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Keine Hinzuschätzung bei einer GmbH wegen unklarer Mittelherkunft beim Gesellschafter

 

Verdeckte Bareinlagen führen nicht allein deshalb zur Hinzuschätzung von Betriebseinnahmen bei einer Kapitalgesellschaft, weil die Mittelherkunft beim Gesellschafter nicht aufzuklären ist.

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine GmbH i.L., die in den Streitjahren 2008 bis 2012 einen Großhandel betrieb und in gewissem Umfang auch Barumsätze tätigte. Eine Betriebsprüfung ergab zum einen Aufzeichnungsmängel bei der Führung der offenen Ladenkasse und stellte Bareinlagen in die Kasse durch den Alleingesellschafter A fest. Nach Angaben des Alleingesellschafters stammten diese Bareinlagen aus ihm gewährten Darlehen und aus in seinem Privatvermögen vorhandenen Barrücklagen aus nicht versteuerten Silberverkäufen in den neunziger Jahren. Die Prüfung führte unter Auswertung der privaten Konten Bargeldverkehrsrechnungen durch. Diese führten zu Fehlbeträgen, deren Herkunft nicht geklärt werden konnte, sodass das FA diese Beträge im Schätzungswege als Mehreinnahmen der GmbH und zugleich als vGA an den Alleingesellschafter behandelte. Der Einspruch der GmbH blieb erfolglos. Mit der Klage wehrt sich die GmbH weiterhin gegen die Hinzuschätzung.

Entscheidung

Die Klage hatte teilweise Erfolg, da das FA hinsichtlich der beim Gesellschafter durchgeführten Bargeldverkehrsrechnungen keine Schätzungsbefugnis hatte.

Schätzungsbefugnis des FA bei Geldverkehrsrechnungen

Nach § 162 Abs. 2 AO hat das FA die Besteuerungsgrundlagen zu schätzen, soweit sie diese nicht ermitteln oder berechnen kann, wenn z. B. eine nicht ordnungsgemäße Buchführung der Besteuerung nicht nach § 158 AO zugrunde gelegt werden kann oder wenn Anhaltspunkte für deren Unrichtigkeit bestehen.

Die Bargeldverkehrsrechnung stellt zwar eine geeignete Verprobungsmethode zur Prüfung der sachlichen Richtigkeit und formell ordnungsgemäßen Buchführung und ggf. zur Aufklärung ungeklärter Einnahmen dar. Soweit höhere Barausgaben getätigt werden als aus den bekannten und vorhandenen Mitteln möglich, muss der Unterdeckungsbetrag zwangsläufig aus anderen Quellen bezogen worden sein. Der Steuerpflichtige hat dann nachzuweisen, dass diese ungeklärten weiteren Geldmittel nicht aus bislang nicht erfassten Betriebseinnahmen, sondern aus anderen steuerlich nicht relevanten Quellen stammen. Andernfalls kann auf solche bislang nicht erfassten Betriebseinnahmen geschlossen werden.

Dieser Grundsatz gilt nicht bei Geldverkehrsrechnung beim Gesellschafter einer GmbH

Diese Grundsätze gelten nicht ohne Weiteres, wenn die Geldverkehrsrechnung nicht bei der Kapitalgesellschaft selbst, sondern beim Gesellschafter-Geschäftsführer durchgeführt wird und hierbei ungeklärte Vermögenszuwächse festgestellt werden. Diese lassen nach der Rechtsprechung des BFH nicht den Schluss zu, dass die Kapitalgesellschaft entsprechende bislang nicht erfasste Betriebseinnahmen erzielt hat. Dies wäre nur möglich, wenn der Gesellschafter die entsprechenden Beträge im Namen und auf Rechnung der Kapitalgesellschaft vereinnahmt hat. Regelmäßig ist jedoch ebenso gut möglich, dass der Gesellschafter die Einnahmen im Rahmen von Eigengeschäften erzielt hat, was ihm grundsätzlich auch erlaubt ist. Dies ist zumal dann der Fall, wenn er bereits zuvor in derselben Branche oder anderweitig selbstständig tätig war. Auch wenn er durch Nichtaufklärung der Herkunft der Vermögenszuwächse seine steuerlichen Mitwirkungspflichten verletzt, können i. d. R. hieraus keine nachteiligen Schlüsse zulasten der Kapitalgesellschaft gezogen werden, da diese Pflichtverletzung nur dem Gesellschafter in seiner Person anzulasten ist. Nur bei ihm kann bei fehlender Aufklärung bezüglich der Mittelherkunft die für ihn selbst nachteilige Schlussfolgerung gezogen werden, dass er persönlich entsprechende bislang steuerlich nicht erfasste Einnahmen aus Eigengeschäften erzielt hat.

Folglich können die von der Bp vorgenommenen Bargeldverkehrsrechnungen bei der Klägerin im Streitfall keine eigenständige Schätzung begründen. Es kann offenbleiben, ob diese im Ergebnis Bestand hat, da sie nicht bei der Klägerin selbst, sondern beim Gesellschafter A durchgeführt wurde. Entsprechende Schlussfolgerungen können nur bei A selbst gezogen werden, falls eine bisher nicht erklärte gewerbliche Tätigkeit möglich ist.

Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass A als Gesellschafter der Klägerin erhebliche Barbeträge durch verdeckte Einlagen zugewandt hat.

In der Rechtsprechung ist noch nicht geklärt, ob die o. g. Grundsätze dann nicht gelten, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer eine Verbindung zwischen den Verantwortungssphären der Kapitalgesellschaft und ihm selbst dadurch hergestellt hat, dass er aus seinem Privatbereich herrührende Geldmittel im Wege von verdeckten Einlagen in die Kapitalgesellschaft geleistet hat und die Herkunft der Geldmittel bei ihm – dem Gesellschafter-Geschäftsführer – nicht aufklärbar ist (FG Köln 26.7.02, 13 K 2889/02, EFG 2003, 6, mit Verweis auf BFH 15.2.89, X R 16/86, BStBl II 89, 462). Das FG hält jedoch auch in dieser Frage die o. g. Grundsätze für anwendbar, weil es auch dann regelmäßig möglich ist, dass statt der Kapitalgesellschaft der Gesellschafter selbst bislang nicht erklärte Betriebseinnahmen erzielt hat. Andernfalls würde sich auch hier die Mitwirkungspflicht der Kapitalgesellschaft auf den Vermögensbereich des Gesellschafters erstrecken.

Hinzuschätzung wegen fehlerhafter Kassenführung rechtmäßig

Es bestand aber dem Grunde nach eine Schätzungsbefugnis nach § 162 Abs. 2 Satz 2 i. V. m. Abs. 1 AO. Die Gewinnermittlungen der Klägerin konnten nicht nach § 158 AO der Besteuerung zugrunde gelegt werden wegen der nicht ordnungsgemäßen Kassenführung. Die Klägerin hat für ihre offene Ladenkasse weder ordnungsgemäße Kassenberichte erstellt noch ein ordnungsgemäßes Kassenbuch geführt. Das FG hat die Hinzuschätzung allerdings auf einen (Un-)Sicherheitszuschlag i. H. v. 1,5 % der von der Klägerin getätigten Gesamtumsätze, nicht nur der Barumsätze, begrenzt. Dies folge aus den erheblichen Kassenführungsmängeln und der hohen Anfälligkeit der Art der Kassenführung für Schwarzeinnahmen. Wegen der komplexen Einzelheiten der „Kassenführung“ wird hier auf die Urteilsbegründung verwiesen.

Zulassung der Revision

Die Revision war wegen grundsätzlicher Bedeutung gem. § 115 Abs. 2 Nr. 1 FGO zuzulassen, da die vom FG entschiedene Frage in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht geklärt, aber klärungsbedürftig ist, ob die vom BFH aufgestellten Grundsätze auch dann gelten, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer einer Kapitalgesellschaft aus seinem Privatbereich herrührende Geldmittel im Wege von verdeckten Einlagen in die Kapitalgesellschaft geleistet hat und die Herkunft der Geldmittel bei ihm – dem Gesellschafter-Geschäftsführer – nicht aufklärbar ist.

 

Fazit | Es ist zu erwarten, dass der BFH sich der Rechtsauffassung des FG anschließt und die ggf. vom Gesellschafter einer Kapitalgesellschaft in diese eingelegten Barmittel bei ungeklärter Herkunft dieser Mittel nicht als Betriebseinnahmen der Gesellschaft in Form einer verdeckten Einlage erfasst. Hierzu müsste das FA nachweisen, dass der Gesellschafter diese Mittel im Namen und für Rechnung der Gesellschaft erwirtschaftet hat. Das FG stellt in seinem Urteil umfangreich die Voraussetzungen für eine ordnungsgemäße Kassenführung bei Bargeldeinnahmen zusammen, insbesondere bei Verwendung entsprechender DV-Programme. Auf eine Wiedergabe wurde hier wegen des Umfangs der Sachverhaltsdarstellung und der Urteilsgründe verzichtet. In der Praxis kann hierauf aber als Hilfestellung sehr gut zurückgegriffen werden.

 

Fundstelle

FG Münster 18.5.22, 10 K 261/17, Rev. zugelassen

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