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Juni 2010: Aktuell / Erbrecht - Erbschaftsteuer - Schenkungsteuer

Erbrecht, Erbschaftsteuer und Schenkungsteuer im Fokus aktueller Rechtsprechung zusammengefasst von Rechstanwalt/Steuerberater/Fachanwalt für Steuerrecht Stefan Arndt. Themen:

  1. Doppelerwerb von am Todestag aufgelaufenen Zinsen
  2. Keine Aussetzung der Vollziehung bei Zweifeln an Verfassungsmäßigkeit
  3. Zinsloser Kredit als Schenkung
  4. Geringerer Freibetrag für EU-Ausländer
  5. Kein Privileg für ehemalige Adoptionsverhältnisse
  6. Kein Anspruch auf Auskunft aus Erbschaftsteuerakte

1.

Gehören zu einem Nachlass festverzinsliche Wertpapiere, sind die bis zum Tod des Erblassers angefallenen noch nicht fälligen Zinsansprüche als erbschaftsteuerlicher Erwerb anzusetzen. Dies erfolgt nach einem aktuellen Urteil des BFH mit dem Nennwert der Anleihen, ohne dass es zum Abzug der beim Erben anfallenden Kapitalertragsteuer als Nachlassverbindlichkeit kommt. Der Abzug von Schulden setzt nämlich voraus, dass sie am Todestag rechtlich bestehen und den Erben wirtschaftlich belasten. Sind Zinsen zum Todeszeitpunkt noch nicht zugeflossen, besteht an diesem Stichtag keine Einkommensteuerschuld des Erblassers, auch wenn die bis dahin angefallenen Stückzinsen auf seinem Kapital und seiner Anlageentscheidung beruhen. Der Einkommensteuertatbestand wird erst mit Zufluss der Zinsen beim Erben verwirklicht.

Gleichzeitig gelten die zugeflossenen Zinsen in voller Höhe als Kapitaleinnahmen. Diese Doppelbelastung mit Einkommen- und Erbschaftsteuer ist in Kauf zu nehmen. Beide Abgabearten greifen auf verschiedene Steuerobjekte zu und belasten entweder den Vermögensanfall durch Erbschaft oder das Einkommen beim Erben. Die künftige Einkommensteuer trifft den Rechtsnachfolger dabei nicht in seiner Eigenschaft als Bedachter, sondern als Einkommensbezieher und richtet sich demgemäß allein nach den für ihn geltenden Merkmalen. Auch unter dem Gesichtspunkt einer Übermaßbesteuerung ergibt sich keine Notwendigkeit zu einem Abzug der latenten Einkommensteuerlast als Nachlassverbindlichkeit.

Hinweis des Steuerberaters:

Ab 2009 verringert § 35b EStG eine Doppelbelastung für fünf Jahre ab dem Erbfall, indem es auf Antrag eine Steuerermäßigung gibt. Dies gilt aber nicht für Kapitaleinnahmen, da diese keine tariflichen Steuern sind. Somit findet § 35b EStG keine Anwendung.

Fundstellen:

BFH 17.2.10, II R 23/09; BFH 14.11.07, II R 3/06, BFH/NV 08, 574

2.

Der BFH gewährt keine Aussetzung der Vollziehung wegen möglicher Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Erbschaftsteuerreform und folgt damit dem Tenor des FG München als Vorinstanz. Zwar sind Bescheide im Regelfall auszusetzen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. Doch in besonders gelagerten Ausnahmefällen kann dies trotz Vorliegens solcher Zweifel abgelehnt werden, etwa wenn es um Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit einer Gesetzesvorschrift geht. Hier ist die Gewährung von AdV zwar nicht ausgeschlossen, wie der BFH beispielsweise zum häuslichen Arbeitszimmer oder auch zur Pendlerpauschale entschieden hatte. Doch setzt dies ein besonderes Interesse des Antragstellers an der Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes voraus.

Bei der Prüfung ist das Interesse des Antragstellers gegen die öffentlichen Belange abzuwägen. Diese haben in Hinsicht auf die Erbschaftsteuer- reform Vorrang, da die angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken ansonsten zur vorläufigen Nichtanwendung des ganzen Gesetzes führen würden. Auf der Gegenseite ist der Eingriff beim Steuerpflichtigen als gering einzustufen, wenn ihm keine AdV gewährt wird. Die festgesetzte Steuer liegt nämlich deutlich unter der steuerpflichtigen Bruttozuwendung, sodass die vorläufige Zahlung ohne Weiteres zumutbar ist.

Hinweis des Rechtsanwalts/Steuerberaters:

Der BFH brauchte in diesem Beschluss nicht auf die Frage einzugehen, ob das Erbschaftsteuerreformgesetz verfassungsgemäß ist. Hierzu sind beim BVerfG aber bereits drei Verfahren anhängig. Da die Verwaltung Erbschaft- und Schenkungsteuerbescheide nicht vorläufig festsetzt, sollten Fälle ab 2009 über ein ruhendes Verfahren offen gehalten werden.

Fundstellen:

BFH 1.4.10, II B 168/09; BFH 25.8.09, VI B 69/09, BStBl II 2009, 826; FG München 5.10.09, 4 V 1548/09, EFG 10, 158; Beim BVerfG unter 1 BvR 3198/09, 1 BvR 3197/09 und 1 BvR 3196/09

3.

Als Schenkung gilt jede unentgeltliche Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Gebers bereichert wird. Vor diesem Hintergrund stellt die Einräumung eines zinslosen Darlehens nach einem Urteil des FG Köln eine Schenkung dar, weil der Begünstigte das überlassene Kapital unentgeltlich nutzen kann. Die Vermögensminderung aufseiten des Schenkers und die Bereicherung beim Kreditnehmer müssen dabei nicht identisch sein, sofern die Zuwendung bewusst erfolgt.

Der Schenker verzichtet auf eine übliche Einnahmemöglichkeit und erhält sein Kapital später zum gleichen Betrag zurück. Dies entspricht aber nur dann seinem Nennwert, wenn eine Verzinsung des Darlehens erfolgt. Ohne eine solche Verzinsung ist der Rückerstattungsanspruch durch Zeitablauf wertgemindert. Dies stellt eine Entreicherung des Kreditgebers und einen Vorteil für den Darlehensnehmer dar. Als steuerpflichtige Zuwendung gilt dabei der Teilbetrag des Kapitals, der nicht durch die abgezinste Rückzahlungspflicht ausgeglichen wird. Der Steuertatbestand wird dabei schon mit der Kapitalhingabe vollzogen und nicht zunächst nur versprochen. Gegenstand der freigebigen Zuwendung ist die Nutzungsmöglichkeit, die als schenkungsteuerliche Bereicherung mit dem Kapitalwert, also dem Vielfachen des Jahreswerts anzusetzen ist. Der Jahreswert des Nutzungsvorteils beträgt nach § 15 Abs. 1 BewG 5,5 %. Es sei denn, es steht ein anderer Wert fest. Der Vervielfältiger aus Anlage 9a zu § 13 BewG bemisst sich dann an der Laufzeit des Darlehensvertrags und wird mit dem Jahreswert multipliziert.

Hinweis des Steuerberaters:

Ein zinsloses Darlehen im Betriebsvermögen ist nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG mit dem abgezinsten Betrag in der Steuerbilanz zu passivieren und führt daher zu einem außerordentlichen Ertrag.

Fundstellen:

FG Köln 30.9.09, 9 K 2697/08; BFH 22.8.07, II R 33/06, BStBl II 08, 28; 7.11.07, II R 28/06, BStBl II 08, 258

4.

Haben weder Erblasser und Erbe oder Zuwendender und Beschenkter einen inländischen Wohnsitz, wird unabhängig vom Verwandtschaftsgrad gemäß § 16 Abs. 2 ErbStG nur ein Freibetrag von 2.000 EUR statt den persönlichen inländischen Freibeträgen von bis zu 500.000 EUR angesetzt. Das stellt nach einer aktuellen Entscheidung des EuGH eine Beschränkung des freien Kapitalverkehrs und somit einen Verstoß gegen EU-Recht dar, weil das ErbStG die Höhe des Freibetrags vom Wohnsitz abhängig macht und dies zu einer höheren Besteuerung für Gebietsfremde führt. Somit muss der Gesetzgeber bei der Bemessung der Erbschaft- und Schenkungsteuer für Ansässige anderer EU-Staaten die gleichen Freibeträge einführen wie für Inländer. Das Urteil betraf ein in den Niederlanden lebendes Kind, das von seiner dort lebenden Mutter ein Grundstück in Deutschland geschenkt bekommen hatte. Die Entscheidung ist aber generell auf alle Fälle anwendbar, in denen keiner der Beteiligten in Deutschland ansässig ist und es sich um im Inland belegenes Vermögen handelt. In diesem Fall gilt nämlich der deutlich niedrigere Freibetrag.

Die Entscheidung lässt sich im Übrigen auch auf betriebliches Vermögen übertragen, das unter vergleichbaren Verhältnissen übertragen wird sowie in Fällen der erweiterten beschränkten Steuerpflicht, die nach dem Auslandsumzug innerhalb bestimmter Fristen greift.

Hinweis des Rechtsanwalts/Steuerberaters:

Bedeutung hat das EuGH-Urteil für Betroffene mit beschränkter Steuerpflicht nach § 2 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG für alle künftigen Zuwendungen sowie für Sachverhalte, für die noch kein bestandskräftiger oder überhaupt noch kein Steuerbescheid vorliegt. Das Urteil lässt sich übrigens auch von Ehegatten, eingetragenen Lebenspartnern und Kindern verwenden, die den Versorgungsfreibetrag nach § 17 ErbStG beanspruchen können. Dieser steht nämlich derzeit ebenfalls nur unbeschränkt Steuerpflichtigen zu.

Fundstelle:

EuGH 22.4.10, C 510/08

5.

Bei der Annahme Minderjähriger erlischt das Verwandtschaftsverhältnis des Kindes und seiner Abkömmlinge zu den bisherigen Verwandten ebenso wie die sich daraus ergebenden Rechte und Pflichten. Um zu verhindern, dass sich das Erlöschen des bürgerlich-rechtlichen Verwandtschaftsverhältnisses in erbschaftsteuerrechtlicher Hinsicht nachteilig auswirkt, bestimmt § 15 Abs. 1a ErbStG, dass die Steuerklassen I und II trotzdem gelten. Dieses Privileg gilt jedoch nicht für den Fall, wenn die Verwandtschaft eines Adoptivkindes zum Erblasser vor dem Erbfall durch Aufhebung wieder erloschen ist (BFH 17.3.10, II R 46/08).

6.

Miterben muss das Finanzamt keine Kopien der von Kreditinstituten eingereichten Anzeigen über die dort geführten Konten und Depots des verstorbenen Erblassers überlassen. Ein Erbe hat keinen Auskunftsanspruch gegen das Finanzamt, sofern kein Besteuerungsverfahren unter seiner Beteiligung durchgeführt worden ist. Die Anzeigen der Kreditinstitute stellen zwar Unterlagen für die Erbschaftsbesteuerung dar, können aber nur Beteiligten am Besteuerungsverfahren zur Verfügung gestellt werden. Das Finanzamt muss keine Informationen erteilen, die für außersteuerliche Zwecke relevant sein können (BFH 23.2.10, VII R 19/09).

 

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