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Abgrenzung gewerblicher von künstlerischer Tätigkeit

Regelmäßig wird an den Steuerberater/Rechtsanwalt von Seiten der Mandanten die Frage nach der Gewerblichkeit einer Tätigkeit herangetragen. Dabei geht es um die Abgrenzung freiberuflicher und häufig auch künstlerischer Tätigkeit. Die OFD Hannover hat mit Schreiben vom 12.12.2006, G 1400 - 85 - StO 254 hierzu erläuternd Stellung genommen. Es lässt sich Folgendes festhalten:

I. Allgemeine Grundsätze zur Abgrenzung

Zur freiberuflichen Tätigkeit i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehört u. a. auch die selbstständig ausgeübte künstlerische Tätigkeit. Die Entscheidung der Frage, ob die vom Steuerpflichtigen ausgeübte Tätigkeit als künstlerisch zu beurteilen ist, ist insbesondere in solchen Fällen erforderlich, in denen sich gewerbesteuerliche Konsequenzen ergeben können (Gewerbeertrag von über 24.500 EUR, § 11 Abs. 1 Nr. 1 GewStG).

Bei der Abgrenzung der gewerblichen von der künstlerischen Tätigkeit sind die allgemeinen Grundsätze zur Abgrenzung des Gewerbebetriebes gegenüber der selbstständigen Arbeit in H 15.6 EStH 2005 sowie die weiteren von der Rechtsprechung entwickelten Gesichtspunkte zu beachten. Danach liegt eine künstlerische Tätigkeit dann vor, wenn der Steuerpflichtige eine eigenschöpferische Leistung vollbringt, in der seine individuelle Anschauungsweise und Gestaltungskraft zum Ausdruck kommt und die über eine hinreichende Technik hinaus eine gewisse Gestaltungshöhe erreicht (ständige Rechtsprechung des BFH, zuletzt BFH-Urteile vom 4. November 2004, BStBl 2005 II S. 362 und vom 26. April 2006, BFH/NV 2006, 2238).

Zum Zwecke der Abgrenzung unterscheidet die Rechtsprechung zwischen zweckfreier Kunst und Gebrauchskunst (vgl. BFH-Beschluss vom 14. August 1980, BStBl 1981 II S. 21). Bei der Ausübung der zweckfreien Kunst, deren Arbeitsergebnisse keinen praktischen Nützlichkeits- (Gebrauchs-) Zweck haben und die bereits nach allgemeiner Verkehrsauffassung als künstlerische Tätigkeit angesehen werden kann (z. B. bei Kunstmalern, Musikern oder Komponisten), ist in der Regel eine Zuordnung zu den Einkünften i. S. d. § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG möglich. Ein Begutachtungsverfahren zur Feststellung der Künstlereigenschaft kommt daher im Allgemeinen nur im Bereich der zweckgebundenen Gebrauchskunst mit praktischem Nützlichkeitswert, die auch als Kunsthandwerk oder Kunstgewerbe bezeichnet werden kann, in Betracht. Zu den Einzelheiten des Begutachtungsverfahrens vgl. II.

Auch reproduzierende Tätigkeit kann künstlerisch sein, wie z. B. die Darbietungen eines „Tanz- und Unterhaltungsorchesters”, wenn diese einen bestimmten Qualitätsstandard erreichen (BFH-Urteil vom 19. August 1982, BStBl 1983 II S. 7).

Schauspieler, die ihre Bekanntheit zur Produktwerbung einsetzen, erzielen insoweit gewerbliche Einkünfte, wenn ihnen kein Raum für eine eigenschöpferische Leistung verbleibt (BFH-Urteile vom 11. Juli 1991, BStBl 1992 II S. 353 und vom 15. Oktober 1998, BFH/NV 1999 S. 465).

Erzielen Künstler aus ihrer Tätigkeit nur Verluste, so ist zu prüfen, ob ihre Tätigkeit nicht bereits als steuerlich nicht relevante Liebhaberei eingestuft werden muss. Es gelten grundsätzlich die von der Rechtsprechung entwickelten allgemeinen Abgrenzungsmerkmale (Beschluss des Großen Senats vom 25. Juni 1984, BStBl 1984 II S. 751), wobei sich aus der Natur der künstlerischen Tätigkeit Besonderheiten ergeben. Die Rechtsprechung lässt zwar keine „theoretische Gewinnchance” für die Annahme der Gewinnerzielungsabsicht genügen (BFH-Beschluss vom 28. Februar 2003, BFH/NV 2003 S. 625), dennoch werden bei künstlerischen Tätigkeiten entsprechend längere Anlaufzeiten zu Grunde gelegt (BFH-Urteil vom 26. April 1989, BFH/NV 1989 S. 696; Urteil des Niedersächsischen Finanzgerichts vom 27. August 2003, EFG 2004 S. 111). Bei einer hauptberuflichen künstlerischen Tätigkeit ist daher in der Regel nur in Ausnahmefällen eine Liebhabertätigkeit anzunehmen.

Nebenberufliche künstlerische Tätigkeiten können hingegen dann als Liebhabereibetrieb angesehen werden, wenn diese mit anhaltenden Verlusten verbunden sind und der betreffende Steuerpflichtige die verlustbringende Tätigkeit aus einer anderen hauptberuflichen Tätigkeit finanzieren kann (Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 10. Dezember 1993, EFG 1993 S. 514).

II. Begutachtungsverfahren

Zu den Berufen, bei denen ggf. ein Begutachtungsverfahren erforderlich ist, zählen insbesondere (Werbe-)Grafiker, Designer, Werbefotografen, Gold- und Silberschmiede, Schmuckgestalter, Kunstschmiede, Keramiker mit Herstellung von Gebrauchsgegenständen u. a. Für Zwecke der Begutachtung ist der Steuerfachabteilung zu berichten. Dabei sind vorzulegen

  • eine Darstellung des Steuerpflichtigen über seinen künstlerischen Werdegang
  • Entwürfe oder geeignete – möglichst farbige – Abbildungen von tatsächlich verwerteten Werken des Steuerpflichtigen, die einen zeitnahen charakteristischen Querschnitt seines Gesamtschaffens darstellen und
  • etwaige Kritiken und Rezensionen über seine Arbeiten.

Die OFD weist darauf hin, dass eine Begutachtung nur in Betracht kommt, wenn die Einordnung der Tätigkeit steuerliche Auswirkung hat. Dies ist regelmäßig nur dann der Fall, wenn der Gewerbeertrag mehr als 24.500,00 EUR beträgt oder dieser Freibetrag in absehbarer Zeit überschritten wird.

In Künstlergemeinschaften müssen alle Beteiligten – auch Ehegatten – die Künstlereigenschaft besitzen und sich ausschließlich künstlerisch betätigen (H 15.6 (Gesellschaft) EStH 2005). Eine evtl. Begutachtung ist daher für jeden Beteiligten zu veranlassen.

Nach Anhörung der Sachverständigen wird die Steuerfachabteilung das Finanzamt über das Ergebnis der Begutachtung unterrichten. Die Künstlereigenschaft müsste nach dem Grundsatz der Abschnittsbesteuerung für jeden Erhebungszeitraum erneut überprüft werden. Aus Vereinfachungsgründen ist die OFD jedoch damit einverstanden, dass ein notwendiges Begutachtungsverfahren bei gleichbleibenden Verhältnissen nur in einem sechsjährigen Turnus wiederholt wird, wenn die Künstlereigenschaft bei der ersten Überprüfung zuerkannt worden ist.

Hat eine Überprüfung der Künstlereigenschaft durch das Finanzamt mit positivem Ergebnis stattgefunden, so ist ein entsprechender Vermerk in der laufenden Akte zu belassen.

Bei einer Begutachtung sind die betreffenden Vorgänge in einer Sonderakte zusammenzufassen, damit die Überwachung der turnusmäßigen Wiederholung erleichtert und gewährleistet wird.

Sprechen Sie bei Relevanz Ihren Steuerberater/Rechtsanwalt frühzeitig auf diese Thematik an, damit nicht entscheidende Schritte bei der Betreuung des Mandats übersehen werden.

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