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Kassenführung: Betriebsprüfung und Zuschätzung

Bei Betriebsprüfungen in Unternehmen gilt ein strenger Blick des Prüfers vor allem der Buchhaltung und der Kassenführung. Bereits bei nur kleineren Mängeln drohen Zuschätzungen zum Umsatz und Gewinn und damit Steuernachzahlungen. Hier ein Update zur Buch- und Kassenführung im Rahmen einer Außenprüfung und mit welchen neuen Urteilen und Verwaltungsanweisungen man sich gegen Zuschätzungen wehren kann.

Zumutbarkeitsvoraussetzungen bei offener Ladenkasse

Meldet sich ein Betriebsprüfer zu einer Prüfung an und stellt vor Ort fest, dass der Unternehmer eine offene Ladenkasse nutzt, sind in der Regel sehr kritische Fragen vorprogrammiert. Zwar besteht keine Registrierkassenpflicht (siehe dazu auch Merkblatt der OFD Karlsruhe zur Kassenführung unter ofd-karlsruhe.fv-bwl.de/,Lde/Startseite/Aktuelles/03_05_2021+Kassenbuchfuehrung). Jedoch sind bei offenen Ladenkassen die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Kassenführung mit hohem Aufwand verbunden. Auch hier ist die Aufzeichnung eines jeden einzelnen Handelsgeschäfts mit ausreichender Bezeichnung des Geschäftsvorfalls erforderlich (Nr. 2.1.4 des AEAO zu § 146 AO).

Eine Ausnahme von der Einzelaufzeichnungspflicht besteht nur dann, wenn es technisch, betriebswirtschaftlich und praktisch nicht zumutbar ist, die einzelnen Geschäftsvorfälle aufzuzeichnen (Nr. 2.2.1 des AEAO zu § 146 AO). Das Vorliegen der Unzumutbarkeit musste bisher vom Unternehmer nachgewiesen werden. Das führte bei Betriebsprüfungen regelmäßig zu Kontroversen mit dem Finanzamt, weil die Nachweise nicht anerkannt wurden. Doch diese strenge Regelung gilt nicht mehr.

 

Praxistipp

Kaum bemerkt wurde eine Vereinfachungsregelung veröffentlicht (BMF 12.1.22, IV A 3 – S 0062/21/­10007:001; Tz. 22). Danach ist in Nr. 2.2.2 des AEAO zu § 146 AO folgender Satz 2 hinzugefügt worden: „Bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des § 146 Abs. 1 Satz 3 AO ist die Zumutbarkeit nicht gesondert zu prüfen“. Der Unternehmer muss die Unzumutbarkeit der Einzelaufzeichnungen nicht mehr nachweisen.

 

Anforderung und Entgegennahme einer Daten-CD im Rahmen einer Betriebsprüfung

Eine typische Situation aus der Praxis: Das Finanzamt ordnet aus Verjährungsgründen kurz vor dem Jahresende eine Betriebsprüfung an, erscheint in der Steuerkanzlei, um eine CD mit den Buchhaltungsdaten abzuholen, und geht wieder. Hier stellt sich in der Praxis die Frage, ob es durch diese Handlungen zur Hemmung der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 4 Satz 1 AO gekommen ist?

Die Antwort kommt vom Hessischen ­Finanzgericht und lautet „ja“ (FG Hessen ­19.1.21, 8 K 1612/17). Denn für die Ablaufhemmung bedarf es zum einen einer Prüfungsanordnung und zum anderen dem Beginn der Betriebsprüfung. Die Prüfungsanordnung dürfte in der Regel kein Problem sein. Der Beginn der Prüfung setzt voraus, dass der Prüfer qualifizierte Ermittlungshandlungen durchführt, die für den Unternehmer erkennbar darauf gerichtet sind, den für die richtige Anwendung der Steuergesetze wesentlichen Sachverhalt zu ermitteln und zu überprüfen.

 

Praxistipp

Die Anforderung und die Entgegennahme der Buchhaltungs-CD vor Ablauf der Festsetzungsfrist ist eine solche qualifizierte Prüfungshandlung. Es handelt sich nach Auffassung des Finanzgerichts Hessen nicht um eine bloße interne Maßnahme des Finanzamts. Im Zeitpunkt der Entgegennahme der Daten-CD wird der Ablauf der Festsetzungs- bzw. Feststellungsfrist gehemmt.

 

Hinzuschätzungen wegen abstrakter Möglichkeit zur Löschung von Rechnungen?

Ermittelt ein Unternehmer seinen Gewinn nach der Einnahmen-Überschussrechnung und nutzt zum Schreiben seiner Rechnungen eine Software, darf das Finanzamt keine Zuschätzungen zum Umsatz und Gewinn durchführen, wenn die abstrakte Möglichkeit besteht, dass Rechnungen gelöscht oder geändert werden könnten, ohne dass dies in der Software aufgezeichnet wird (FG Niedersachsen 3.6.21, 11 K 87/20, rkr).

Formelle Mängel in der Buchführung und den Aufzeichnungen eines ­Steuerpflichtigen führen nur dann zur Schätzungsbefugnis, wenn diese wesentlich sind und daher Anlass geben, an der sachlichen Richtigkeit des Buchführungsergebnisses, d. h. an dem ermittelten Gewinn bzw. Umsatz zu zweifeln (ständige höchstrichterliche Rechtsprechung, vgl. z. B. BFH 14.12.11, XI R 5/10, BFH/NV 12, 1921; BFH 12.12.17, VIII R 5/14, BFH/NV 18, 602).

 

Praxistipp

Nur die abstrakte Möglichkeit, dass Rechnungen in einer Software nachträglich gelöscht oder geändert werden, stellt für das Finanzamt noch keine Schätzungsbefugnis dar. Ohne weitere Anhaltspunkte, dass Einnahmen nicht erfasst wurden, muss der Betriebsprüfer des Finanzamts die Buchführung als ordnungsmäßig anerkennen.

 

Fundstellen

  • BMF 12.1.22, IV A 3 – S 0062/21/10007 :001
  • FG Niedersachsen 3.6.21, 11 K 87/20
  • FG Hessen 19.1.21, 8 K 1612/17
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