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Die Strafbefreiende Selbstanzeige – Erste Erfahrungen mit der neuen Regelung

Nach den kontroversen Diskussionen um die Steuerflucht deutscher Steuerbürger nach Liechtenstein sowie der Flut von Selbstanzeigen nach dem Auftauchen diverser Steuer-CD`s aus der Schweiz sah sich der Gesetzgeber genötigt, eine schon viele Jahre kritisierte Besonderheit des Steuerstrafrechts neu zu regeln.

Die darauf folgende Umgestaltung der sogenannten strafbefreienden Selbstanzeige im Mai 2011 führte zu einer drastischen Verschärfung des Steuerstrafrechts und damit zwingend zu anderen Beratungsansätzen des Rechtsanwalts/Steuerberaters/Fachanwalts für Steuerrecht in Hinterziehungsfällen.

Die neue Selbstanzeige bei Steuerhinterziehung

Die Neuregelung sieht vor, dass

  • alle unverjährten Steuerhinterziehungen im Rahmen einer Steuerart durch die Nachmeldung offenbart werden;
  • bereits mit Bekanntgabe der Anordnung einer Betriebsprüfung die sogenannte Sperrwirkung einsetzt;
  • alle unverjährten Steuerhinterziehungen der geprüften Steuerart gesperrt sind und
  • die Selbstanzeige bei Steuerverkürzung in erheblichem Umfang - über 50.000 Euro - die Einstellung des Steuerstrafverfahrens nur bei Zahlung eines Geldbetrags in Höhe von 5% der hinterzogenen Steuer zahlt, was letztlich einer Strafzahlung gleichkommt.

Diese Neuerungen stehen im Raum und haben in der Kürze der seit Inkrafttreten verstrichenen Zeit bei weitem noch nicht die Erfahrungswerte generiert, die zu einer abschließenden und damit rechtssicheren Beurteilung aller in Betracht kommenden Konstellationen notwendig wären. Die Fachliteratur ist voll von Aufsätzen, die zum Teil beachtenswerte rechtstheoretische Ansätze zur Gesetzesauslegung bieten. Die Rechtsprechung hatte noch nicht genug Zeit, um Zweifelsfälle der Selbstanzeige abzuurteilen. Was Mandanten konkret zu Gute kommt ist zum jetzigen Zeitpunkt daher überwiegend die Erfahrung aus konkreten Fällen und dem diesbezüglichen Verhalten der betroffenen Finanzämter für Steuerstrafsachen, selbstverständlich im Zusammenspiel mit den teilweise unausweichlichen Schlussfolgerungen, die das Gesetz - sei es auch hinsichtlich der Regelungen zur neuen Selbstanzeige semantisch in Teilbereichen noch so verunglückt - zulässt. Hierin liegt der Ansatz der nachfolgenden Ausführungen, die diese beiden Bereiche - Gesetz und Praxis - berücksichtigen.

Die Teil-Selbstanzeige in der Praxis des Steueranwalts und Steuerberaters

Für die Beraterpraxis erhebliche Konsequenz hat der Umstand, dass alle nach dem 02. 05. 2011 abgegebenen Teilselbstanzeigen nicht mehr zur Straffreiheit führen können. Im Zeitraum vom 28.04.2001 bis 03.05.2011 galt noch eine Sonderregelung bzw. Zwischenlösung vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BGH.  Hierauf möchte ich aufgrund des sehr eingeschränkten Kreises von Betroffenen  nicht weiter eingehen. 

Nun kann man sagen, dass der durch einen erfahrenen Steuerstrafrechtler vertretene Mandant erst gar keine Teilselbstanzeige abgeben wird. Dies ist jedoch vor dem Hintergrund einer umfassenden rechtlichen Beratung des Mandanten nicht richtig, denn als Steueranwalt stehe ich in der Pflicht, den Täter einer Steuerhinterziehung über alle denkbaren Handlungsalternativen in Bezug auf seinen Fall zu informieren. Dies geschieht jeweils begleitet von einer weitreichenden Risikobelehrung. Nur so eröffne ich Mandanten die Möglichkeit, selbstbestimmt den für ihn - jedenfalls aus seiner Sicht - richtigen Weg zu gehen. Dass dieser Weg von dem durch den Berater empfohlenen Verhalten abweichen kann, ist offenbar. Konsequenterweise muss daher die vorgenannte Risikobelehrung rechtssicher sein. Dies führt zurück zu der Abgabe einer Teilselbstanzeige.

Die Problematik der diesbezüglichen Neuregelung steckt in der zu diesem Aspekt unsauberen Gesetzgebung. Es wird insoweit durch den Gesetzgeber verlangt, dass - bezogen auf alle unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart - in vollem Umfang die unrichtigen Angaben der Vergangenheit berichtigt, die unvollständigen Angaben ergänzt oder die unterlassenen Angaben nachgeholt werden.

Bereits die Frage nach dem Begriff der Verjährung in diesem Zusammenhang ist - trotz der unklaren Gesetzesformulierung - zum Schutz des Mandanten zwingend rechtssicher durch den Rechtsanwalt/Steuerberater zu beantworten. Im Ergebnis kommt es hierbei auf die Strafverfolgungsverjährung gemäß §§ 78 ff. StGB an. Nachdem diese 2008 bereits für die Steuerverkürzung geändert worden waren, kommt es zu einem in der Praxis relevanten Folgeproblem. Denn in der Vergangenheit liegende Fälle der Steuerhinterziehung großen Ausmaßes waren bei Neuregelung der Verjährung in 2008 ggf. noch nicht verjährt. Der Berater wird dann nicht umhin kommen, im ersten Schritt der Bearbeitung des Mandats Vergangenheitsbewältigung zu betreiben.

Weiterer praktischer Problemfall von nicht zu unterschätzendem Ausmaß wird die unvollständige Selbstanzeige sein, deren mangelhafte Abfassung dem Täter der Steuerhinterziehung bei Aufsetzung der Selbstanzeige nicht klar ist, er somit unbewusst und in den meisten Fällen sicher auch ungewollt einen oder mehrere steuererhebliche Sachverhalte in seiner Schilderung vergisst. Konsequenz ist nach dem Wortlaut der Norm, dass die Strafbefreiung insgesamt in Gefahr gerät.

In der Praxis stellt sich heraus, dass die Steuerfahndung bzw. das Finanzamt für Steuerstrafsachen im regelfall mit sehr viel Augenmaß an verunglückte Selbstanzeigen herangeht, wenn der zugrundeliegende Sachverhalt extrem fehleranfällig ist. Das ist insbesondere bei länger zurückligenden Veranlagungen einschließlich der relevanten Besteuerungsmerkmale häufig der Fall. Auch Fallkonstellationen, in denen Erbengemeinschaften die Steuerhinterziehungen des Erblassers entdecken und damit in der Verpflichtung stehen, alte Sachverhalte aufzuarbeiten, an denen sie selber nicht beteiligt waren, unterliegen nicht den strengen Anforderungen an eine vollständige Tatbestanddarstellung zur ermittlung der richtigen Besteuerung.

Teil-Selbstanzeigen hingegen, die allein aus taktischen Gründen abgegeben werden und somit bewusst Informationen zurückhalten, führen zu erheblichen Problemen für den Steuerhinterzieher. Die Selbstanzeige ist rechtssystematisch als Schritt in die Ehrlichkeit aufgebaut., der belohnt wird. Wenn dieser Weg dann nur unter Vorbehalt beschritten wird, kann der Täter nicht auf Kompromisse in seinem Fall hoffen.

Zahlung der hinterzogenen Steuerbeträge

Ebenso birgt die Neuerung das Risiko, bei fehlender Liquidität die nachzuentrichtenden Steuern nicht begleichen zu können und damit keine Straffreiheit zu erlangen. Auch in diesem Zusammenhang wurde und wird in der Fachliteratur auf verschiedenste Art argumentiert. Letztlich wird man zu dem Schluss kommen müssen, dass die Steuerzahlung jahresbezogen betrachtet werden muss und damit partiell die Möglichkeit der Straffreiheit auch für weniger liquide Steuerhinterzieher in Betracht kommt.

Insbesondere der Steuerberater ist hier gefragt. Die Selbstanzeige sollte niemals ein Schnellschuss sein, sondern im Vorfeld einer abschließenden Beratung unterlegen haben. Zu dieser gehört u.U. auch die lösungsorientierte Besprechung der Finanzierung anstehender Nachzahlungsbeträge. Der Steuerberater sitzt dabei an der Quelle (Jahresabschlüsse, Buchführung, Vermögensaufstellung) und kann bereits im Vorhinein Gespräche mit Kreditinstituten vorbereiten und durchführen. So ließ sich schon vielfach der notwendige Betrag kurzfristig erreichen (etwa über Hypotheken) und stand für Steuerzahlungen zur Verfügung.

Erneute Selbstanzeige

Denkbar ist darüber hinaus der Fall, dass nach Abgabe der Selbstanzeige der Täter im Nachhinein weitere Hinterziehungstatbestände offenbaren will, sei es, weil er beim ersten „Versuch" noch etwas vergessen hat, oder aber, dass er sich bewusst - trotz Kenntnis des Risikos - nicht umfassend erklärt hat. In beiden Fällen darf selbstverständlich das Vorliegen einer bloßen Teilselbstanzeige nicht bei den Ermittlern aufgefallen sein.

Wie geht der Steueranwalt nun mit einem solchen Mandanten um? Vieles spricht dafür, dass juristisch betrachtet eine erneute Selbstanzeige möglich ist. Ein Blick auf die bisherige Rechtslage bestätigt dies, konkrete Änderungen wurden seitens des Gesetzgebers hier nicht vorgenommen. In der Praxis sollte man daher entsprechend verfahren und im zweiten Anlauf versuchen, dann wirklich vollständig alle Sachverhalte zu übermitteln.

Betriebsprüfungsanordnung als Sperrgrund - Aufgaben des Steuerberaters

Erhebliche Relevanz in der Steuerberaterpraxis hat aus meiner Erfahrung der erweiterte Sperrgrund der Bekanntgabe einer Betriebsprüfungsanordnung gegenüber dem Täter. Ich spreche an dieser Stelle bewusst von der Praxis des Steuerberaters, denn hier ist die Basis der vorausschauenden professionellen Beratung des Steuerhinterziehers bei Offenbarung der Straftat gegenüber dem Berater.

Vor Bekanntgabe der Außenprüfung

Es geht hier zunächst um die wirksame Selbstanzeige, die dem Mandanten zur Straffreiheit verhelfen soll. Dazu muss er aber vor Mitteilung über den Beginn einer Betriebsprüfung beraten werden. Und zwar rechtssicher. Daran sollte den Steuerberatern auch gelegen sein, denn es ergeben sich doch einige Vorteile.

Natürlich kann sich eine Beratung nur bei Kenntnis des Steuerberaters von der Straftat überhaupt ergeben. Erfahrungsgemäß offenbaren sich Mandanten aber - meist durch externe Ereignisse beeinflusst (Liechtenstein, Schweiz) - zu einem gewissen Zeitpunkt. Dann muss im Hinblick auf die Möglichkeit anstehender Betriebsprüfungen agiert werden.

Grundsätzlich ist es Steuerberatern erlaubt, im Steuerstrafrecht tätig zu werden. Sie sind berechtigt, Ihre Mandanten im außergerichtlichen Steuerstrafverfahren wie vor Gericht zu vertreten. Berater wie auch Mandanten übersehen diese Möglichkeit häufig.

Wenn ich hier speziell von der Selbstanzeige spreche führt die Beratung und Vertretung des Mandanten bis hin zur Erstellung der Selbstanzeige - Achtung!, besondere Vollmacht ist hierfür notwendig - zu einer eleganten Lösung des ansonsten möglicherweise entstehenden Problems der zwangsweisen Niederlegung des Mandats. Denn bei Kenntnis von Straftaten darf der Steuerberater die unrichtige Steuererklärung nicht erstellen, ohne selbst in die Gefahr einer Steuerstraftat zu gelangen.

Darüber hinaus gibt es keinen Grund, dass nicht auch ein Steuerberater weitgehende Kenntnisse im Steuerstrafrecht haben sollte. In vielen Fällen ist das Steuerrecht für den Einzelfall viel ausschlaggebender als das formale Strafrecht. Mit der wirksamen Selbstanzeige soll es dazu ja gerade nicht kommen. Es spricht also nichts dagegen, dass die Steuerberater ein wirtschaftlich interessantes Betätigungsfeld verstärkt für sich erschließen. Sie sind es, die den Mandanten kennen und steuerrechtlich die Problematik überblicken und auch umsetzen können. Steuerpflichtige, die an dieser Stelle gezielt den Fachanwalt für Steuerrecht einschalten, werden häufig die Erfahrung machen, dass dieser dann doch wieder Rückgriff auf den Steuerberater nimmt, Sei es, weil er steuerschuldrechtlich die notwendigen Kenntnisse nicht mitbringt - man darf nicht vergessen, dass die Erlangung des Titels als Fachanwalt für Steuerrecht bei weitem nicht so hohe Anforderungen stellt wie die des Steuerberatertitels - oder aber, ich habe es mehrfach nach Mandatsübernahmen von enttäuschten Mandanten erlebt, weil der Fachanwalt sich nicht die aufwendige Arbeit der Ermittlung aller relevanten Tatsachen der Vergangenheit machen will und diese Arbeit dann gerne großzügig auf den Steuerberater des Mandanten delegiert. Der Mandant kommt dabei nicht gut weg, er bezahlt am Ende zwei Berater.

Nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung

Was aber geschieht bei erfolgter Bekanntgabe der Prüfungsanordnung? Wie weit reicht die Sperrwirkung nach neuem Recht? Vor der Gesetzesänderung konnte die Selbstanzeige bis zum Erscheinen des Prüfers abgegeben werden. Mit der Erklärung war es möglich, alle Zeiträume und Steuerarten außerhalb des Prüfungszeitraums in die Anzeige mit aufzunehmen.

Dies hat sich drastisch geändert. Nach Verständnis der Norm kann jetzt die Selbstanzeige nur noch für nicht von der Betriebsprüfung betroffene Steuerarten erfolgen. Dennoch liegen hier, das zeigen meine Erfahrungen mit der neuen Selbstanzeige, erhebliche Beratungsansätze. Denn das Steuerrecht ist nicht eingleisig sondern um Sachverhalte unter Berücksichtigung mehrerer Steuerarten vielfach verwoben. Darin liegen Risiken für all diejenigen, die systematische Querverbindungen nicht erkennen und die Aufdeckungsmöglichkeiten hinsichtlich anderer Hinterziehungstatbestände unterschätzen.

In der Folge ergeben sich immer wieder Möglichkeiten, andere Steuerarten, welche auch von Hinterziehungstatbeständen betroffen sind, nach Zugang der Prüfungsanordnung aber vor Beginn der Prüfung in einer Selbstanzeige zu verarbeiten.

Darüber hinaus kann der Rechtsanwalt/Steuerberater seinem Mandanten trotz der Sperrwirkung der Betriebsprüfung dennoch wertvolle Hilfe leisten. Denn die umfassende Mithilfe bei der Aufklärung des Schverhalts wird als Schuldminderungsgrund strafrechtlich gewertet und führt zur Strafmilderung bzw. kann die Einstellung des Verfahrens begünstigen. Alternativ dazu steht es dem Mandanten frei, auf die Nichtentdeckung der Tat zu spekulieren.

Einleitung eines Strafverfahrens- Sperrwirkung

Wurde früher dem Steuerpflichtigen oder seinem Steuerberater die Einleitung eines Strafverfahrens wegen Steuerhinterziehung bekannt gegeben, so erfasste die Sperrwirkung nach altem Recht ausschließlich die spezielle Tat. Dies hat sich gewandelt. Neuerdings ebenfalls erfasst von der Sperrwirkung der Bekanntgabe eines Strafverfahrens sind unverjährte Steuerhinterziehungen derselben Steuerart.

Auch hier gilt damit, dass andere Steuerarten mit der Selbstanzeige erklärt werden können. Dies führt aus meiner Erfahrung dazu, dass die Mitwirkung über die bereits entdeckten Taten hinaus schuldmindernd berücksichitgt wird.

Entdeckung der Tat

Ähnlich weit gefasst ist auch die Neuerung der Sperrwirkung bei Entdeckung der Tat. Hier reicht es ebenfalls, dass die Steuerverkürzung innerhalb einer Steuerart entdeckt ist, um die Selbstanzeige für alle Taten innerhalb dieser Steuerart zu sperren.

In der Praxis ergibt sich das Problem, dass die Entdeckung der Tat in den meisten Fällen dem Steuerhinterzieher erst bekannt wird, wenn die Einleitung des Steuerstrafverfahrens auf dem Tisch liegt. In der Folge gilt das oben erwähnte.

Sperrwirkung bei Steuerhinterziehung in großem Ausmaß

Erreicht die Steuerhinterziehung das Volumen von über 50.000 Euro je Tat, so ist auch für diese Tat die Selbstanzeige gesperrt. Dennoch kann der Täter in den Genuss der Einstellung des Steuerstrafverfahrens kommen, wen er den Sachverhalt aufklärt, anzeigt und die hinterzogenen Steuern bezahlt und darüber hinaus eine Geldsumme in Höhe von 5% der hinterzogenen Steuern entrichtet.

So kann der Berater auch bei größeren Schäden durch die Steuerhinterziehung seinem Mandanten Empfehlungen aussprechen, die diesen die prekäre Lage unter abgemilderten Begleiterscheinungen überstehen lassen.

Fazit

Die Selbstanzeige nach neuem Recht wird sich hinsichtlich ihrer Grenzen erst noch durch die Praxis sowie die hierzu ergehende Rechtsprechung definieren müssen. Der im Steuerstrafrecht tätige Rechtsanwalt/Steuerberater/Fachanwalt für Steuerrecht muss allerdings jetzt schon die akuten Fälle auf Basis des Gesetzes in Angriff nehmen. Die Erfahrung des Beraters ist daher zum jetzigen Zeitpunkt der ausschlaggebende Faktor zur erfolgreichen Bearbeitung des Mandats.

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