftsführer dafür persönlich. Mehrere Geschäftsführer haften solidarisch. Die Verzögerung des Insolvenzantrags über die gesetzliche Frist hinaus ist eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers. In der Krise handelt der Geschäftsführer bereits dann pflichtwidrig, wenn er nicht in der Lage ist, selbst die Insolvenzreife zutreffend zu beurteilen und es unterlässt, sich fachkundig beraten zu lassen.

Hinweis vom Rechtsanwalt/Steuerberater:

Um sich im Falle einer Inanspruchnahme entlasten zu können, sollte der Geschäftsführer seine Handlungen und seine Entscheidungsfindung stets gut dokumentieren. Insofern sind vor allem die unter Kap. I. 1. und 2. dargestellten Managementsysteme von Bedeutung. Je mehr mittels objektiver Daten der Nachweis geführt werden kann, dass ein Schadenseintritt vermieden werden sollte, desto eher wird eine Pflichtverletzung des Geschäftsführers widerlegt werden können. Daneben haftet der Geschäftsführer auch nach Deliktsrecht, wenn er bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben in vorwerfbarer Weise der Gesellschaft einen Schaden zufügt. Eine solche Schadensersatzhaftung kann in der Krise vor allem im Zusammenhang mit der Verwirklichung von Straftatbeständen wie z. B. Untreue oder Betrug zum Tragen kommen. Obwohl Ansprüche auf Schadensersatz rechtlich der GmbH zustehen, können andere Personen mittelbar auf die der GmbH zustehenden Schadensersatzansprüche zugreifen. Insbesondere kann ein Gläubiger der GmbH im Wege der Zwangsvollstreckung den der GmbH gegen ihren Geschäftsführer zustehenden Anspruch auf Schadensersatz pfänden und zur Einziehung überweisen lassen. Schadensersatzansprüche der GmbH können daher als Haftungsmasse auch für Gläubiger der GmbH interessant sein.

3. Haftung gegenüber den Gesellschaftern

Grundsätzlich haftet der Geschäftsführer nur gegenüber der Gesellschaft und nicht gegenüber einzelnen Gesellschaftern. Ausnahmsweise kann es zu einer Haftung des Geschäftsführers gegenüber Gesellschaftern kommen, insbesondere bei Verletzung von Kapitalschutzvorschriften, Pflichtverletzung bei Auskünften gegenüber Gesellschaftern oder der Rechnungslegung (Buchführungs- und Bilanzierungspflichten).

4. Haftung gegenüber den Gläubigern der GmbH

Die Haftung des Geschäftsführers ist prinzipiell auf das Innenverhältnis gerichtet. Im Außenverhältnis haftet die GmbH gegenüber Dritten für das Fehlverhalten ihres Vertretungsorgans, kann jedoch Ersatzansprüche gegen ihren Geschäftsführer geltend machen. In bestimmten Fällen kann es allerdings zu einer unmittelbaren Haftung der Geschäftsführer gegenüber Gläubigern der GmbH kommen. In der Krise der GmbH liegt ein solcher Fall vor, wenn der Geschäftsführer seinen Pflichten zur Insolvenzantragstellung nicht bzw. nicht rechtzeitig nachkommt. Dabei ist zu unterscheiden zwischen Alt- und Neugläubigern:

  • Altgläubiger, deren Ansprüche vor Eintritt der Insolvenzreife entstanden sind:
  • Anspruch auf Ersatz des Quotenschadens: Differenz zwischen tatsächlich erlangtem Erlös und Erlös, den sie bei rechtzeitiger Antragstellung erhalten hätten.
  • Neugläubiger, deren Ansprüche nach Eintritt der Insolvenzreife entstanden sind:
  • Anspruch auf Ersatz des so genannten negativen Interesses: Neugläubiger ist so zu stellen, als wenn er gar nicht erst mit der GmbH in Geschäftsbeziehung getreten wäre.

5. Haftung für Sozialversicherungsbeiträge

In der Krise ist der Umgang mit der Zahlung von Sozialversicherungsbeiträgen für den Geschäftsführer heikel, da er einerseits zur Masseerhaltung verpflichtet ist, andererseits das Nichtabführen von fälligen Arbeitnehmerteilen zur Sozialversicherung strafbewehrt ist und zu einer deliktischen Haftung führen kann. Die zivilrechtliche und die strafrechtliche Rechtsprechung waren bislang uneinheitlich, wodurch es zu einem Konflikt während der Insolvenzantragsfrist zwischen dem Gebot zur Masseerhaltung und der Pflicht zum Abführen der Sozialversicherungsbeiträge kam. Die neuere zivilrechtliche Rechtsprechung hat hier nun eine Änderung gebracht. Danach führt das Abführen von Sozialversicherungsbeiträgen in der Krise nicht zu einem Verstoß gegen das Zahlungsverbot. Vielmehr handle der GmbH-Geschäftsführer bei Insolvenzreife mit der Sorgfalt eines

ordentlichen Geschäftsleiters, wenn er den sozial- und steuerrechtlichen Normen entsprechend die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung und Lohnsteuer abführt.

Hinweis vom Rechtsanwalt/Steuerberater:

Die Bezahlun

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