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Rechtsanwalt - Selbstanzeige: Wirksamkeit der Selbstanzeige im Steuerstrafverfahren Hoeneß

Das Steuerstrafverfahren von Uli Hoeneß ist derzeit in nahezu allen Medien präsent. Aus Sicht des Rechtsanwalts/Steuerberaters der – wie unsere Kanzlei - seit vielen Jahren umfangreich auf dem Gebiet der Selbstanzeigen bei Steuerhinterziehung sowie in zahlreichen Steuerstrafverfahren tätig ist, stößt dieses aktuelle Steuerstrafverfahren auf besonderes Interesse.

Denn zum einen hat das Gericht in einem Punkt von immenser Wichtigkeit bei strafbefreienden Selbstanzeigen zu entscheiden, nämlich, ob die Nacherklärung überhaupt wirksam ist und damit eine Straffreiheit erreicht werden kann. Im Fall Hoeneß stehen dabei zwei wesentliche Elemente der wirksamen Selbstanzeige im Mittelpunkt der richterlichen Prüfung: Ist die Selbstanzeige rechtzeitig vor Tatentdeckung abgegeben worden und ist sie vollständig erfolgt.

Diese beiden Aspekte sollte grundsätzlich im Vorfeld jeder Selbstanzeige durch den Rechtsanwalt/Steuerberater abschließend und rechtssicher geprüft werden. Insbesondere, wenn die Unterlagen der in der Regel ausländischen Kreditinstitute nicht vollständig sind, muss zuerst das notwendige Material beschafft werden, bevor eine Nacherklärung an das zuständige Finanzamt geht. Im Fall Hoeneß scheint hierfür keine Zeit gewesen zu sein, die Selbstanzeige wurde offenbar unter enormen Zeitdruck gefertigt, da eine Tatentdeckung im Raum stand bzw. befürchtet wurde. Umso erstaunlicher wäre es, wenn dann nicht wenigstens eine sachgerechte Schätzung durch den beratenden Rechtsanwalt/Steuerberater bzw. Strafverteidiger aufgestellt wurde. Fehlen dazu die Unterlagen und Informationen, sollte die Schätzung deutlich überzogen berechnet werden, damit nur ja nicht zu geringe Einkünfte gegenüber dem Finanzamt deklariert werden. Die richtigen Zahlen können dann später immer noch ermittelt und in einem engen verfahrensrechtlichen Rahmen nachgereicht werden. Dieses Grundprinzip ist einem auf dem Gebiet der Selbstanzeige erfahrenen Rechtsanwalt/Steuerberater bekannt, hier jedoch möglicherweise missachtet worden. Voraussetzung ist natürlich, dass der Mandant wenigstens ansatzweise die für eine Schätzung notwendigen Auskünfte gibt. Die Strafverteidiger im Fall Hoeneß gehen davon aus, dass die mit der Selbstanzeige Zahlen eine Steuerlast von bis zu 70 Millionen Euro abdecken. Das Gericht wird zu entscheiden haben, ob aus diesen Zahlen die richtigen Besteuerungsgrundlagen ermittelt werden konten.

Zur Frage der Wirksamkeit der Selbstanzeige unter dem Gesichtspunkt der möglicherweise vorherigen Tatentdeckung lässt sich ohne genauere Sachverhaltskenntnis naturgemäß nicht viel sagen. Grundsätzlich erzeugt die Selbstanzeige keine strafbefreiende Wirkung (Sperrwirkung), wenn vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist (§ 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b AO). Das Straf- oder Bußgeldverfahren wegen der Tat ist eingeleitet, wenn das Finanzamt, die Staatsanwaltschaft oder deren Hilfsbeamte oder das Gericht auf Grund eines Anfangsverdachts eine Maßnahme getroffen hat, die für den Beteiligten erkennbar darauf abzielt, „wegen der Tat” gegen ihn straf- oder bußgeldrechtlich vorzugehen (§ 397 Abs. 1 AO). Der Inhalt der Einleitungsverfügung bestimmt den Umfang der Sperrwirkung. Diese Einleitung muss dem Täter oder dessen Vertreter, also auch dessen Steuerberater, bekannt gegeben werden.  Hierüber wird das Gericht nun zu befinden haben, das Ergebnis birgt möglicherweise für die gesamte Beraterschaft neue Rechtssicherheit.

Unverständnis bereitet auch der derzeitige Gang des Steuerstrafverfahrens. Nachdem offenbar eine Selbstanzeige beim Finanzamt abgegeben wurde verging möglicherweise über ein Jahr, bevor die notwendigen Unterlagen der Bank an die Finanzverwaltung bzw. die Staatsanwaltschaft übergeben wurden. Genaueres wissen selbstverständlich nur die Beteiligten des Steuerstrafverfahrens. Eine durchaus merkwürdige Prozessstrategie der Strafverteidiger wäre dies dann allerdings, ist doch die Selbstanzeige der Gang des Steuerhinterziehers zurück in die Steuerehrlichkeit. Dann aber muss dieser Weg auch zügig und in Gänze gegangen werden, damit keine Zweifel an der Selbstanzeige übrig bleiben. Seien es auch noch so viele Seiten an Konto- und Depotauszügen, die Banken sind mittlerweile auf dieses Thema sehr gut eingestellt und können innerhalb überschaubarer Zeiträume alles beschaffen. Insbesondere, wenn die Wirksamkeit der Selbstanzeige in Frage gestellt wird, scheint eine „Mauertaktik“ in der Strafverteidigung alles andere als zielführend zu sein.

In diesem Zusammenhang ist auch die Aussage des Verteidigers mit Vorsicht zu genießen, dass doch "eine Selbstanzeige nicht an einem fehlerhaften Satz des Steuerberaters scheitern könne". Dabei ging es um die Verrechnung von Verlusten und Gewinnen aus Wertpapier- und Devisengeschäften innerhalb eines Jahres. Doch genau hierin liegt die erhebliche Problematik der Selbstanzeige bei unversteuerten Kapitaleinnahmen und Einkünften aus Spekulationsgeschäften. Diese sind eben nicht immer auf derselben steuerlichen Ebene anzusiedeln. Insbesondere die Vielzahl möglicher Anlageformen und die geänderten Regelungen zum Verlustausgleich bei Wertpapiergeschäften seit 2007 und 2009 gehören definitiv in die Hände eines darin erfahrenen Steuerberaters. Rechtsanwälte, auch Fachanwälte für Steuerrecht sind in diesem Bereich in der Regel nicht täglich mit der Besteuerung solcher Geschäfte beschäftigt. Es ist eben doch manchmal der eine Satz der falsch ist oder fehlt und der damit über das Wohl und Wehe der Selbstanzeige entscheidet. Daher gilt immer: Die Selbstanzeige muss im ersten Anlauf sitzen.

Das Verfahren zeigt einmal mehr, dass die Abgabe einer strafbefreienden Selbstanzeige durch einen erfahrenen Rechtsanwalt/Steuerberater begleitet werden muss, damit es erst aufgrund der Wirksamkeit der Nacherklärung gar nicht zu einer Hauptverhandlung vor Gericht kommt. Ist ein solch umfangreiches Steuerstrafverfahren – aus welchen Gründen auch immer – nicht vermeidbar, ist jedenfalls eine schnelle Aufarbeitung der steuerschuldrechtlichen Grundlagen zwingend notwendig, um Überraschungen für das Gericht zu vermeiden.

Stefan Arndt, Rechtsanwalt/Steuerberater/Fachanwalt für Steuerrecht, Köln/Bonn


 

 

 

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