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November 2011: Erbschaftsteuer | Betriebsvermögen und Steuerschulden

Das Land Nordrhein-Westfalen hat 2010 insgesamt 915 Millionen Euro Erbschaftsteuer festgesetzt. Das sind über 40% mehr als noch in 2009. Daneben entstand Schenkungsteuer von fast 260 Millionen Euro. Grund genug für uns als Rechtsanwalt für Erbrecht und Steuerberater für Erbschaftsteuer zu aktuellen Entwicklungen Hinweise zu geben. Dabei geht es diesmal um

  • die Berücksichtigung von Steuerschulden des Erblassers in der Erbschaftsteuererklärung sowie
  • den nachträglichen Wegfall der Begünstigung für Betriebsvermögen

1. Steuerschulden des Erblassers sind keine Nachlassverbindlichkeit

Erben bzw. deren Steuerberater können im Rahmen der Erstellung der Erbschaftsteuererklärung von dem steuerpflichtigen Vermögen folgende Posten als Nachlassverbindlichkeiten abziehen:

  • die vom Verstorbenen herrührenden Schulden,
  • Verbindlichkeiten aus Vermächtnissen,
  • Auflagen,
  • Pflichtteilen und Erbersatzansprüchen sowie
  • die Kosten der Bestattung und eines Grabdenkmals.

Unter diese Abzugsposten fallen zwar grundsätzlich auch die privaten Steuerschulden, die der Erblasser nicht mehr bezahlt hat. Eine Ausnahme gilt jedoch bei der Einkommensteuer für das Todesjahr: Da diese Steuer erst mit Ablauf des Veranlagungszeitraums entsteht, kann eine eventuelle Nachforderung des Finanzamts zum maßgeblichen Todestag noch gar nicht entstanden sein. Veranlagungszeitraum ist weiterhin das gesamte Kalenderjahr. Damit ist ein Abzug als Nachlassverbindlichkeit selbst dann nicht möglich, wenn der Erblasser am 31.12. verstorben ist.

Hinweis des Steuerberaters:

Diese Regelung wirkt sich jedoch nicht einseitig negativ für den Nachkommen aus: Hat nämlich der Erblasser zuvor überhöhte Einkommensteuervorauszahlungen geleistet, werden diese anschließend erstattet. Die Erstattung unterliegt auch nicht der Erbschaftsteuer, weil das Finanzamt den späteren Erstattungsanspruch ebenfalls noch nicht als Forderung erfasst. Als weiterer Aspekt kommt hinzu, dass das geerbte Vermögen bereits zu Lebzeiten um diese Vorauszahlungen gemindert wurde.

Hinsichtlich der Besteuerung sind folgende vier Konstellationen denkbar:

1. Zeit vor dem Todesjahr:

Die Steuererstattungsansprüche wirken mindernd, auch wenn noch keine Festsetzung in einem Steuerbescheid zum Todeszeitpunkt erfolgt ist. Die Überzahlungen muss aber noch der Erblasser geleistet haben.

2. Todesjahr:

Die Steuererstattungsansprüche entstehen erst mit Ablauf des Kalenderjahres und mindern daher nicht den steuerpflichtigen Erwerb.

3. Zeit vor dem Todesjahr:

Die Steuerschulden sind mit Ablauf des jeweiligen Kalenderjahres unabhängig davon entstanden, ob sie zum Todeszeitpunkt des Erblassers bereits festgesetzt waren oder nicht. Daher sind sie als Nachlassverbindlichkeiten abzugsfähig.

4. Todesjahr:

Die Steuerschulden entstehen erst mit Jahresablauf und sind nicht als Nachlassverbindlichkeit abzugsfähig. Es ist keine vom Erblasser herrührende Schuld, die am Todestag bereits besteht.

Hinweis:

Eine Beschwerde gegen dieses Urteil ist nicht zugelassen. Gegen ein Urteil des Finanzgerichts Niedersachsen ist aber ein Revisionsverfahren beim Bundesfinanzhof anhängig. Betroffene Erben bzw. Steuerberater sollten ihre Erbschaftsteuerbescheide über einen ruhenden Einspruch offenhalten.

Fundstelle:

FG Münster, Beschl. v. 27.07.2011 – 3 V 1837/11 Erb, FG Niedersachsen, Urt. v. 23.02.2011 – 3 K 332/10;

2. Begünstigtes Betriebsvermögen bei Verkauf des Betriebs in Gefahr

Wird eine freiberufliche Praxis (Arzt, Steuerberater, Rechtsanwalt etc.) oder Anteile an einer gewerblichen Gesellschaft geschenkt oder vererbt, gibt es seit 2009 einen Verschonungsabschlag von 85 % auf den Wert und zusätzlich einen gleitenden Abzugsbetrag von höchstens 150.000 €.

Beide Privilegien fallen jedoch rückwirkend zeitanteilig weg, soweit der Betrieb innerhalb von fünf Jahren verkauft oder aufgegeben wird. Ebenfalls schädlich sind Entnahmen, die die Summe der Einlagen und Gewinne um 150.000 € übersteigen. Dabei entfallen die Steuerprivilegien auch dann nachträglich, wenn

  • die Mittel aus der Firmenkasse ausschließlich dazu gedient haben, die durch den Erwerb ausgelöste Erbschaft- oder Schenkungsteuer zu bezahlen, oder wenn
  • der Nachfolger zum Verkauf gezwungen war.

Es kommt also nicht auf die Gründe an, die zur schädlichen Verwendung führen. Denn die Steuervergünstigungen sollen nur gewährt werden, wenn und soweit der Nachfolger den Betrieb in seinem Bestand dauerhaft fortführt, damit die Erbschaftsteuer die verminderte finanzielle Leistungsfähigkeit des Betriebs nicht gefährdet. Das Gesetz sieht keinerlei Ausnahmen für eine Zwangssituation oder eine gesetzliche Anordnung vor. Daher muss es sich der Erbe auch als schädliche Aktivität zurechnen lassen, wenn der Nachlasspfleger Geschäftsanteile an einer GmbH oder KG aus der Erbmasse veräußert. Dies führt dazu, dass das erhaltene Betriebsvermögen - wie Bankguthaben - mit dem Marktpreis angesetzt wird.

Steuerberater Hinweis:

Schädlich für die Steuervergünstigungen sind beispielsweise

  • die insolvenzbedingte Aufgabe von Einzelunternehmen oder Gesellschaften,
  • der Verkauf durch den Konkurs- bzw. Insolvenzverwalter als letzte Lösung,
  • die Veräußerung einer Arztpraxis durch einen minderjährigen oder unzureichend qualifizierten Nachfolger,
  • die Verschmelzung einer Kapital- auf eine Personengesellschaft oder
  • die Weitergabe der Firma, um damit einen Pflichtteilsanspruch zu erfüllen.

Fundstelle:

FG Hessen, Urt. v. 24.05.2011 – 1 K 3157/09, rkr.

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