Luisenstraße 32
53129 Bonn
Tel.: (0228) 91 17 30

Schuldhaftes Handeln des Steuerberaters bei fehlerhafter Verlusterklärung nach GmbH-Auflösung

Das Finanzgericht Münster hatte kürzlich über folgenden fall zu befinden:

Tatbestand

Streitig ist, ob das beklagte Finanzamt es zu Recht im Bescheid vom 20.01.2011 abgelehnt hat, den Änderungsbescheid vom 14.05.2010 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 zu ändern und deshalb zu Recht nicht den vom Kläger mit Schreiben vom 15.01.2011 nachträglich geltend gemachten Verlust in Höhe von 209.195 EUR aus der Auflösung einer GmbH berücksichtigt hat.

Der Kläger erklärte in seiner von ihm am 18.03.2009 unterschriebenen und am 08.04.2009 beim Finanzamt eingereichten Einkommensteuererklärung und Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages für das Streitjahr 2007 Einkünfte aus selbständiger Arbeit als Unternehmensberater in Höhe von 75.525 EUR, nachträgliche Betriebsausgaben (Schuldzinsen) bei den Einkünften aus Gewerbebetrieb hinsichtlich seiner Beteiligung an der X GmbH & Co. KG, in Höhe von 809 EUR Einkünfte aus Kapitalvermögen in Höhe von 187 EUR, Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung hinsichtlich eines Mietwohngrundstückes in F in Höhe von ./. 16.195 EUR sowie einen Verlustbetrag aus einer Beteiligung an einer Grundstücksgesellschaft in C in Höhe von 1 EUR.4Der Kläger wurde bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung 2007 durch die Steuerberatungsgesellschaft M und T (GbR) beraten, wobei die Sachbearbeitung von einem der Gesellschafter, dem jetzigen Prozessvertreter des Klägers, vom Steuerberater und Wirtschaftsprüfer K Y (K) durchgeführt wurde. Dieser war auch im Rahmen der Steuerberatung der o. a. Steuerberatungsgesellschaft für die Q GmbH (im Folgenden: GmbH) zuständig. An dieser am 30.03.1988 gegründeten GmbH war der Kläger mit zuletzt 75 % am Stammkapital in Höhe von 250.000 DM beteiligt. Die GmbH wurde aufgelöst und der Kläger zum alleinvertretungsberechtigten Liquidator bestellt. Die Auflösung wurde am 02.09.1999 in das Handelsregister eingetragen.

Die Liquidation der GmbH wurde im Streitjahr beendet und ihre Löschung am xx.xx..2007 in das Handelsregister eingetragen. Es war ein Auflösungsverlust entstanden. Der Kläger übersandte seinem steuerlichen Berater am 09.03.2009 eine verschiedene Punkte betreffende E-Mail; u. a. fragte er im Hinblick auf den Veräußerungsverlust wörtlich „Was ist mit Verlust Q ?". Die Erklärung enthielt keine Angaben zu dem Auflösungsverlust.

Die Einkommensteuerveranlagung erfolgte durch Einkommensteuerbescheid 2007 vom 12.06.2009 erklärungsgemäß. Die Einkommensteuer 2007 wurde auf 0 EUR festgesetzt, wobei der Gesamtbetrag der Einkünfte in Höhe von 55.934 EUR in dem ebenfalls am 12.06.2009 ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 berücksichtigt wurde. Der verbleibende Verlustvortrag wurde auf 2.673.816 EUR festgestellt.

Das Finanzamt erließ am 14.05.2010 zwei Änderungsbescheide hinsichtlich der Einkommensteuer 2007 und hinsichtlich des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007, wobei sich nur bei dem zuletzt aufgeführten Bescheid eine Änderung dahingehend ergab, dass der verbleibende Verlustvortrag auf einen Betrag in Höhe von 2.672.477 EUR festgestellt wurde. Beide Bescheide sind bestandskräftig

Mit Schreiben vom 15.01.2011, auf das wegen der Einzelheiten verwiesen wird, beantragte der Kläger aus der Auflösung der GmbH einen Verlust gemäß § 17 Einkommensteuergesetz (EStG), den er mit 409.149 DM (= 209.195 EUR) berechnete, durch Änderung des Verlustfeststellungsbescheides vom 14.05.2010 zu berücksichtigen.

Er meinte, dieser nachträglich erklärte Verlust sei als neue Tatsache zu berücksichtigen, weil ihn kein grobes Verschulden daran treffe, dass diese neue Tatsache dem Finanzamt erst jetzt bekannt werde. Der tatsächliche (wirtschaftliche Verlust) habe ihn bereits im Jahre 1999 getroffen. Nur aufgrund der Rechtsprechung des BFH, welche die steuerliche Berücksichtigung des Verlustes nicht im Jahr des wirtschaftlichen Entstehens berücksichtigen wolle, sondern im Jahr der Löschung der Gesellschaft, in diesem Fall also um 8 Jahre in die Zukunft verlege, liege hier „ein Fall des Jahres 2007" vor. Beim Zugang der Löschungsmitteilung sei ihm dieses jedoch nicht bewusst gewesen, sodass er der Tatsache der Löschung der Gesellschaft im Jahre 2007 aus Unkenntnis heraus keine Beachtung geschenkt habe. Erst jetzt, bei der Durchsicht der Unterlagen durch seinen Prozessvertreter sei erkannt worden, dass der Verlust im Jahre 2007 hätte erklärt werden müssen.

Das Finanzamt lehnte mit Bescheid vom 20.01.2011, auf den wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, den Antrag ab. Die Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 Abgabenordnung (AO) seien nicht erfüllt, weil die Nichtberücksichtigung des Verlustes im Einkommensteuerbescheid auf einem groben Verschulden beruhe. Dabei könne offen gelassen werden, ob der Steuerpflichtige selbst grob schuldhaft gehandelt habe oder ob ein grobes Verschulden der ihn und die GmbH betreuenden Steuerberatungsgesellschaft vorliege, welches dem Steuerpflichtigen zuzurechnen sei.

Zur Begründung des hiergegen eingelegten Einspruchs wies der Kläger mit Schreiben vom 02.02.2011 darauf hin, die Annahme des Finanzamts sei falsch, dass der Sozietät M und T der Zeitpunkt der Auflösung bzw. Löschung der GmbH bekannt gewesen sei. Auflösung und Löschung der Gesellschaft lägen hier 8 Jahre auseinander. Der Zeitpunkt der Auflösung im Jahre 1999 sei der Steuerberatungsgesellschaft bekannt gewesen, da die GmbH seinerzeit ebenfalls von der Steuerberatungsgesellschaft beraten worden sei. Der Steuerberatungsgesellschaft sei aber nicht der hier einzig maßgebliche Zeitpunkt der Löschung bekannt gewesen, da dieses Ereignis der Steuerberatungsgesellschaft vom Kläger nicht mitgeteilt worden sei. Den Kläger selbst treffe hieran kein grobes Verschulden, da ihm die Tragweite einer Löschung im Zusammenhang mit § 17 EStG insbesondere 8 Jahre nach dem eigentlichen wirtschaftlichen Vorgang nicht habe bewusst sein müssen. Insofern habe also der steuerliche Berater von der tatsächlichen Löschung der Gesellschaft im Jahre 2007 nichts gewusst, da diese ihm nicht mitgeteilt worden sei.

Grob schuldhaft wäre das Verhalten des Steuerberaters, wenn sich ihm bei der Durchsicht und der Plausibilitätskontrolle der Einkommensteuererklärung 2007 der Fehler hätte aufdrängen müssen. Dies sei aber nicht der Fall gewesen, weil die Einkommensteuererklärung 2007 keine Besonderheiten enthalten habe und ihm die Löschung nicht bewusst gewesen sei.

Das Finanzamt wies den Einspruch als unbegründet zurück (Einspruchsentscheidung vom 23.05.2011).

Es meinte, es könne dahingestellt bleiben, ob der Kläger selbst grob schuldhaft gehandelt habe. Denn es läge in jedem Fall ein grobes Verschulden der ihn und die GmbH betreuenden Steuerberatungsgesellschaft vor, welches dem Kläger zuzurechnen sei.

Der Steuerberatungsgesellschaft bzw. dem Prozessvertreter des Klägers sei - wie sich aus dem eingereichten Jahresabschluss der GmbH ergebe - die steuerliche Situation der GmbH bekannt gewesen. Es sei demnach auch bekannt gewesen, dass die GmbH liquidiert worden sei, dass der Kläger zum Liquidator bestellt worden sei und dass dem Kläger nach Beendigung der Liquidation hieraus ein Gesamtverlust verbleiben würde. Das hätte den zuständigen Berater in jedem Fall dazu veranlassen müssen, durch einen entsprechenden Vermerk in der Akte des Klägers sicherzustellen, dass ein entsprechender Verlust bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung für den Zeitraum nach Beendigung der Liquidation berücksichtigt werden würde (Hinweis auf BFH-Urteil vom 03.12.2009 VI R 58/07 BStBl. II 2010, 531).

Wenn der Steuerberatungsgesellschaft der Zeitpunkt der Löschung vom Kläger auch nicht mitgeteilt worden sei, hätte der Steuerberater sich jedes Jahr bei Fertigung der Einkommensteuererklärung nach dem Stand des Liquidationsverfahrens der GmbH erkundigen müssen. Dies gelte umso mehr, als der Berater davon ausgehe, dass dem Kläger die Tragweite einer Löschung der GmbH im Zusammenhang mit § 17 EStG nicht bewusst gewesen sei.

Sofern noch Unklarheiten hinsichtlich der Berücksichtigung eines Verlustes nach § 17 EStG bestanden haben sollten, wäre es Aufgabe des Beraters gewesen, dies zu ermitteln und durch einen entsprechenden Vermerk in der Akte des Klägers die Berücksichtigung dieses Verlustes bei der Erstellung der künftigen Einkommensteuererklärungen sicherzustellen.

Hiergegen richtet sich die vorliegende Klage, mit der der Kläger sein Begehren weiter verfolgt.

Er trägt vor, die erfolgte Löschung der GmbH im Handelsregister am 13.03.2007 sei eine neue Tatsache im Sinne des § 173 AO, die dem Finanzamt nicht bekannt gewesen sei. Ihn selbst treffe kein grobes Verschulden an dem bisherigen Nichtvorbringen dieser neuen Tatsache. Er habe seinen Prozessvertreter in der Mail vom 09.03.2009 hinsichtlich der abzugebenden Steuererklärung 2007 u. a. gefragt: „Was ist mit Verlust Q ?"

Er habe seinen steuerlichen Berater mehrfach (zuletzt in  jener Mail), auf das mögliche Entstehen des Verlustes hingewiesen und damit ausdrücklich mit der Bitte um Prüfung an die evtl. mögliche Berücksichtigung dieses Verlustes in seiner Einkommensteuererklärung 2007 erinnert. Er habe daher alles aus seiner Sicht mögliche getan, diesen möglicherweise im Jahre 2007 entstandenen Verlust in seiner Steuererklärung 2007 zu berücksichtigen.

Bei Unterschreiben seiner Einkommensteuererklärung habe er mithin davon ausgehen können, dass dieser Verlust - sollte er in 2007 entstanden sein, was vom Steuerberater zu prüfen gewesen sei - auch ordnungsgemäß in der durch den steuerlichen Berater erstellten Einkommensteuererklärung 2007 erfasst sei. Zwar dürfe der Steuerpflichtige die vorbereitete Steuererklärung nicht blindlings unterschreiben, jedoch seien an die Prüfung durch den Steuerpflichtigen keine großen Anforderungen zu stellen, wenn er steuerlich unerfahren sei bzw. sich - wie hier - auf einen zuverlässigen Berater verlasse, dessen Überwachung nicht erforderlich erscheine. Im Hinblick auf die Kompliziertheit des Steuerrechts sei ihm das Nichterkennen der Nichterfassung eines nach § 17 EStG möglicherweise entstandenen Verlustes in der durch den steuerlichen Berater erstellten Einkommensteuererklärung 2007 nicht anzulasten. Die bloße Unkenntnis steuerlicher Vorschriften begründe im Fall eines steuerlich nicht vorgebildeten und steuerlich beratenen Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden, insbesondere dann, wenn es sich - wie hier - bei der Erfassung eines Verlustes nach § 17 EStG um einen steuerrechtlich nicht alltäglichen und insbesondere steuerrechtlich komplizierten Vorgang handele.22Die Auffassung des Finanzamts in seinem Schriftsatz vom 06.07.2011, dass er es versäumt habe, bei Unterschrift seiner Einkommensteuererklärung 2007 darauf zu achten, ob dieser Verlust auf den er zuvor noch aufmerksam gemacht habe, auch tatsächlich erfasst sei, schlage nicht durch. Denn er habe den Berater lediglich beauftragt zu prüfen, ob dieser Verlust im Jahre 2007 zu erfassen sei; gewusst habe er dies nicht, sondern nur der Berater, der den Vorgang sodann geprüft habe und zu dem Schluss gekommen sei, dass dieser Verlust in 2007 zu erfassen sei. Ihm, dem Kläger, sei das Jahr der Verlustentstehung nicht bewusst gewesen. Dies habe er auch nicht wissen müssen, da die Regelungen zur Verlustentstehung im Rahmen des § 17 EStG Spezialmaterie darstellen würden.

Zu beachten sei auch, dass die fragliche GmbH bereits im Jahre 1999 aufgelöst und erst im Jahre 2007, also 8 Jahre nach Auflösung, gelöscht worden sei. Er habe den Berater danach in jedem Jahr und häufig an die Geltendmachung des Verlustes erinnert. In keinem Jahr sei der Verlust in der Erklärung aufgenommen worden, so dass er in jedem Jahr eine Einkommensteuererklärung ohne Verlustausweis unterzeichnet habe und dies auch seine Richtigkeit gehabt habe, denn es sei einem steuerlichen Laien nicht erläuterbar, dass die Verlustberücksichtigung erst 8 Jahre nach Auflösung im Jahr der Löschung der Gesellschaft absetzbar sei. Er habe den Berater - wie in den Vorjahren - auch im Jahre 2009 gebeten, die Verlustberücksichtigung für das Jahr 2007 zu prüfen. Nachdem der Verlust in der Erklärung nicht angesetzt worden sei, habe er - wie in den Vorjahren - bei der Unterzeichnung der Erklärung davon ausgehen können, dass das Fehlen des Verlusts - wie in den Vorjahren - seine Richtigkeit gehabt habe. Er habe zwar von dem eingetretenen Verlust gewusst. Hierauf habe das Finanzamt hingewiesen. Dies sei unstreitig. Er habe aber den richtigen „steuerlichen Ansatzzeitpunkt" nicht gekannt, was ihm nicht vorzuwerfen sei.

Auch seinem steuerlichen Berater treffe kein grobes Verschulden an dem nachträglichen Vorbringen der neuen Tatsache.

Fraglich sei, ob ein Verschulden des steuerlichen Beraters ihm überhaupt anzulasten sei, weil nach dem Wortlaut des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO neue Tatsachen, die zugunsten des Steuerpflichtigen wirken würden, nur dann nicht zu berücksichtigen seien, wenn den Steuerpflichtigen ein grobes Verschulden treffe. Die Abgabenordnung enthalte keine Regelung, die das Verhältnis von Steuerpflichtigem und steuerlichem Berater regele. Die Frage, ob ein Verschulden des steuerlichen Beraters dem Steuerpflichtigen zuzurechnen sei, sei umstritten. So wolle insbesondere M das Verschulden des steuerlichen Beraters dem Steuerpflichtigen nicht zurechnen, da es an einer steuerlichen Rechtsgrundlage hierfür mangele und der Steuerberater insbesondere kein Erfüllungsgehilfe des Steuerpflichtigen sei (Hinweis auf M in Tipke/Kruse, AO-Kommentar, § 173 Rz. 82 ff.).

Auf der anderen Seite komme der BFH in älterer Rechtsprechung zu der Erkenntnis, dass das Verschulden des steuerlichen Beraters dem Steuerpflichtigen zuzurechnen sei. Diese Urteile würden hinsichtlich ihrer Begründung allerdings angegriffen, da der BFH den Steuerberater als Erfüllungsgehilfen des Steuerpflichtigen einordne, die Haftung dann aber nicht nach § 278 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), sondern nach den Regeln der Vertreterhaftung annehme.

Selbst wenn man mit dem BFH annehme, dass das grobe Verschulden des steuerlichen Beraters dem Steuerpflichtigen zuzurechnen sei, komme die Regelung im vorliegenden Sachverhalt nicht zur Anwendung, da den steuerlichen Berater im vorliegenden Fall kein grobes Verschulden treffe. „Gewöhnliche" Fehler wie Vergessen, Irrtümer, Verwechslungen usw., mit deren Vorkommen regelmäßig gerechnet werden müsse, würden den Vorwurf des groben Verschuldens nicht begründen. Es handele sich nicht um grobe, sondern um üblicherweise vorkommende Fehler.

Seinem Prozessvertreter dem der Sachverhalt aus der Beratungstätigkeit für die GmbH und seiner, des Klägers, langjährigen Beratung bekannt gewesen sei, sei bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung 2007 nach entsprechender Prüfung bewusst gewesen, dass der Verlust in der Einkommensteuererklärung 2007 anzusetzen sei. Auch seien diesem aus der Beratung der GmbH sämtliche Details der Verlustermittlung und der zugrunde liegende Sachverhalt bekannt gewesen. Auf der Grundlage der E-Mail vom 09.03.2007 habe sich sein Prozessvertreter während der Erstellung der Einkommensteuerklärung 2007 (wie auch in den vorherigen Jahren) mit den Rechtsfragen des § 17 EStG befasst und sei zu dem Schluss gekommen, dass der Verlust aus der Liquidation aufgrund der im Jahre 2007 erfolgten Löschung der GmbH in der Steuererklärung 2007 zu erfassen sei.

Die Nichterfassung des Verlustes in der Einkommensteuererklärung 2007 stelle danach ein schlichtes Vergessen der Angabe dieses Verlustes in der Einkommensteuererklärung 2007 dar. Ein solches schlichtes Vergessen , was im Hinblick auf die Kompliziertheit des Steuerrechts auch der Finanzverwaltung jederzeit unterlaufen könne, stelle jedoch keine „grobe Fahrlässigkeit" dar, sondern allenfalls eine leichte Fahrlässigkeit, die aber, sollte diese ihm, dem Kläger, zuzurechnen sein, nicht dazu führe, dass die Änderungsvorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO nicht anwendbar sei.

Das einfache Vergessen werde auch nicht dadurch zu einem groben Verschulden, wenn es sich bei dem vergessen en Ansatz um einen wesentlichen Vorgang handele. Denn „Vergessen sei Vergessen". Es werde nicht dadurch besonders, dass das Eingeben einer großen Zahl in das Erklärungsformular vergessen werde.

Sein Prozessvertreter habe die Steuererklärung - anders als im vom Finanzamt zitierten Verfahren des Finanzgerichts München vom 07.02.2011 7 K 2193/09 DStRE 2012, 762 - nicht durch einen Gehilfen oder eine Gehilfin erstellen lassen, sondern selbst erstellt, so dass eine Prüfung der Erklärung während der Erstellung und nach deren Ausdruck erfolgt sei.

Sein Prozessvertreter habe schlicht vergessen, den von ihm ermittelten Verlust in das Steuererklärungsformular zu übernehmen.

Dass das „Vergessen" auch nicht bei der Bescheidprüfung aufgefallen sei, liege daran, dass der Bescheid von einer Mitarbeiterin geprüft worden sei, die keine Abweichung zwischen Steuererklärung und Steuerbescheid festgestellt habe (da die Angabe des Verlustes bereits in der Erklärung vergessen worden sei).

Das Finanzamt müsse das Vorliegen des groben Verschuldens des steuerlichen Beraters an dem nachträglichen Bekanntwerden der neuen Tatsache beweisen. Sollte es - wie hier - nach Wertung aller Indizien auch möglich sein, dass lediglich ein schlichtes Vergessen vorliege, so sei der Beweis des groben Verschuldens nicht erbracht.

Der Kläger beantragt,

das Finanzamt unter Aufhebung des Bescheides vom 20.01.2011 und der Einspruchsentscheidung vom 23.05.2011 zu verpflichten, den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 vom 14.05.2010 dahingehend zu ändern, dass der verbleibende Verlustvortrag auf 2.882.143 EUR festgestellt wird.

Das Finanzamt beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Finanzamt weist zunächst darauf hin, dass der im Klageverfahren vorgetragene Sachverhalt von dem bisher vorgetragenen abweiche.

Eine Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO scheide aus, weil den Kläger ein grobes Verschulden am nachträglichen Bekanntwerden der Tatsache (Verlust § 17 EStG) treffe.

Der Kläger habe nach dem jetzigen Sachvortrag seinen steuerlichen Berater kurz vor Erstellen der Steuererklärung auf den Verlust hingewiesen, der Berater habe den Verlust jedoch nicht in die Erklärung aufgenommen. Die Gründe hierfür seien nicht bekannt (Rechtsirrtum oder Vergessen), aber auch nicht von Bedeutung. Denn spätestens bei Unterzeichnung der Steuererklärung hätte dem Kläger auffallen müssen, dass der Verlust nicht in der Steuererklärung angegeben worden ist. Es könne unterstellt werden, dass dem Kläger als ehemaligem Geschäftsführer und Liquidator der GmbH die steuerliche Bedeutung des Verlustes durchaus klar gewesen sei. Denn er habe seinen Berater noch kurz vor Erstellung der Steuererklärung ausdrücklich darauf hingewiesen. Wenn der Kläger es - gerade in Anbetracht der Größenordnung des Verlustes - dennoch unterlasse, die Steuererklärung vor Unterzeichnung darauf hin zu überprüfen, ob dieser angesprochene Verlust auch erklärt worden sei, dann stelle das eine grobe Fahrlässigkeit und damit auch grobes Verschulden des Klägers dar (Hinweis auf Urteil des Finanzgerichts Hamburg vom 04.12.1990 II 185/89 EFG 1991, 445).

Außerdem sei dem Kläger ein grobes Verschulden seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung in gleicher Weise wie das Verschulden eines Bevollmächtigten zuzurechnen (Hinweis auf BFH-Urteil vom 28.06.1983 VIII R 37/81 BStBl. II 1984, 2). Auch der steuerliche Berater müsse sich um eine sachgemäße und gewissenhafte Erfüllung der Erklärungspflicht bemühen. Dabei seien an dessen Kenntnis und sachgemäßer Anwendung steuerlicher Bestimmungen und an die von ihm zu erwartende Sorgfalt erhöhte Anforderungen zu stellen. Zumindest an der erforderlichen Sorgfalt habe es der Berater bei der Erstellung der Erklärung fehlen lassen. Diese mangelnde Sorgfalt könne nicht als einfaches Vergessen abgetan werden, denn es handele sich beim Außeracht lassen dieses besonderen Sachverhaltes eben nicht um einen „gewöhnlichen Fehler" mit dessen Vorkommen regelmäßig gerechnet werden müsse.

Ob ein Beteiligter die ihm persönlich zuzumutende Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt habe, sei eine Tatsachenfrage.

Tatsachen seien hier, dass

-          sowohl der Kläger als auch sein Steuerberater von dem Verlust gewusst hätten,
-          der Kläger seinen Berater hierauf kurz vor Erstellung der Steuererklärung noch hingewiesen gehabt habe und
-          weder der Kläger noch der Steuerberater die Steuererklärung auf Vollständigkeit und Richtigkeit überprüft hätten.

Die Würdigung dieser Tatsachen durch das Finanzamt führe zur Feststellung des groben Verschuldens bzw. der groben Fahrlässigkeit des Klägers bzw. seines steuerlichen Beraters. Für das Vorliegen des groben Verschuldens seien damit substantiierte Feststellungen getroffen worden.

In einem ähnlich gelagerten Fall habe das Finanzgericht München im Urteil vom 07.02.2011  7 K 2193/09 DStRE 2012, 762 entschieden, dass ein dem Kläger zuzurechnendes grobes Verschulden seines Steuerberaters vorliege. Im Urteilsfall habe der Steuerberater es versäumt, Angaben zu den geleisteten Einlagen der Gesellschafter einzutragen. Im hier vorliegenden Fall habe der Berater es versäumt, den seit Jahren immer wieder diskutierten Liquidationsverlust in der Steuererklärung geltend zu machen. Ob es sich dabei - wie behauptet - um ein reines Vergessen gehandelt habe, könne dahingestellt bleiben, weil der Steuerberater die Erklärung in jedem Fall vor Abgabe an das Finanzamt auf ihre Richtigkeit hin hätte überprüfen müssen. Dies sei offensichtlich nicht geschehen. Denn ansonsten hätte der Steuerberater feststellen müssen, dass der Verlust - über 200.000 EUR - nicht geltend gemacht worden sei. Immerhin handele es sich hier um einen außergewöhnlichen Sachverhalt von besonderer Tragweite. Wenn die Überprüfung der Erklärung - wie vom Kläger behauptet - tatsächlich erfolgt sein sollte, sei unverständlich, warum der Fehler nicht bemerkt worden sei. Im Übrigen hätte der Fehler auch bei der Überprüfung des Verlustfeststellungsbescheides innerhalb der Rechtsbehelfsfrist noch festgestellt werden können. Eine solche Überprüfung durch den beauftragten Steuerberater habe entweder nicht stattgefunden oder der Fehler sei auch hierbei nicht erkannt worden.

Da sich das grobe Verschulden bereits aus der fehlerhaften Erstellung der Steuererklärung durch den Berater ergebe brauche eigentlich nicht darauf eingegangen zu werden, ob auch ein grobes Verschulden des Klägers selbst vorliege, welches sich daraus ergebe, dass der Kläger die vom Steuerberater gefertigte Erklärung unterschrieben habe, obwohl ihm bei Durchsicht der Steuererklärung ohne weiteres hätte auffallen müssen, dass der Verlust nicht geltend gemacht worden sei und er nach den Gründen für die Nichterklärung des Liquidationsverlustes hätte fragen müssen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der vom Finanzamt vorgelegten Steuerakten sowie auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Der Senat hat in diesem Verfahren am 23.01.2014 mündlich verhandelt. Auf die Niederschrift hierüber wird verwiesen.

E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e :

Die Klage ist unbegründet.

Das Finanzamt hat es zu Recht abgelehnt, den Änderungsbescheid vom 14.05.2010 über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 zu ändern, und es hat deshalb zu Recht den vom Kläger nachträglich geltend gemachten Verlust aus der Auflösung der GmbH nicht berücksichtigt.

Der Kläger beruft sich ohne Erfolg auf das Vorliegen der Voraussetzungen des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO.

Nach dieser Vorschrift ist ein Steuerbescheid zu ändern, soweit Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden, die zu einer niedrigeren Steuer führen, wenn den Steuerpflichtigen kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsachen oder Beweismittel nachträglich bekannt werden. Grobes Verschulden setzt nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der der Senat folgt, Vorsatz oder grobe Fahrlässigkeit voraus. Eine grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Steuerpflichtige die ihm nach seinen persönlichen Fähigkeiten und Verhältnissen zumutbare Sorgfalt in ungewöhnlichem Maße und in nicht entschuldbarer Weise verletzt (BFH-Urteil vom 09.11.2011 X R 53/09 BFH/NV 2012, 545 m. K . N.). Grob fahrlässiges Verhalten liegt insbesondere vor, wenn ein Steuerpflichtiger seiner Erklärungspflicht nur unzureichend nachkommt, indem er unvollständige Steuererklärungen abgibt (BFH-Urteil vom 16.05.2013 III R 12/12 BFH/NV 2013, 1467 m. K . N.). Zudem hat der Steuerpflichtige nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der sich der Senat ebenfalls anschließt, auch ein schuldhaftes Verhalten seines steuerlichen Beraters bei der Anfertigung der Steuererklärung wie eigenes Verschulden zu vertreten (vgl. BFH-Urteile vom 17.11.2005 III R 44/04 BStBl. II 2006, 412 m. K . N. und vom 09.11.2011 X R 53/09 BFH/NV 2012, 545).

Die Vorschrift des § 173 Abs. 1 Nr. 2 Satz 1 AO ist gemäß § 181 Abs. 1 AO auch auf Bescheide über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer anzuwenden.

Nicht streitig ist hier, dass die vom Kläger erlittenen Verluste gemäß § 17 EStG aus der Auflösung der GmbH dem Finanzamt bei der Durchführung der ursprünglichen Einkommensteuerveranlagung 2007 und beim Ergehen des Verlustfeststellungs-Änderungsbescheides vom 14.05.2010 nicht bekannt waren und daher Tatsachen im Sinne des § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO gegeben sind. Unstreitig ist auch, dass die Berücksichtigung dieser Verluste eine Erhöhung des festzustellenden verbleibenden Verlustvortrages zur Einkommensteuer auf den 31.12.2007 zur Folge hätte, mit der weiteren Folge, dass bei späteren Einkommensteuer-Festsetzungen niedrigere Besteuerungsgrundlagen gegeben wären.

Allein streitig ist das Vorliegen von grobem Verschulden.

Bei der Prüfung dieses Tatbestandsmerkmales geht der Senat zugunsten des Klägers von der Sachverhaltsdarstellung des Klägers im Klageverfahren (und nicht von der im Einspruchsverfahren) aus.

Der Kläger weist danach zutreffend darauf hin, dass ihn kein grobes Verschulden daran trifft, dass die Tatsache des Auflösungsverlustes dem Finanzamt erst nachträglich bekannt geworden ist.

Der Kläger hat seine Sorgfaltspflichten im ausreichenden Maße erfüllt. Er hat das seine dazu beigetragen, dass der Auflösungsverlust, im Rahmen der von ihm am 18.03.2009 unterschriebenen und am 08.04.2009 beim Finanzamt eingegangenen Einkommensteuererklärung 2007 hätte berücksichtigt werden können. Nach dem glaubhaften Vorbringen des Klägers hat er in den Jahren nach Auflösung der GmbH in 1999 fortwährend seinen Prozessvertreter um Prüfung gebeten, ob jeweils im Rahmen der nachfolgenden Einkommensteuerveranlagungen der nach seinem Wissen sehr große Auflösungsverlust berücksichtigt werden könnte. Dies gilt auch im Hinblick auf das Streitjahr, wie sich aus seiner Mail vom 09.03.2009 ergibt.

Das Finanzamt weist zwar zutreffend darauf hin, dass dem Kläger als ehemaligem Geschäftsführer und Liquidator der GmbH die steuerliche Bedeutung des Verlustes durchaus klar war. Andererseits geht der Senat davon aus, dass dem Kläger als steuerlichen Laien nicht bekannt war, in welchem Veranlagungszeitraum der entstandene Verlust steuerlich zutreffend im Sinne des § 17 EStG berücksichtigt werden konnte. Denn dabei handelt es sich um eine im Einzelfall nicht leicht zu beantwortende steuerrechtliche Frage (vgl. BFH-Urteil vom 28.10.2008 IX R 100/07 BFH/NV 2009, 561). Wie der Kläger hierzu in der mündlichen Verhandlung ausgeführt hat, hatte ihn auch sein Prozessvertreter insoweit nicht über die dabei steuerrechtlich zu beachtenden Gesichtspunkte unterrichtet.

Hinsichtlich dieser Fragestellung musste und konnte sich der Kläger als steuerlicher Laie auf die fachkundige Prüfung durch seinen Steuerberater verlassen, zumal er an diese Prüfung mit seiner Mail vom 09.03.2009 nochmals erinnert hatte.

Der Kläger konnte zwar an dem Inhalt der von seinem Prozessvertreter erstellten Einkommensteuererklärung 2007, die der Kläger am 18.03.2009 unterschrieben hat, erkennen, dass der Auflösungsverlust - wie bereits in den Vorjahren - wiederum nicht erfasst war. Angesichts der mangelnden Steuerfachkenntnisse des Klägers hatte dieser aber keine Veranlassung, seinen Prozessvertreter nochmals darauf anzusprechen, warum dieser den Auflösungsverlust wiederum nicht in die Erklärung aufgenommen hatte. Er konnte insoweit von einer sorgfältigen Prüfung dieser Frage und einer sorgfältigen Erstellung der Einkommensteuererklärung 2007 durch den Steuerberater ausgehen.

Allerdings trifft hier den Prozessvertreter des Klägers ein grobes Verschulden daran, dass die Tatsache des geltend gemachten Auflösungsverlustes gemäß § 17 EStG in Höhe von 209.666 EUR dem Finanzamt erst nachträglich bekannt geworden ist.

Seinem Prozessvertreter lagen, alle Fakten vor, aus denen sich ergab, dass der entstandene Auflösungsverlust im Jahr 2007 zu erfassen war. Er war im Rahmen der Erstellung der Einkommensteuererklärung 2007 zum Ergebnis gekommen, dass der geltend gemachte Auflösungsverlust im Jahr 2007 zu erfassen war, hatte den Verlust berechnet und beabsichtigte, ihn in den Erklärungsvordruck einzutragen.

Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass bei seinem Steuerberater hinsichtlich der von ihm vergessen en Aufnahme des Veräußerungsverlustes in die Einkommensteuererklärung 2007 keine grobe Fahrlässigkeit gegeben sei. Bei einem für den Kläger darauf wichtigen und von ihm bei seinem Steuerberater mehrmals nachgefragten Punkt, wie es die Berücksichtigung eines Auflösungsverlustes gemäß § 17 EStG in Höhe von über 200.000 EUR ist, der zudem vom Steuerberater bei der Erstellung der Einkommensteuererklärung auch noch besonders geprüft worden ist, ist das schlichte Vergessen des Eintragens des bei der Prüfung festgestellten Verlustbetrages in die entsprechende Anlage GSE zur Einkommensteuererklärung grundsätzlich - wenn nicht ganz besondere Umstände vorliegen, die den Steuerberater vom Eintragen abgehalten haben könnten - grob fahrlässig. Derartige besondere Umstände sind jedoch vom Kläger nicht benannt worden und auch im Übrigen nicht ersichtlich. Im vorliegenden Fall ergeben sich derartige besondere Umstände insbesondere nicht etwa daraus, dass die Erstellung der Einkommensteuererklärung 2007 im Übrigen besonders kompliziert und umfangreich war, woraus in besonderen Ausnahmefällen hinsichtlich des Vergessens zum Eintragen eines Auflösungsverlustes in einer Einkommensteuererklärung evtl. eine einfache Fahrlässigkeit hergeleitet werden könnte. Es handelt sich vorliegend vielmehr um eine Einkommensteuererklärung, die im Übrigen weder umfangreich noch rechtlich schwierig war.

Dabei berücksichtigt der Senat auch, dass nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, der der Senat insoweit folgt, an einen steuerlichen Berater, dessen sich der Steuerpflichtige zur Ausarbeitung der Steuererklärung bedient, erhöhte Anforderungen hinsichtlich der von ihm zu erwartenden Sorgfalt zu stellen sind (vgl. BFH-Urteil vom 16.05.2013 III R 12/12 BFH/NV 2013, 1467 m. K . N.).

Das Finanzamt weist zutreffend darauf hin, dass der Prozessvertreter des Klägers das Ergebnis seiner Prüfung hinsichtlich des Auflösungsverlustes sorgfältig in die Einkommensteuererklärung 2007 hätte eintragen müssen, hier vor allem auch deshalb, weil es sich um einen besonders hohen Auflösungsverlust handelte, auf dessen steuerliche Berücksichtigung sein Mandant in den letzten Jahren fortlaufend und auch wenige Tage vor Erstellung der Erklärung nochmals gedrängt hatte.

Dem Steuerberater hätte aber spätestens, wenn er - was die erforderliche Sorgfalt geboten hätte - vor Weiterleitung der Einkommensteuererklärung 2007 an seinen Mandanten zwecks Unterschrift die von ihm erstellte Einkommensteuererklärung nochmals auf Fehler bzw. auf fehlende Angaben durchgegangen wäre, erkennen müssen, dass die Eintragung hinsichtlich des Auflösungsverlustes noch fehlte. Entweder hat der Steuerberater diese interne Kontrolle nicht durchgeführt oder sie so nachlässig vorgenommen, dass sich auch hieraus ein grob fahrlässiges Verhalten ergibt.

Finanzgerichtliche Entscheidungen: Bindungswirkung von Steuerbescheiden

Ist durch ein rechtskräftiges finanzgerichtliches Urteil über einen Streitgegenstand entschieden, können Steuerbescheide auch dann nicht mehr geändert werden, wenn der zugrunde liegende Sachverhalt falsch bewertet worden ist.

Der konkrete Fall:

Steuerpflichtiger und FA stritten jahrelang über die Festsetzung von Einkommen- und Umsatzsteuer. Es kam zu verschiedenen finanzgerichtlichen Verfahren bis hin zum BFH, der Entscheidungen der FG auch mehrfach aufgehoben und die Sachen zurückverwiesen hatte. Im Laufe der zahlreichen Berichtigungen und Umbuchungen hatte das FA Betriebsausgaben auch irrigerweise teilweise doppelt angesetzt, was zunächst weder dem FA im Einspruchs-, noch dem Gericht im späteren Klageverfahren aufgefallen war. Einen korrigierenden zutreffenden Bescheid griff der Steuerpflichtige jetzt erfolgreich an.

Begründung

Berücksichtigt das FA einen Sachverhalt versehentlich in mehrfacher Weise unzutreffend, können die Bescheide auf Antrag stets aufgehoben werden, wenn sich die falsche Behandlung zuungunsten des Pflichtigen ausgewirkt hat. Dies ergibt sich aus § 174 Abs. 1 AO. Eine Steuerfestsetzung zugunsten des Steuerpflichtigen darf nach Abs. 2 der Bestimmung nur korrigiert werden, wenn dessen Angaben die falsche Sachbehandlung verursacht haben. Wehrt sich der Pflichtige gegen einen Steuerbescheid, der aufgrund irriger Behandlung eines Sachverhalts ergangen ist, kann das FA im Rahmen des Rechtsmittelverfahrens nach § 174 Abs. 4 AO immer noch Korrekturen vornehmen. Das Risiko von Rechtsmitteln liegt stets beim Rechtsmittelführer.

Diese Grundsätze gelten aber nicht, wenn das FG über den Streitgegenstand entschieden hat. Rechtskräftige Urteile binden nach § 110 Abs. 1 Nr. 1 FGO die Beteiligten. Streitgegenstand in diesem Sinne sind diejenigen Besteuerungsgrundlagen, zu denen das Gericht Feststellungen getroffen hat. Der vom Gericht in seiner Entscheidung zugrunde gelegte Sachverhalt und die hierzu angestellten rechtlichen Erwägungen sind dabei zu beachten. Soweit über diesen Streitgegenstand rechtskräftig entschieden worden ist, darf das Finanzamt nach Festsetzungen nicht nochmals korrigieren, auch wenn die Urteile objektiv betrachtet falsch waren.

So lag der Fall hier. Das Gericht hatte in zwei früheren Verfahren über die zeitliche Zuordnung von Betriebsausgaben und über deren Höhe entschieden. Beide Urteile befassten sich in den Entscheidungsgründen detailliert mit diesen Fragen. Diese Feststellungen nehmen damit an der Rechtskraft der Urteile teil. Eine erneute Änderung ist nicht mehr möglich.

Hinweis des Steuerberaters

Der BFH lässt eine Korrektur auf der Grundlage des § 174 Abs. 4 AO dann zu, wenn sich zwei Urteile in unvertretbarer Weise gegenüber-stehen. Diese Auffassung teilt das FG nicht. Es verweist auf den Vorrang der Rechtskraft von Urteilen gegenüber den Änderungsbestimmungen der AO. Liegen zwei rechtskräftige Urteile zu demselben Sachverhalt und zu unterschiedlichen Veranlagungszeiträumen vor, entfalten diese unabhängig voneinander eine umfassende Bindungswirkung. Nur so ist Rechtssicherheit zu gewährleisten. Auch durch die Bindungswirkung eines materiell falschen Urteils tritt für den unrichtig entschiedenen Sachverhalt Rechtsfrieden ein.

Fundstellen FG Düsseldorf 12.3.14, 7 K 2499/12 E, n.v.;

Revision unter VIII R 16/14 BFH 18.3.04, V R 23/02 BStBl II 04, 763; 13.6.12, VI R 92/10 BStBl II 13, 139

Steuerberater Köln/Bonn für Ärzte/Zahnärzte: Übernahme einer Einzelpraxis

Steuerberater müssen bei der Praxisübernahme von Ärzten die für die Abschreibung richtige Bemesungsgrundlage aus dem Kaufpreis ermitteln.

In einer aktuellen Entscheidung des FG Nürnberg war streitig, ob der Steuerpflichtige beim Erwerb einer radiologisch-nuklear-medizinischen Praxis lediglich den wirtschaftlichen Vorteil aus der Vertragsarztzulassung oder die gesamte Praxis erworben hatte. Das FA gelangte im Rahmen einer Außenprüfung zu der Auffassung, dass der für die Praxis gezahlte Kaufpreis ausschließlich für den Erwerb der Vertragsarztzulassung gezahlt worden sei. Somit liege ein nicht abnutzbares Wirtschaftsgut vor. Insoweit handele es sich um ein nicht abschreibbares immaterielles Wirtschaftsgut, das ausschließlich in dem mit der Vertragsarztzulassung verbundenen wirtschaftlichen Vorteil bestehe.

Die Entscheidung des Finanzgerichts

Auch im finanzgerichtlichen Verfahren hatte der Steuerpflichtige keinen Erfolg. Zwar ist beim Erwerb einer Vertragsarztpraxis im Regelfall neben dem erworbenen Praxiswert kein weiteres selbstständiges immaterielles Wirtschaftsgut in Form des "mit einer Vertragsarztzulassung verbundenen wirtschaftlichen Vorteils" vorhanden. Der Kaufpreis für eine Vertragsarztpraxis lässt sich aber grundsätzlich nicht - auch nicht teilweise - dem wirtschaftlichen Vorteil aus der Vertragsarztzulassung zuordnen. Der Erwerb einer eingeführten Arztpraxis schafft für den Erwerber die Grundlage für die freiberufliche Tätigkeit. Das erworbene Chancenpaket bildet den Praxiswert, der sich aus den verschiedenen wertbildenden Einzelbestandteilen zusammensetzt (Patientenstamm, Standort, Umsatz, Facharztgruppe). Es handelt sich um einen Inbegriff von im Einzelnen nicht messbaren Faktoren.

Diese Rechtsfolge ergibt sich nach Auffassung des FG jedoch nur dann, wenn sich der Kaufpreis einer Praxis ausschließlich nach ihrem Verkehrswert richtet. In diesem Fall lässt sich von dem Praxiswert kein gesondertes Wirtschaftsgut "Vorteil aus der Vertragsarztzulassung" abspalten. Dagegen kann ein unselbstständiger werterhöhender Faktor eines Wirtschaftsguts zum Gegenstand eines Veräußerungsvorgangs gemacht und dadurch zu einem selbstständigen immateriellen Wirtschaftsgut konkretisiert werden (BFH 9.8.11, VIII R 13/08, BStBl II 2011, 875).

Diese Voraussetzungen lagen im Streitfall vor, da aufgrund eines vorliegenden Wertgutachtens der tatsächlich vereinbarte und geleistete Kaufpreis erheblich von dem ermittelten Praxiswert abwich. Das FG kam daher zu dem Ergebnis, dass der Steuerpflichtige nicht die Praxis als solche, sondern den mit der Vertragsarztzulassung verbundenen wirtschaftlichen Vorteil und damit ein nicht abnutzbares immaterielles Wirtschaftsgut erworben hatte. In einem derartigen Fall ist daher keine Aufspaltung des Kaufpreises in einen Preis für die Praxis und einen für den Vertragsarztsitz vorzunehmen.

Fundstelle FG Nürnberg 12.12.13, 6 K 1496/12, Revision unter VIII R 7/14

© 2024 Kanzlei Arndt | infokanzlei-arndtcom