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Juli 2010: Steuerstrafrecht: Strafbefreiende Selbstanzeige / Dinglicher Arrest

In diesem Monat greifen wir erneut das akute Thema (Steuerdaten-CD aus Liechtenstein) der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung auf. Steuerhinterzieher werden durch ihren Rechtsanwalt/Steuerberater/Fachanwalt für Steuerrecht aus unserer Sicht zu häufig bzw. zu schnell zur Selbstanzeige beraten.

Ferner berichten wir neben diversen Themen zur Selbstanzeige und Steuerstrafverfahren über einen aktuellen Fall aus eigener Praxis in Bezug auf den dinglichen Arrest in das Vermögen wegen Verdachts der Steuerhinterziehung.

Hinweis: Geplante Änderungen bei der strafbefreienden Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung

1. Raten Rechtsanwälte und Steuerberater zu schnell zur Selbstanzeige?

Bereits im Februar 2010 hatten wir mit unserem Monatsthema die Frage aufgeworfen, ob die strafbefreiende Selbstanzeige wirklich immer die beste Lösung ist, wenn wieder einmal Daten-CD`s von der Steuerfahndung angekauft werden. Die Angst vor Hausdurchsuchungen und Aufdeckung einer Steuerhinterziehung mit dem entsprechenden Steuerstrafverfahren ist der häufigste Grund, warum uns Mandanten seit Beginn der Daten-CD Problematik aufsuchen.

Nachdem jetzt aktuell Daten aus Liechtenstein in den Händen der Steuerfahnder sind (beachten Sie insoweit auch das Monatsthema Februar 2008), werden erneut Fälle der Steuerhinterziehung bei den Rechtsanwälten/Steuerberatern landen, die sich der Steuerstrafverteidigung widmen. Wir weisen darauf hin, dass eine genaue Analyse des Sachverhalts notwendig ist, um in einem solchen Steuestrafverfahren den richtigen Weg zu gehen bzw. ein Steuerstrafverfahren sogar gänzlich zu vermeiden. Lassen Sie sich von einem erfahrenen Rechtsanwalt und Steuerberater beraten!

2. Strafbefreiende Selbstanzeige nur bei Steuerehrlichkeit

Der BGH (Beschluss vom 20. Mai 2010 - 1 StR 577/09) hat in einem Urteil grundlegende Ausführungen zur strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung im Sinne des § 371 Abgabenordnung gemacht:  

Durch die wirksame strafbefreiende Selbstanzeige erlangt der Steuerhinterzieher aus fiskalischen Gründen die Möglichkeit nachträglich Straffreiheit, wenn er durch Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung von Angaben gegenüber dem Finanzamt der Finanzverwaltung bislang verborgene Steuerquellen erschließt. Hinzukommen muss aber die Rückkehr zur Steuerehrlichkeit.

Daher steht demjenigen Steuerhinterzieher keine Straffreiheit zu, der von mehreren bisher den Finanzbehörden verheimlichten Auslandskonten nur diejenigen offenbart, deren Aufdeckung er befürchten musste. Eine Selbstanzeige erfordert anch Auffassung des BGH die Offenbarung aller Konten.

Ebenfalls kommt die Strafbefreiung nicht in Betracht, wenn die Steuerhinterziehung bereits entdeckt ist. Eine Tatentdeckung ist in der Regel bereits dann anzunehmen, wenn nach Aufdeckung einer Steuerquelle unter Berücksichtigung vorhandener weiterer Umstände nach allgemeiner kriminalistischer Erfahrung eine Steuerstraftat oder -ordnungswidrigkeit nahe liegt. Stets ist die Tat entdeckt, wenn der Abgleich mit den Steuererklärungen des Steuerpflichtigen ergibt, dass die Steuerquelle nicht oder unvollständig angegeben wurde.

Kommt es wegen des Verdachts einer Steuerstraftat oder Steuerordnungswidrigkeit zu einer Durchsuchung, entfällt die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige. Dies gilt auch für solche Taten, die mit dem bisherigen Ermittlungsgegenstand in sachlichem Zusammenhang stehen.

Sofern Finanzbehörden ein steuerstrafrechtliches Ermittlungsverfahren selbständig führen, obliegt es ihnen, in gewichtigen Fällen die Staatsanwaltschaft auch bei der Prüfung der Frage einzuschalten, ob eine Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung hat. Nur so ist gewährleistet, dass die Staatsanwaltschaft die Wirksamkeit der Selbstanzeige selbst prüfen und das Verfahren erforderlichenfalls an sich ziehen kann.

Hinweis des Rechtsanwalts/Steuerberaters:

Die Beratung durch den Fachmann in Fällen der strafbefreienden Selbstanzeige wird damit immer unerlässlicher, um schwerwiegende Nachteile zu vermeiden.

Die strafbefreiende Selbstanzeige entwickelt sich auf Grundlage dieser Rechtsprechung zu einer hoch riskanten Angelegenheit. Erfahrungsgemäß kommt es immer wieder zu Beratungssituationen für den Fachanwalt für Steuerrecht/Steuerberater, in denen der Steuerhinterzieher als Mandant seinem Berater gegenüber nicht den vollständigen Sachverhalt offenbar. Häufig geschieht dies in der Annahme, dass der verschwiegene Sachverhalt so sicher ist, dass eine Aufdeckung durch das Finanzamt nicht zu befürchten steht. Darüber hinaus ergibt sich regelmäßig die Beratungssituation, dass der Mandant bestimmte Sachverhalte nicht als steuerstrafrechtlich relevant erachtet.

Die so genannte Selbstanzeige in Stufen, welche die Sachverhalte der Steuerhinterziehung dem Finanzamt in der Form darstellt, dass zunächst das Zahlenmaterial im Wege der Schätzung ermittelt wurde, birgt noch weitere Gefahren in sich. Unterlaufen dem Steuerpflichtigen oder seinem Steuerberater/Fachanwalt für Steuerrecht dabei Fehler und führen diese Fehler zu einer zu niedrigen Schätzung, ist insgesamt die Straffreiheit der Selbstanzeige in Gefahr.

Abschließend weisen wir noch auf die Sonderproblematik der Steuerberaterhaftung bzw. das Problem der Schadensersatzansprüche gegenüber dem im Steuerstrafverfahren tätigen Rechtsanwalt/Fachanwalt für Steuerrecht hin. Denn klärt der Steuerstrafverteidiger seinen Mandanten nicht auf die Folge einer fehlerhaften Selbstanzeige hin und gelangt der Steuerhinterzieher dadurch zu der Auffassung, dass wenigstens für die von ihm erklärten Sachverhalte die Straffreiheit gewährleistet sei, können sich erhebliche Schäden zulasten des Mandanten ergeben.

3. Die Zukunft der strafbefreienden Selbstanzeige

Seit Juni 2010 verdichten sich die Anzeichen der Verschärfung der Instruments der Selbstanzeige. Einige Bundesländer unterstützen einen Gesetzesentwurf, nach dem eine Änderung der Voraussetzung für die Selbstanzeigebeinhalten soll:

Die strafbefreiende Selbstanzeige soll nicht mehr möglich sein, wenn das Finanzamt eine Prüfung angeordnet hat.

Nach der aktuellen Gesetzeslage konnte eine entsprechende Erklärung bis zum Zeitpunkt des Erscheinens des Prüfers vor Ort abgegeben werden.

Die strafbefreiende Selbstanzeige soll nunmehr alle unterbliebenen bzw. falschen Angaben der Vergangenheit korrigieren.

Ob dies wirklich eine Änderungn darstellt ist in Anbetracht der oben erwähnten Entscheidung des BGH fraglich und wohl bereits jetzt durch die Rechtsprechung eingeführt.

Künftig soll ein Zuschlag für den Selbstanzeigenden von insgesamt fünf Prozent auf den hinterzogenen Betrag zusätzlich zu den anfallenden Hinterziehungszinsen von sechs Prozent pro Jahr gelten.

Damit kann man von Strafbefreiung sicherlich nicht mehr sprechen, es ginge damit nur noch um eine Strafpauschalierung. Ob diese den Steuerhinterzieher gegenüber anderen in Betracht kommenden Maßnahmen besser stellt, kann der Rechtsanwalt/Steuerberater nur im Einzelfall prüfen.

4. BFH zum Verhältnis Steuerstrafverfahren und Besteuerungsverfahren

Der BFH sollte über die grundsätzliche Frage entscheiden, ob eine tatsächliche Verständigung und die in der Folge ergangenen Steuerbescheide wegen Ausübung unzulässigen Drucks oder wegen Unterdrückung von entlastendem Beweismaterial unwirksam sind, wenn von den Ermittlungsbehörden die Aussetzung der Untersuchungshaft nach § 116 StPO an die Unterschrift einer von der Steuerfahndung entworfenen tatsächlichen Verständigung gekoppelt wird, auch wenn die Vereinbarung unter Beteiligung von Rechtsbeiständen zustande kam.

Weiter war darüber zu entscheiden, ob das Finanzamt zum Erlass wegen sachlicher Unbilligkeit verpflichtet ist, wenn die Gründe für eine Anfechtung der tatsächlichen Verständigung (bitte beachten Sie hierzu auch unseren Artikel zur tatsächlichen Verständigung) und die Geltendmachung der Unwirksamkeit der Einspruchsrücknahme aus Mangel an Beweisen, die in der Sphäre der Finanzverwaltung lagen, innerhalb der gesetzlichen Ausschlussfrist (§ 110 Abs. 3, § 362 Abs. 2 Satz 2 Abgabenordnung) vom Steuerpflichtigen nicht geltend gemacht wurden.

Der BFH hat darauf hingewiesen, dass rechtswidrige Einflussnahmen auf die Entschließungsfreiheit nicht nur pauschal behauptet werden dürfen, sondern insoweit konkret darzulegen sind, inwiefern sie den Steuerpflichtigen zum Abschluss der tatsächlichen Verständigung und zur Rücknahme der Einsprüche gezwungen haben. Hierzu ist nach Ansicht der Richter eine fortdauernde rechtswidrige Beeinflussung  — von den Verhandlungen über die tatsächliche Verständigung, die Bekanntgabe der Steuerbescheide, die Einspruchseinlegung bis zur Einspruchsrücknahme — notwendig.

Inhaltlich hatte bereits das BFH-Urteil in BFH/NV 1999, 937 zur weiteren Frage der Rücknahme eines Rechtsbehelfs Stellung genommen. Diesem Urteil lässt sich zwar der Rechtssatz entnehmen, dass die im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung erfolgte Zusage einer Klagerücknahme durch einen anwaltlich vertretenen Steuerpflichtigen im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung dann nicht bindet, wenn die mitwirkenden Finanzbeamten im Zusammenwirken mit der Staatsanwaltschaft unzulässigen Druck ausübten, um unhaltbare Steueransprüche durchzusetzen.

In diesem Zusammenhang ist die Mitwirkung eines Steuerkundigen (Rechtsanwalt/Fachanwalt Steuerrecht/Steuerberater) jedoch als Indiz dafür zu werten, dass die tatsächliche Verständigung keine überhöhten Besteuerungsgrundlagen enthält.

Die in dem Verfahren weiter aufgeworfene Rechtsfrage, ob es zulässig ist, im Rahmen einer Strafurteilsabsprache zu vereinbaren, dass auf ein Rechtsmittel im Besteuerungsverfahren verzichtet wird oder dass das Gericht im Rahmen einer Urteilsabsprache darauf hinwirkt, dass ein Rechtsmittelverzicht erklärt wird, sind im Revisionsverfahren nicht klärbar. Abgesehen davon, dass diese Fragen nicht das Steuer-, sondern das Strafprozessrecht betreffen, ist durch die höchstrichterliche Rechtsprechung bereits geklärt, dass die Unwirksamkeit der Rücknahme eines Einspruchs nur in außergewöhnlichen Fällen unzulässiger Einwirkung auf die Willensbildung des Steuerpflichtigen in Betracht kommt. Das ist der Fall, wenn die Rücknahme durch bewusste Täuschung, Drohung, bewusst falsche Auskunft oder mittels rechtlich offensichtlich unzutreffender Erwägungen der Finanzbehörde —insbesondere gegenüber rechtsunkundigen Steuerpflichtigen— veranlasst wird (vgl. BFH-Urteil vom 1. September 1988 V R 139/83, BFH/NV 1989, 206, m.w.N.).  

5. LG Hagen: Arrest in das Vermögen des Beschuldigten ist vorrangig durch die Finanzbehörde selber und nicht durch Zivilgerichte vorzunehmen.

Das Amtsgericht Hagen hatte auf Antrag eines Finanzamts für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung den dinglichen Arrest in Höhe von über 2.000.000 € in das Vermögen einer GmbH angeordnet, deren Gesellschaftergeschäftsführer der Umsatzsteuerhinterziehung im Rahmen eines sogenannten Umsatzsteuerkarussells verdächtig war. Auf die gegen diesen Beschluss gerichtete Beschwerde durch Herrn Rechtsanwalt/Steuerberater Arndt hat das Landgericht Hagen den Arrestbeschluss des Amtsgerichts aufgehoben und sämtliche auf Grundlage des Arrestbeschlusses ausgebrachten Pfändungen des Finanzamtes ebenfalls aufgehoben.

Zur Begründung führt das Landgericht Hagen aus:

Grundsätzlich kann auch die Finanzverwaltung als Verletzter i.S. der StPO angesehen werden. Somit ist auch die Anordnung eines Arrestes auf Antrag der Finanzverwaltung zulässig.

Unabhängig davon ist allerdings die Arrestanordnung unverhältnismäßig, da für den Steuerfiskus kein ausreichendes Sicherungsbedürfnis besteht. Das Finanzamt hat nämlich vorliegend verkannt, dass es selber die Möglichkeit hat einen dinglichen Arrest nach § 324 AO zu erlassen. Die Inanspruchnahme des zivilrechtlichen Weges ist damit subsidiär.

Der Rückgriff der Finanzverwaltung auf die Regeln der Abgabenordnung ist darüber hinaus auch zweckmäßig, da dem Finanzamt der aktuelle Stand der Steuerforderungen immer zahlenmäßig bekannt ist. Eine verfassungsrechtlich zwingend gebotene Anpassung eines Arrestes kann damit wesentlich schneller und unkomplizierter durchgeführt werden, als es der Staatsanwaltschaft oder den Amtsgerichten möglich ist.

Auch wird aus dem Antrag auf Anordnung eines dinglichen Arrestes durch die Finanzverwaltung deutlich, dass offensichtlich das Sicherungsbedürfnis der Finanzverwaltung nicht sonderlich hoch sein kann. Denn wenn dies so wäre, hätte das Finanzamt unmittelbar selbst einen Arresttitel erlassen.

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