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Auslandsdividenden: Steueranrechnung

Die nach deutschem Steuerrecht bis zur Einführung des Halbeinkünfteverfahrens unzulässige Anrechnung der Körperschaftsteuer auf Auslandsdividenden war laut EuGH nicht mit Gemeinschaftsrecht vereinbar.

Umsetzung in der Steuerberaterpraxis

Zwar hatte der EuGH keinen zeitlichen Rahmen für die Anwendung der Rechtsprechung gegeben. Dennoch ist die Umsetzung in der Praxis der Steuerberater sowie in der Rechtsprechung der deutschen Finanzgerichte (FG) nicht eindeutig. Daraufhin hat das FG Köln (14.5.09, 2 K 2241/02) beschlossen, dass eine erneute Vorlage bei dem EuGH notwendig sei.

Steuerbescheinigung über ausländische Körperschaftsteuer

Erwartet wird insbesondere eine Entscheidung zu den formellen Anforderungen an den Nachweis der ausländischen Körperschaftsteuer. In der Regel fehlt es nämlich an einer Steuerbescheinigung, wie sie bei inländischen Dividenden erteilt wird. Daraus ergibt sich auch dem Grunde nach ein Zweifel an der Vereinbarkeit der deutschen Regelung mit dem Prinzip der Kapitalverkehrsfreiheit. Denn ohne Körperschaftsteuerbescheinigung über die ausländischen Dividenden ist ein Beweis nahezu unmöglich. In diesem Zusammenhang bietet sich nach Auffassung des FG Köln eine Schätzung der Körperschaftsteuer an.

Verfahrensrecht

Kommt der EuGH zu der Entscheidung, dass es keiner Steuerbescheinigung bedarf, fehlt es an einer weiteren verfahrensrechtlichen Korrekturvorschrift. In der Folge stellt sich daher auch die Frage, ob § 175 Abs. 1 Nr. 2 AO mit Europarecht vereinbar ist. Diese Norm gestattet die Änderung bestandskräftiger Bescheide für die Einkommensteuer nur bei inländischen Dividenden. Auch nur für diese wäre daher eine Anrechnung der Körperschaftsteuer zulässig.

Schließlich ist zu klären, ob § 175 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 2 S. 2 AO dergestalt angepasst werden durfte, dass die Vorlage einer Steuerbescheinigung nicht mehr als sogenanntes rückwirkendes Ereignis gilt. Dies hat nämlich zur Folge, dass ein bestandskräftiger Einkommensteuerbescheid nicht mehr um die ausländische Körperschaftsteuer berichtigt werden darf.

Hinweise für den Steuerberater/Rechtsanwalt (Haftung/Schadensersatz!):

Auf die Entscheidung des EuGH warten insbesondere Inhaber von Aktien, an die in den Jahren bis 2000 ausländische Dividenden geflossen sind. Die bisherige Erfahrung in der Praxis zeigt, dass in bereits laufenden Einspruchsverfahren bei vielen Finanzämtern abweichend von der Rechtsprechung des EuGH und damit zu Lasten des Steuerpflichtigen entschieden wird. Dabei wird von der Finanzverwaltung bei der Einspruchsentscheidung immer wieder wie folgt argumentiert:

1. Der Steuerpflichtige kann keine Steuerbescheinigung vorlegen;

2. Die Veranlagung zur Einkommensteuer oder Körperschaftsteuer ist bestandskräftig. Es fehle an einer Korrekturvorschrift;

3. Bei Dividenden aus Drittländern gelte das Urteil ohnehin nicht.

Einspruchsverfahren ruhend stellen

Wir empfehlen, dass alle anhängigen Verfahren zum Ruhen gebracht werden sollten. Zur Begründung kann auf die erneute Vorlage durch das FG Köln verwiesen werden.

Es wird auch zu prüfen sein, ob die Berichtigungsnormen der Abgabenordnung (§§ 172 ff. AO) grundsätzlich relevant sind. Denn systematisch wird die anzurechnende Körperschaftsteuer in einem Abrechnungsbescheid (§ 218 Abs. 2 AO) erfasst. In der Folge wäre unserer Ansicht nach eine Korrektur durchaus möglich, selbst wenn bereits Bestandskraft eingetreten ist. Hier gelten – da der Abrechnungsbescheid kein Steuerbescheid ist – als Berichtigungsnorm die §§ 130 ff. AO.

Daneben gibt es derzeit noch ein thematisch vergleichbares anhängiges Verfahren beim BFH (BFH 29.5.08, V R 45/06, BFH/NV 08, 1889), welches zu beachten gilt. Dort ist zu klären, unter welchen Voraussetzungen ausländische Körperschaftsteuer auf Dividendenerträge anzurechnen ist.

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