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Haftung des Steuerberaters bei Fristversäumnis

Der Bundesfinanzhof hat mit Beschluss vom 27.7.2011 (IV B 131/10) über den Wiedereinsetzungsantrag in den vorigen Stand wegen Versäumung der Frist zur Begründung einer Nichtzulassungsbeschwerde entschieden. Weiterer Gegenstand des Verfahrens war die Frage des Verschuldens bei elektronischer Fristenkontrolle durch den Steuerberater.

Der Steuerberater des Klägers beantragte beantragte beim BFH Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Versäumung der Begründungsfrist für eine Nichtzulassungsbeschwerde. Gestützt wurde der Antrag auf die Begründung, dass der Ablauf der Begründungsfrist ordnungsgemäß in den elektronischen Fristenkalender der Kanzlei eingetragen worden sei. Der Kalender werde über ein zertifiziertes Datev-Programm geführt.

Das Sekretariat der Prozessbevollmächtigten lege sämtliche Schreiben, die eine Frist beinhalteten, einem Partner in der Sozietät vor. Dieser sei seit Gründung der Kanzlei sowohl für die Kontrolle der Eintragung der Fristen als auch für die Einrichtung von Rechnern und die Installation von Software zuständig.

In der Folge kam es zu diversen Neuinstallationen von EDV-Programmen, darunter auch Datev. Ein weiterer Steuerberater der Kanzlei, an den die entscheidende Fristsache übertragen worden sei, habe allerdings keine Kenntnis von Ablauf und Auswirkungen der Installationsarbeiten gehabt. Als er seinen Rechner morgens eingeschaltet habe, habe sich gezeigt, dass Windows 7 installiert worden sei. Er sei davon ausgegangen, dass damit die Installation abgeschlossen gewesen sei. An diesem Tag habe er keine Fristenmitteilungen über den Rechner erhalten. Dies sei jedoch nicht ungewöhnlich, da er an Tagen, an denen keine Fristen abliefen, ohnehin keine Mitteilungen erhalte. Erst als er am zweiten Tag in Folge, wieder keine Fristenmitteilung erhalten habe, habe er sich gewundert und Kollegen gefragt, ob es gegebenenfalls Probleme mit der Fristenbenachrichtigung geben könne. Daraufhin habe der hinzugerufene Kollege mitgeteilt, dass er es versäumt habe, die individuellen Datev-Einrichtungen am Rechner des Steuerberaters vorzunehmen. Das sei umgehend nachgeholt worden, wobei auch die bereits abgelaufene Begründungsfrist angezeigt worden sei.

Der Mitarbeiter sei seit 2001 Steuerfachangestellter und arbeite in der Kanzlei seit einigen Jahren. Neben seiner steuerrechtlichen Tätigkeit richte er von Beginn an Rechner ein und installiere Software. Er arbeite stets zuverlässig und habe sich seit Beginn seiner Tätigkeit für die Kanzlei keine Verfehlungen zu Schulden kommen lassen. Unregelmäßigkeiten seien nicht bekannt. Deshalb habe der Steuerberater davon ausgehen dürfen, dass der Mitarbeiter seinem Auftrag nachkomme, die Datev-Einrichtungen an allen Rechnern und damit auch die Aktivierung der elektronischen Fristenkontrolle vorzunehmen.

Der BFH hat die Beschwerde als unzulässig zurückgewiesen, weil sie nicht fristgerecht begründet wurde. Nach § 116 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist eine Nichtzulassungsbeschwerde innerhalb von zwei Monaten nach der Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Diese Frist kann nach § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag um einen weiteren Monat verlängert werden. Vorliegend ist die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde verspätet beim BFH eingegangen, wie zwischen den Beteiligten nicht streitig ist. Das angefochtene Urteil wurde am 4. November 2010 zugestellt. Die vom Vorsitzenden verlängerte Begründungsfrist ist am 4. Februar 2011 abgelaufen. Die Begründung ist jedoch erst am 18. Februar 2011 eingegangen. 

Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Begründungsfrist war nicht zu gewähren. Wenn jemand ohne Verschulden verhindert war, eine gesetzliche Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§ 56 Abs. 1 FGO). Der Antrag ist bei Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde binnen eines Monats nach Wegfall des Hindernisses zu stellen; die Tatsachen zu seiner Begründung sind glaubhaft zu machen und die versäumte Rechtshandlung ist innerhalb der Antragsfrist nachzuholen (§ 56 Abs. 2 FGO). Ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem Kläger nach § 155 FGO i.V.m. § 85 Abs. 2 der Zivilprozessordnung zuzurechnen.

Steuerberater müssen für eine zuverlässige Fristenkontrolle sorgen und die Organisation des Bürobetriebs so gestalten, dass Fristversäumnisse vermieden werden (u.a. BFH-Beschluss vom 21. Januar 2003 X B 118/02, BFH/NV 2003, 645). Wird das Verfahren der Fristenkontrolle geändert und/oder zeitweise außer Kraft gesetzt, muss deshalb durch organisatorische Maßnahmen sichergestellt werden, dass die Fristen eingehalten werden. Dem entsprechend hat der BFH entschieden, dass ein Wechsel in der Person des mit der Fristenkontrolle betrauten Büropersonals eine besondere Sorgfalt und Kontrolle der im Zeitpunkt des Wechsels laufenden Fristen durch den Angehörigen der rechts- und steuerberatenden Berufe selbst erfordert (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2003, 645, und vom 13. Juli 1989 VIII R 55/88, BFH/NV 1990, 248).

Bei einer elektronischen Fristenkontrolle können keine geringeren Anforderungen gelten (vgl. Beschluss des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 12. Oktober 1998 II ZB 11/98, Deutsches Steuerrecht 1999, 251). Wird die elektronische Fristenkontrolle --wie z.B. im Streitfall im Zuge einer Neuinstallation des Rechners-- außer Funktion gesetzt, muss sich der Angehörige der rechts- und steuerberatenden Berufe entweder selbst rechtzeitig vergewissern, dass die Fristenkontrolle wieder funktioniert, oder die Einhaltung der laufenden Fristen in anderer Form sicherstellen (zu den Sorgfaltspflichten bei elektronischer Fristenkontrolle s.a. BFH-Beschluss in BFH/NV 2002, 44; BGH-Beschluss vom 12. Dezember 2005 II ZB 33/04, Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungsreport Zivilrecht 2006, 500). Im Streitfall war zwar der Prozessbevollmächtigte über die im Zuge der Installation des neuen Betriebssystems unvermeidliche Neuinstallation (auch) des elektronischen Fristenkontrollprogramms informiert. Er hat diese jedoch weder selbst überwacht noch sichergestellt, dass der mit der Bearbeitung des Streitfalls befasste Prozessbevollmächtigte die erforderliche Kontrolle vornahm oder zumindest (rechtzeitig) in anderer Form über den Fristablauf informiert wurde. Dass die erforderliche erneute Aktivierung der elektronischen Fristenüberwachung auf dem Rechner des Prozessbevollmächtigten einem vertrauenswürdigen und ansonsten zuverlässigen Mitarbeiter übertragen worden war, genügt nicht. Das Verschulden des Steuerberaters ist dem Kläger zuzurechnen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand war daher nicht zu gewähren.

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