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Arbeitszimmer: Ermittlung der steuerlichen Kosten für Arbeitnehmer

Das häusliche Arbeitszimmer unterlag wiederholten gesetzlichen Neuregelungen und ist regelmäßig Gegenstand finanzgerichtlicher Verfahren. Bis 2017 konnten Arbeitnehmer die Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer selbst dann als Werbungskosten geltend machen, wenn ihnen die private Wohnung oder das private Haus nicht allein gehörte. Aufgrund eines Urteils des BFH gilt diese großzügige Regelung nicht mehr. In zwei aktuellen Verfügungen werden Finanzbeamte für diese neue, arg fiskalische Ermittlung der abziehbaren Werbungskosten sensibilisiert. Die Verfügungen schießen jedoch über das Ziel hinaus, weil die Urteilsgrundsätze nach Ansicht der Finanzverwaltung nicht bei Eigentum anzuwenden sind, sondern auch bei einer angemieteten Privatimmobilie.

Ermittlung der Werbungskosten für häusliches Arbeitszimmer bis Ende 2017

 

Bis Ende 2017 befand sich in den Lohnsteuerhinweisen folgender Text (H 9.14 „Ermittlung der abziehbaren Aufwendungen LStH):

„Liegt das Arbeitszimmer in einer den Ehegatten gemeinsam gehörenden Wohnung, einem gemeinsamen Einfamilienhaus oder einer gemeinsamen Eigentumswohnung, so sind die auf das Arbeitszimmer anteilig entfallenden Aufwendungen einschließlich AfA grundsätzlich unabhängig vom Miteigentumsanteil des anderen Ehegatten zu berücksichtigen. Entsprechendes gilt für die auf das Arbeitszimmer anteilig entfallenden Schuldzinsen.“

Mit anderen Worten: Selbst wenn eine Eigentumswohnung beiden Ehegatten zu jeweils 50 % gehörte, konnte der Ehegatte, der einen Raum dieser Wohnung als häusliches Arbeitszimmer nutzte, 100 % der auf das Arbeitszimmer entfallenden Gebäudeabschreibung und der Schuldzinsen bei Ermittlung der Arbeitszimmerkosten geltend machen.

 

Beispiel

Ehegatten waren zu jeweils 50 % Eigentümer einer Wohnung. Der Ehemann nutzte einen Raum als

berufliches Arbeitszimmer. Die auf das Arbeitszimmer entfallende Abschreibung und die anteiligen

Schuldzinsen betrugen 1.000 EUR. Folge: Der Ehemann durfte diese 1.000 EUR bei der Ermittlung der

Arbeitszimmerkosten in voller Höhe berücksichtigen.

 

Ermittlung der Werbungskosten für das häusliche Arbeitszimmer nach neuer BFH-Rechtsprechung

Werfen Sie einen Blick in die Lohnsteuerhinweise 9.14 im Lohnsteuerhandbuch 2018, werden Sie die oben genannte Textpassage nicht mehr finden. Das ist auf ein Urteil des Bundesfinanzhofs vom 6.12.2017 (VI R 41/15) zurückzuführen. Danach darf der Ehegatte, der das häusliche Arbeitszimmer aus beruflichen Gründen nutzt, die grundstücksorientierten Aufwendungen nur noch in Höhe seines Miteigentumsanteils an der Wohnung als Werbungskosten geltend machen.

Nach einer Verfügung des Finanz-Senats Bremen (4.11.19, 900-S 2145-1/2014-1/2016-11-1; Abruf-Nr. 215706) und einer Kurzinfo des Finanzministeriums Schleswig-Holstein vom 8.1.2020 (VI 308-S 2145-116, ESt-Kurzinfo Nr. 2020/1; Abruf-Nr. 215707) gelten bei Ermittlung der Arbeitszimmer­kosten folgende Grundsätze:

 

Unterteilung der Arbeitszimmerkosten

Die Kosten für das Arbeitszimmer sind in grundstücksorientierte und nutzungsorientierte Aufwendungen aufzuteilen. Je nach Zuordnung der Aufwendungen gilt Folgendes:

Grundstücksorientierte Aufwendungen: Bei grundstücksorientierten Kosten wie Abschreibung, Schuldzinsen, Grundsteuer oder Hausversicherungen dürfen die Kosten nur anteilig nach dem Miteigentumsanteil des Arbeitnehmers, der das Arbeitszimmer nutzt, in die Arbeitszimmerkosten einbezogen werden. Das gilt selbst dann, wenn der Arbeitnehmer diese grundstücksorientierten Kosten wirtschaftlich alleine getragen hat.

 

Beispiel

Ein Ehepaar nutzt eine Eigentumswohnung, an der die beiden jeweils zu 50 % Eigentümer sind. Für Abschreibung und Zinsen fallen 1.000 EUR an. Die Kaufpreiszahlung sowie die Zinszahlungen erfolgten vom gemeinsamen Konto. Die Ehefrau nutzt in der Wohnung aus beruflichen Gründen einen Raum als Arbeitszimmer. Folge: Bei Ermittlung der Kosten für das Arbeitszimmer darf die Ehefrau nach den Grundsätzen der neuen BFH-Rechtsprechung von den grundstücksorientierten Aufwendungen nur 500 EUR erfassen.

 

Alternative

Ein Ehepaar nutzt eine Eigentumswohnung, die zu 100 % dem Ehemann gehört. Für Abschreibung und Zinsen fallen 1.000 EUR an. Die Kaufpreiszahlung sowie die Zinszahlungen erfolgten vom Konto des Ehemanns. Die Ehefrau nutzt in der Wohnung aus beruflichen Gründen einen Raum als Arbeitszimmer. Folge: Bei Ermittlung der Kosten für das Arbeitszimmer darf die Ehefrau nach den Grundsätzen der neuen BFH-Rechtsprechung keine von den grundstücksorientierten Aufwendungen erfassen.

 

Nutzungsorientierte Aufwendungen: Die auf das Arbeitszimmer entfallenden nutzungsorientierten Aufwendungen, wie Energiekosten, Renovierungskosten für das Arbeitszimmer, Reinigungskosten, darf der Arbeitnehmer, der das Arbeitszimmer nutzt, unabhängig von seinem ­Eigentumsanteil bei Ermittlung der Arbeitszimmerkosten erfassen. Das gilt unabhängig davon, wer die Aufwendungen wirtschaftlich tatsächlich getragen hat (Grundsätze zum sog. Drittaufwand).

 

Beispiel

Ein Ehepaar nutzt eine gemeinsame Wohnung (Miteigentumsanteile jeweils 50 %). Der Ehemann nutzt einen Raum als berufliches Arbeitszimmer. Für Heizung, Strom und Wasser sowie Renovierung und Reinigung entfallen 600 EUR auf das Arbeitszimmer. Die Ausgaben werden vom gemeinsamen Konto der Eheleute bezahlt. Folge: Diese nutzungsorientierten Aufwendungen darf der Ehemann zu 100 % bei der Ermittlung der Arbeitszimmerkosten erfassen.

 

Alternative

Ein Ehepaar nutzt eine Wohnung, die zu 100 % im Eigentum der Ehefrau steht. Der Ehemann nutzt einen Raum als berufliches Arbeitszimmer. Für Heizung, Strom und Wasser sowie Renovierung und Reinigung entfallen 600 EUR auf das Arbeitszimmer. Die Ausgaben werden vom Konto der Ehefrau bezahlt. Folge: Diese nutzungsorientierten Aufwendungen darf der Ehemann zu 100 % bei der Ermittlung der Arbeitszimmerkosten erfassen.

 

Anwendung der Urteilsgrundsätze auch auf Mietwohnungen

In den beiden aktuellen Verfügungen wird diese neue BFH-Rechtsprechung nicht nur auf Wohnungen angewandt, die im Eigentum von Ehegatten stehen, sondern auch auf angemietete Wohnungen.

 

Beispiel

Ein Ehepaar mietet eine Wohnung an. Den Mietvertrag haben beide unterschrieben. Der Ehemann nutzt in dieser angemieteten Wohnung ein berufliches Arbeitszimmer. Die auf dieses Arbeitszimmer entfallende Kaltmiete beträgt 1.100 EUR, die Kosten für Heizung, Wasser, Strom, Renovierung und Reinigung betragen 400 EUR. Folge: Nach den Urteilsgrundsätzen darf der Ehemann von den grundstücksorientierten Aufwendungen 550 EUR und von den nutzungsorientierten Aufwendungen 400 EUR bei der Ermittlung der Arbeitszimmerkosten ­erfassen.

 

Alternative

Ein Ehepaar mietet eine Wohnung an. Den Mietvertrag unterschreibt nur die Ehefrau. Der Ehemann nutzt in dieser angemieteten Wohnung ein berufliches Arbeitszimmer. Die auf dieses Arbeitszimmer entfallende Kaltmiete beträgt 1.100 EUR, die Kosten für Heizung, Wasser, Strom, Renovierung und Reinigung betragen 400 EUR. Folge: Nach den Urteilsgrundsätzen darf der Ehemann nur die nutzungsorientierten Aufwendungen i. H. v. 400 EUR bei der Ermittlung der Arbeitszimmerkosten erfassen.

 

Relevanz für die Praxis

Zwei Signalwirkungen ergeben sich aus dieser neuen Sichtweise:

1.         Ist nur ein Ehegatte Mieter und das Finanzamt lässt die Kosten beim anderen Ehegatten nicht als Arbeitszimmerkosten zum Abzug zu, könnte der Rechtsweg bestritten werden. Denn in dem Urteil vom 6.12.2017 ging es um Eigentumsverhältnisse und nicht um Mietverhältnisse. Ob die Urteilsbegründung bei Mietverhältnissen vergleichbar und haltbar ist, scheint zumindest fragwürdig.

2.         Mietet ein Ehepaar eine Wohnung an und es steht zu diesem Zeitpunkt bereits fest, dass nur einer der Eheleute einen Raum als häusliches Arbeitszimmer nutzen wird, sollte auch nur dieser Ehegatten den Mietvertrag unterzeichnen. Nur so sichert sich das Ehepaar den 100-prozentigen Abzug der grundstücksorientierten Aufwendungen (Kaltmiete).

 

Wer ist von dieser neuen Ermittlungsmethode betroffen?

In dem Urteilsfall vom 6.12.2017 ging es um Eigentumsverhältnisse von Ehegatten an der gemeinsamen Wohnung, in der ein Ehegatte einen Raum als berufliches Arbeitszimmer nutzte. Da ist es nach § 2 Abs. 8 EStG konsequent, wenn das Finanzministerium Schleswig-Holstein darauf hinweist, dass die Urteilsgrundsätze auch auf Partner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft anzuwenden sind.

Die Finanzverwaltung geht jedoch einen Schritt weiter und wendet die ­Urteilsgrundsätze auch auf nichteheliche Lebensgemeinschaften an. Auch hier stellt sich die Frage, ob das nicht zu einer überschießenden Wirkung – insbesondere bei Mietverhältnissen – führt.

 

Fundstellen

·         FM Schleswig-Holstein 8.1.20, VI 308-S 2145-116, Einkommensteuer-Kurzinformation Nr. 2020/1, Kurzinformation betr. Berücksichtigung von Kosten für ein Arbeitszimmer bei Eigentum/Anmietung von Räumlichkeiten durch Ehegatten; Dritt­aufwand,

·         FSen Bremen 4.11.19, 900-S 2145-1/2014-1/2016-11-1, Erlass betr. Berücksichtigung von Aufwendungen für ein häusliches Arbeitszimmer bei Ehegatten/Lebenspartnern; Änderung der Rechtsauffassung (DStR 2020 S. 723)

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